Politik | 30. August 2018

Hofabgabeklausel verändern oder abschaffen?

Eine von maßgeblichen Unionspolitikern angekündigte Anpassung der Hofabgabeklausel als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte allein an der dafür fehlenden politischen Mehrheit scheitern.
Die stellvertretende Agrarsprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Ursula Schulte, bekräftigte vergangene Woche die Forderung ihrer Partei nach vollständiger Abschaffung der Regelung. „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt die grundsätzliche Position der SPD-Bundestagsfraktion, die Hofabgabeverpflichtung endgültig abzuschaffen”, erklärte Schulte.  Rechtsunsicherheit für Landwirte, die kurz vor der Pensionierung stehen, dürfe es nicht geben. „Wir brauchen Klarheit”, mahnte die Parlamentarierin.
SVLFG bewilligt derzeit keine Altersrenten
Unterdessen teilte die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) mit, dass sie bis auf weiteres keine Entscheidungen über Anträge auf Altersrenten treffen werde. Der Vorstandsvorsitzende der SVLFG, Martin Empl, bedauert die anstehenden Verzögerungen in der Bearbeitung von Rentenanträgen. „Unseren Versicherten wird hierdurch aber kein weiterer Nachteil entstehen”, versicherte Empl. Sobald der SVLFG die rechtliche Entscheidungsgrundlage vorliege, würden beantragte Renten ab Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen rückwirkend bewilligt.
Wie die SVLFG erläuterte, dürfen Gerichte und sie selbst infolge des Urteils ihre Entscheidungen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber nicht auf die beanstandete Vorschrift stützen. Man benötige eine Grundlage, um Altersrenten bewilligen zu können, gegebenenfalls auch nur vorläufig. Hierzu sei man in enger Abstimmung mit dem Bundesversicherungsamt (BVA), heißt es aus Kassel. Bis eine Antwort des Bundesversicherungsamts vorliege, könnten keine Entscheidungen über Altersrentenanträge getroffen werden.
Nicht betroffen von dem Verfassungsgerichtsurteil sind der Sozialversicherung zufolge Renten wegen Erwerbsminderung sowie Witwen- und Witwerrenten. Das bedeute, dass hier vorerst noch die Hofabgabe notwendig sei. Ebenfalls nicht betroffen seien bestandskräftige Entscheidungen. Rentenbeziehern, die zusätzliche Flächen jenseits der Mindestgröße bewirtschaften möchten, empfiehlt die SVLFG, eine mögliche gesetzliche Neuregelung abzuwarten, um nicht ein Ruhen der Rente zu riskieren.
Scharfe Kritik
Scharfe Kritik an der Ankündigung der SVLFG übte der agrarpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Friedrich Ostendorff. Er sprach von einem „Schlag ins Gesicht des Rechtsstaates und der Rentenberechtigten”. Die SVLFG müsse die Rechtsprechung anerkennen und ihr Folge leisten, so Ostendorff. Derweil rief die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) alle Bäuerinnen und Bauern sowie ihre Ehepartner, die das Rentenalter erreicht und ihre Renten-Wartezeit erfüllt haben, dazu auf, noch im laufenden Monat einen Rentenantrag zu stellen. Ob der Betrieb übergeben sei oder nicht, spiele keine Rolle mehr, nachdem das Bundesverfassungsgericht die bisherige Verpflichtung zur Hofübergabe für verfassungswidrig und unanwendbar erklärt habe. Die Begründung der SVLFG, es gebe nach dem Karlsruher Beschluss keine rechtliche Grundlage dafür, über Rentenanträge entscheiden zu können, sei „genauso unhaltbar wie die Hofabgabeklausel selbst”.
Zügig politisch entscheiden
SPD-Expertin Schulte sieht jetzt vor allem Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gefordert, für Klarheit zu sorgen. Zudem spricht sich die SPD-Politikerin dafür aus, endlich eine grundsätzliche Diskussion über das agrarsoziale Sondersystem zu führen.
Zügige politische Entscheidungen mahnte unterdessen auch die Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes (dlv), Brigitte Scherb, an.  Letztendlich seien es der Generationenwechsel und die sichere Zukunft der Landwirtschaft, die im Vordergrund stünden. Die Landfrauenpräsidentin verwies auf den Rat von Experten an Bäuerinnen und Bauern, ab sofort ihre Altersrente zu beantragen, wenn sie die Altersgrenze erreicht hätten. Betroffene, deren Rentenantrag wegen fehlender Hofabgabe in der Vergangenheit abgelehnt worden sei, sollten danach eine erneute Prüfung beantragen.