Betrieb und Wirtschaft | 03. Dezember 2019

Beide Seiten müssen klare Vorstellungen haben

Von René Bossert
Tipps und Informationen zum Thema außerfamiliäre Hofübergabe gab es bei einem Podiumsgespräch vergangene Woche im Bildungshaus St. Ulrich.
Angebote und Gesuche auf der Wäscheleine: Das Podiumsgespräch war Teil eines Seminartags, zu dem das Bildungshaus St. Ulrich zusammen mit dem Bildungswerk des BLHV und der Katholischen Landvolkbewegung Betriebe ohne Hofnachfolger und am Einstieg Interessierte ohne eigenen Hof eingeladen hatte. Dabei konnten Teilnehmer auch schriftlich und einsehbar für alle Anwesenden ihre Hofgesuche bzw.     Hofangebote präsentieren.
„Patentrezepte gibt es nicht, jede außerfamiliäre Hofübergabe ist eine höchst individuelle Lösung”, stellte BLHV-Justitiar Michael Nödl fest. Er informierte am Vormittag über die rechtlichen Aspekte. Zwei solche individuellen Lösungen wurden am Nachmittag vorgestellt: Manfred Nafziger aus Contwig bei Zweibrücken berichtete in der Runde von seiner Hofübergabe, die 2015 über die Bühne ging.
„Fünf bis sieben Jahre braucht man für diesen Prozess, bei dem man Schritt für Schritt vorgehen sollte”, sagte er. Der erste Schritt sei, sich darüber klar zu werden, was man wolle. Seine Frau Marianne und er hätten immer wieder mit ihren drei Kindern über das Thema gesprochen, was aus dem Hof und der Hofstelle werden sollte. Beispielsweise kristallisierte sich in ihrem Fall nach und nach heraus, dass der Bioland-Gemischtbetrieb mit Hofladen vielfältig bleiben sollte und der Hofladen noch eine gewisse Zeit lang von Marianne Nafziger weiterbetrieben werden sollte. Auch wollten die Nafzigers weiterhin auf der Hofstelle wohnen bleiben.
Schritt Zwei sollte nach Nafzigers Meinung eine schonungslose Ist-Analyse des Betriebes sein – oft würden in Richtung Hofübergabe hin Investitionen aufgeschoben. Im nächsten Schritt gehe es um die betriebswirtschaftlichen Perspektiven. „60.000 Euro als Familieneinkommen müssen es schon sein”, sagte er. Beratung sei dabei unverzichtbar. Überhaupt kamen in dem ganzen Übergabeprozess über 15.000 Euro an Beratungs- und Notarkosten zusammen. Aber das sei es auch wert gewesen.
Kommanditgesellschaft als eine Lösung
Dann erst wurden die Suche und die Auswahl der Bewerber gestartet. Von den 25 Bewerbungen wurden einige Paare übers Wochenende eingeladen. Ein Paar, das sie in die engere Auswahl genommen hatten, sprang ab. Mit den späteren Übernehmern wurden dann innerhalb mehrerer Treffen innerhalb eines halben Jahres die konkreten Dinge festgeklopft. Vor der offiziellen Übernahme im Mai 2015 waren die beiden Übernehmer ein Jahr im Betrieb angestellt.
„Wir waren schuldenfrei und auch bereit, noch einmal zu investieren. Das Oberziel war, den Hof zu erhalten”, berichtete Nafziger. Gegründet wurde dann eine Kommanditgesellschaft. Nafziger ist nun als Kommanditist stiller Teilhaber mit 89 % der Anteile. „Ich halte mich aus dem Betrieb heraus und gebe nur manchmal Rat, wenn ich gefragt werde”, berichtete Nafziger. Der Vertrag läuft über 30 Jahre, bei ihm gehen die Anteile dann an die Kinder über.
Von Moderatorin Geli Pietschmann zu seiner Einstellung zum Thema „Loslassen” befragt, sagte der Rheinland-Pfälzer: „Ich bin auf Erden zu Gast. Ich durfte lange Verantwortung tragen, jetzt bin ich froh, dass ich sie abgeben konnte."
Drei Jahre gesucht
Das man wissen muss, was man will, bestätigte auch Sophie Kraul aus Wildberg bei Calw, die das Thema aus Sicht der Übernehmenden darstellte. Sie hat im Nordschwarzwald zusammen mit ihrem Mann vor gut einem Jahr einen Hof mit Ackerbau, Legehennen und Pensionsrindern pachtweise übernommen. In diesem Fall wussten die Übergeber für sich nicht genau, was sie wollten, so schilderte sie ihre Erfahrungen und fügte hinzu:  „Das ist für die Übernehmenden schwierig, weil es dann sehr anspruchsvoll ist, geduldig zu bleiben.”
Ihre Suche hat knapp drei Jahre gedauert. 20 Betriebe südlich des Mains – so die eigene Vorgabe zur Region – sah sich das Paar insgesamt an, bei dreien davon war das Interesse so weit gediehen, dass man überlegt habe, wie die Übernahme konkret aussehen könnte.
Bei dem nun übernommenen Betrieb kam der Kontakt über einen Makler zustande. Ein aussagekräftiges Exposé sei dabei hilfreich gewesen. Ausgewählt wurden sie schließlich, weil sie schon Erfahrung mit Betriebsleitung hatten und einen Vollerwerbsbetrieb suchten.
