Politik | 01. Februar 2018

Hogan auf die Finger schauen

Von René Bossert
Die Vorschläge der EU-Kommission zur künftigen EU-Agrarpolitik bieten aus Sicht des baden-württembergischen Landwirtschaftsministeriums gute Ansätze. Nun gelte es genau hinzusehen, dass diese auch umgesetzt werden – und sich mit klugen Ideen in die Reformdiskussion einzubringen.
Dies erklärte Friedlinde Gurr-Hirsch am vergangenen Samstag beim Agrartag von BLHV und Maschinenring Schwarzwald-Baar in Donaueschingen. Die Staatssekretärin im Stuttgarter Landwirtschaftsministerium lobte  die Vorschläge aus Brüssel: Die EU-Kommission sei erstmals bereit, dem Prinzip der Subsidiarität Rechnung zu tragen und den  Ländern und Regionen mehr Entscheidungsspielräume einzuräumen. Auch dass kleine und mittlere Betriebe stärker gefördert werden sollen, findet sie gut.
Jetzt müsse man allerdings genau hinsehen, ob diesen Worten auch Taten folgen, fügte sie hinzu. In Sachen  Verwaltung  beispielsweise müsse sich die EU auf das Vertrauensprinzip besinnen und   überbordende Kontrollen – ins Werk gesetzt nach dem Misstrauensprinzip – vermindern.  
Friedlinde Gurr-Hirsch kann den ersten Reformvorschlägen aus Brüssel viel Positives abgewinnen.

Und schließlich drohen Nachteile, weil Geld fehlen könnte. Laut  EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger fehlen der EU nach 2020 12 Milliarden jährlich in der Kasse. Davon wolle er die Hälfte durch Mehreinnahmen von den EU-Mitgliedsstaaten ausgleichen, die andere Hälfte aber duch  Einsparungen. „Da müssen sich die Agrarpolitiker auf die Hinterbeine stellen”, sagte Gurr-Hirrsch.
2018 werde geprägt sein durch das Ringen um die Agrarreform. Hier müsse man mit klugen Ideen gestalten, als ein Beispiel nannte die Staatssekretärin den Ansatz,  Umweltleistungen der Landwirtschaft besser zu honorieren:  „Im Moment gibt es für die Umweltleistungen nur einen Kostenausgleich, künftig müssen  wir darüber hinaus aber finanzielle Anreizkomponenten dafür schaffen”, unterstrich sie. Auch dass man beim Thema Offenhaltung an die Raufutterfresser denken müsse, sei in die Diskussion einzubringen.
Auf Landesthemen eingehend sprach sie  die unbefriedigende Einkommenssituation an: Trotz eines Anstiegs um 30 Prozent  gegenüber dem Jahr zuvor habe im Wirtschaftsjahr 2016/17 nur ein Drittel der Haupterwerbsbtriebe im Südwesten mit  70000 Euro einen Unternehmergewinn erzielt,  der für Lebenshaltung und Investitionen mindestens notwendig sei. „Wenn ich mit Leuten von außerhalb der Landwirtschaft in meiner Region darüber spreche, dann können die sich das gar nicht vorstellen, wie wenig in der Landwirtschaft verdient wird”, sagte sie.    Die Staatssekretärin hofft, dass nun eine Trendwende bei den Einkommen eingetreten ist.
Beim Tierschutz sei es „weiß Gott nicht einfach”, die Ziele Tiergerechtheit und Wettbewerbsfähigkeit mit anderen
EU-Ländern in Einklang zu bringen. Für die Tierhalter gelte es, ein Maßnahmenpaket mit Hilfestellungen zu entwickeln.  Bei der Anbindehaltung gelte es, umsichtig vorzugehen und Strukturbrüche zu vermeiden. Dem Ansatz,  Anbindehaltung mit Winterauslauf mit dem Laufstall gleichzustellen – wie in der Diskussion vorgeschlagen –, konnte sie aber nichts abgewinnen.
Zur Digitalisierung berichtete sie von einem eindrücklichen Gespräch mit einer österreichischen Landfrauenfunktionärin auf der Grünen Woche in Berlin. Diese sei „entsetzt” darüber gewesen, was für ein niedriges Niveau Deutschland in Sachen Digitalisierung habe. Baden-Württemberg werde im nächsten Doppelhaushalt immerhin richtig viel Geld für Fortschritte in dieser Richtung ausgeben.
Blühstreifen
Im Blick auf Biodiversität und ein kürzlich beschlossenes und mit 36 Millionen Euro ausgestattetes Landesprogramm appellierte Gurr-Hirsch an die Landwirte,  sich einzubringen, beispielsweise indem sie Blühstreifen anlegten.  
Interessante Perspektiven für die rund 930 Biogasanlagen im Südwesten sieht sie  durch die Bioökonomie: In Biogasanlagen könnten künftig hochpreisige Rohstoffe für die chemische Industrie wie Milchsäure oder Bernsteinsäure produziert werden.   Allerdings stehe man bei dem Thema noch am Anfang.
Zum Thema FFH-Kartierung beruhigte Gurr-Hirsch:  „Sie brauchen kein Ungemach zu erwarten, wir schauen dem Umweltministerium auf die Finger, damit es keine Verschärfungen durch die Nachkartierung gibt.” Die vom Donaueschinger Kreisvorsitzenden Karl-Heinz Bäurer aufgeworfene Frage, weshalb auch außerhalb der FFH-Gebiete kartiert werde,  beantwortete sie allerdings nicht.