Eine von maßgeblichen Unionspolitikern angekündigte Anpassung der Hofabgabeklausel als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte allein an der dafür fehlenden politischen Mehrheit scheitern.
Die stellvertretende Agrarsprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Ursula Schulte, bekräftigte vergangene Woche die Forderung ihrer Partei nach vollständiger Abschaffung der Regelung. „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt die grundsätzliche Position der SPD-Bundestagsfraktion, die Hofabgabeverpflichtung endgültig abzuschaffen”, erklärte Schulte. Rechtsunsicherheit für Landwirte, die kurz vor der Pensionierung stehen, dürfe es nicht geben. „Wir brauchen Klarheit”, mahnte die Parlamentarierin.
SVLFG bewilligt derzeit keine Altersrenten
Unterdessen teilte die
Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG)
mit, dass sie bis auf weiteres keine Entscheidungen über Anträge auf
Altersrenten treffen werde. Der Vorstandsvorsitzende der SVLFG, Martin
Empl, bedauert die anstehenden Verzögerungen in der Bearbeitung von
Rentenanträgen. „Unseren Versicherten wird hierdurch aber kein weiterer
Nachteil entstehen”, versicherte Empl. Sobald der SVLFG die rechtliche
Entscheidungsgrundlage vorliege, würden beantragte Renten ab Vorliegen
der Anspruchsvoraussetzungen rückwirkend bewilligt.
Wie die SVLFG erläuterte, dürfen Gerichte und sie selbst infolge des
Urteils ihre Entscheidungen bis zu einer Neuregelung durch den
Gesetzgeber nicht auf die beanstandete Vorschrift stützen. Man benötige
eine Grundlage, um Altersrenten bewilligen zu können, gegebenenfalls
auch nur vorläufig. Hierzu sei man in enger Abstimmung mit dem
Bundesversicherungsamt (BVA), heißt es aus Kassel. Bis eine Antwort des
Bundesversicherungsamts vorliege, könnten keine Entscheidungen über
Altersrentenanträge getroffen werden.
Nicht betroffen von dem Verfassungsgerichtsurteil sind der
Sozialversicherung zufolge Renten wegen Erwerbsminderung sowie Witwen-
und Witwerrenten. Das bedeute, dass hier vorerst noch die Hofabgabe
notwendig sei. Ebenfalls nicht betroffen seien bestandskräftige
Entscheidungen. Rentenbeziehern, die zusätzliche Flächen jenseits der
Mindestgröße bewirtschaften möchten, empfiehlt die SVLFG, eine mögliche
gesetzliche Neuregelung abzuwarten, um nicht ein Ruhen der Rente zu
riskieren.
Scharfe Kritik
Scharfe Kritik an der Ankündigung der SVLFG übte der
agrarpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen,
Friedrich Ostendorff. Er sprach von einem „Schlag ins Gesicht des
Rechtsstaates und der Rentenberechtigten”. Die SVLFG müsse die
Rechtsprechung anerkennen und ihr Folge leisten, so Ostendorff. Derweil
rief die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) alle
Bäuerinnen und Bauern sowie ihre Ehepartner, die das Rentenalter
erreicht und ihre Renten-Wartezeit erfüllt haben, dazu auf, noch im
laufenden Monat einen Rentenantrag zu stellen. Ob der Betrieb übergeben
sei oder nicht, spiele keine Rolle mehr, nachdem das
Bundesverfassungsgericht die bisherige Verpflichtung zur Hofübergabe für
verfassungswidrig und unanwendbar erklärt habe. Die Begründung der
SVLFG, es gebe nach dem Karlsruher Beschluss keine rechtliche Grundlage
dafür, über Rentenanträge entscheiden zu können, sei „genauso unhaltbar
wie die Hofabgabeklausel selbst”.
Zügig politisch entscheiden
SPD-Expertin Schulte sieht jetzt vor allem
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gefordert, für Klarheit
zu sorgen. Zudem spricht sich die SPD-Politikerin dafür aus, endlich
eine grundsätzliche Diskussion über das agrarsoziale Sondersystem zu
führen.
Zügige politische Entscheidungen mahnte unterdessen auch die Präsidentin
des Deutschen Landfrauenverbandes (dlv), Brigitte Scherb, an. Letztendlich seien es der Generationenwechsel und die sichere Zukunft
der Landwirtschaft, die
im Vordergrund stünden. Die Landfrauenpräsidentin verwies auf den Rat
von Experten an Bäuerinnen und Bauern, ab sofort ihre Altersrente zu
beantragen, wenn sie die Altersgrenze erreicht hätten. Betroffene, deren
Rentenantrag wegen fehlender Hofabgabe in der Vergangenheit abgelehnt
worden sei, sollten danach eine erneute Prüfung beantragen.