Am Ende geht es um Zahlen
Wie es in ihren beiden Fällen mit der Hofübergabe ablief, schilderten Manfred Nafziger und Sophie Kraul.
Der Betrieb ist gepachtet und der Besitzer will ihn auch nicht verkaufen, nach zwölf Jahren könne wieder über die Pachthöhe gesprochen werden. Die jetzige Pachthöhe sei tragbar, weil der Besitzer auch wollte, dass der Betrieb weiterläuft. 
„Das Soziale ist wichtig, aber am Ende geht es um Zahlen”, sagte Kraul. Vergessen dürfe man auch nicht, dass man genügend Kapital für die erste Phase brauche.
„Es muss auch landwirtschaftliche Förderinstrumente geben, die nicht nur für die Vater-Sohn-GbR gedacht sind”, forderte sie. Immerhin fördere das Arbeitsamt eine Existenzgründung, wenn man aus einem Angestelltenverhältnis komme. Für das Landwirtschaftsamt sei man erst Ansprechpartner, wenn man Flächen gepachtet habe.
Ganz wertvoll ist aus ihrer Sicht für die Übernehmer, wenn sie einen Kreis von Menschen um sich haben, die an das Projekt und die Personen glauben. Das gelte für die Suchphase und für die Startphase gleichermaßen.
Mit vielen Leuten sprechen
Auf das große Auseinanderklaffen von Verkehrswerten und Ertragswerten wies Christian Leibrock hin. Der Landwirtschaftliche Sachverständige aus Ottersweier hat Betriebe gesehen, deren Verkehrswert das 20- bis 30-fache des Ertragswertes beträgt. Bei außerfamiliären Hofübergaben sei der Verkehrswert der relevante Wert.
Die Eigenkapitalverzinsung in der Landwirtschaft liege bei so manchem Betrieb unter 0,25 %. Bisweilen helfen seiner Erfahrung nach außerlandwirtschaftliche Bereiche wie beispielsweise eine vor 2012 gebaute Photovoltaikanlage. Er riet, die Betriebe auf die Perspektiven hin anzuschauen: Was könnte beispielsweise aus dem Hof werden, wenn Gebäude als Gewerbe umgenutzt werden können?
Leibrock ging auch auf die regionalen Unterschiede in Südbaden ein: „Im Realteilungsgebiet ist es sehr schwierig, Flächen beieinander zu halten”, stellte er fest. Geschlossene Hofgüter im Schwarzwald seien einfacher zu bewerten.
Leibrocks Rat, gemünzt gleichermaßen auf Übergebende wie Übernehmende: „Ich brauche eine Zielvorstellung darüber, was man sich leisten kann.” Um diese Zielvorstellung zu entwickeln, müsse man mit vielen Leuten sprechen. Und man könne dabei auch so vorgehen, dass man sich nach und nach klar mache, was man nicht wolle. 
Mit den eigenen Kindern im Gespräch bleiben
Der Acherner BLHV-Bezirksgeschäftsführer Stefan Schrempp macht jährlich rund 100 Hofübergabe-Beratungen. Fünf bis acht davon seien außerfamiliär. Er erwartet, dass in seinem Bezirk deren Zahl zunehmen wird. „Fünf Jahre Vorlauf muss man als Übergeber einplanen, damit man sich nicht zu viel Zeitdruck macht”, so seine Erfahrung.
Wichtig sei, mit den Kindern laufend im Gespräch über das Thema zu bleiben. Gefährlich sei, wenn man mit potenziellen Übernehmern schon weit in den Gesprächen gekommen sei und dann plötzlich die Kinder ins Spiel kämen. Er lädt zum ersten Beratungstermin immer nur die Übergeber ein. Es sei hilfreich, zunächst einmal alleine mit ihnen zu klären, welche Vorstellungen sie beispielsweise zum Thema Wohnen und Finanzen haben. 
Bei der Beratung sei eine Reihe von rechtlichen, steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Aspekten zu beachten. Zeitdruck sei da ganz schlecht.  Steuerrechtlich sei beispielsweise ein Problem, dass bei außerfamiliären Hofübergaben geringe Freibeträge gelten. Wenn man genug Zeit habe, seien aber Gestaltungen möglich, durch die relativ geringe Schenkungssteuern anfallen.
Zwei Welten kommen zusammen
Ebenfalls in der Beratung von außerfamiliären Hofübergaben tätig ist Birgit Motteler vom Beratungsdienst Familie und Betrieb. „Wir begleiten den Prozess”, berichtete sie. Zu ihr kommen sowohl Übernehmer als auch Übergeber, wobei die Zahl der Beratungen stark zugenommen habe. „Man muss wissen, was man will, was man nicht will und in welchen Punkten man Kompromisse machen kann”, erklärte sie. Eine außerfamiliäre Hofübergabe brauche viel Zeit und einen langen Atem bei der Suche.
 Man müsse sich bewusst machen, dass zwei Welten zusammenkommen. Bei den Übernehmern gelte grob gesprochen: Mehr höhere Bildungsabschlüsse, mehr Frauen und mehr Bio.
Schauen, ob die Chemie stimmt, und dann im Prozess immer wieder Wertschätzung füreinander aufbringen, so müsse man sich voranarbeiten. Ein Grundproblem sei, dass gleichzeitig Übergeber loslassen und Übernehmer zupacken müssen. Das führe manchmal zu Ungeduld.