Land und Leute | 01. April 2015

Hofabgabeklausel sorgte für Wortgefechte

Von Hans Hörl
Treibt die Hofabgabeklausel Landwirte und Winzer in die Altersarmut? Diese Frage sollte in einer hochkarätig besetzten Veranstaltung vergangene Woche in Breisach geklärt werden.
Eingeladen hatten die „Kaiserstühler Interessengemeinschaft zur Anpassung der Hofabgabeklausel” und die Badische Zeitung. Der Wissenschaftler Dr. Peter Mehl vom    Heinrich-von-Thünen-Institut stellte die Ergebnisse einer von ihm im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums verfassten Studie  vor.
Peter Mehl vom Thünen-Institut beschäftigt sich aus wissenschaftlicher Sicht mit der Hofabgabeklausel.
Die Inhalte bildeten die Grundlage der anschließenden – teilweise sehr emotional geführten – Diskussionen.  
Die 1957 in Kraft gesetzte Hofabgabeklausel (HAK) legt fest, dass Landwirte erst dann eine Altersrente erhalten, wenn sie ihren Hof abgeben, verpachten oder verkaufen. Wie Mehl darlegte, senkte die HAK den Anteil älterer Landwirte und schuf für wachsende Betriebe eine frühere Zugriffsmöglichkeit auf Flächen ausscheidender Betriebe.
Kürzen?
Mehl schlägt vor, die Rente bei Weiterführung des Betriebes im Rentenalter um 10% zu kürzen. Im Bundeslandwirtschaftsministerium werde ein Abschlag von 50% diskutiert, aber auch ein Anheben des Rückbehalts auf das Doppelte der Mindestgröße nach dem Gesetz  über die Alterssicherung der Landwirte (GAL) stehe im Raum. Dem Deutschen Bauernverband zufolge stellt eine zehnprozentige Rentenminderung bei Weiterführung des Betriebes im Alter das Gesamtsystem der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung in Frage. Nach Auffassung Mehls gibt es hier jedoch keinen Zusammenhang. Mittlerweile habe sich über die Hälfte der Landwirte von der Beitragspflicht in der Alterskasse befreien lassen; diese seien von der HAK nicht betroffen. Die Befreiungen bedrohen laut Mehl die Sozialversicherung von innen. Hier habe man bei der Agrarsozialreform 1995 zu viele Befreiungsmöglichkeiten zugelassen. Hofabgabevorschriften gebe es auch in anderen Ländern der EU, doch seien sie in Deutschland am rigidesten. In Österreich habe man 1999 die HAK abgeschafft – ohne nachteilige Folgen für die Altersstruktur der Betriebsleiter. Das Rentenniveau sei in Österreich erheblich höher als in Deutschland. Bei der Diskussion unter Leitung von Gerold Zink, Redakteur der Badischen Zeitung, bezog Winzer Gerhard Mattmüller aus Leiselheim (64) Stellung gegen die HAK: „Sie hält junge Leute von der Übernahme ab”, auch seine Söhne, weil sie die Versorgung der Altenteiler nicht schultern könnten. Er habe noch seinen Vater zu versorgen; Rente und Pachteinnahmen reichten nicht für die Versorgung zweier Altenteilergenerationen aus. „Wir sollen weiterarbeiten bis zum Gehtnichtmehr.” Von daher komme auch die Vielzahl der Befreiungen. BLHV-Präsident Werner Räpple warf ein, das Hauptproblem bestehe darin, dass es den Betrieben nicht möglich war, privat für das Alter vorzusorgen. Für diese Äußerung erntete Räpple Buhrufe aus dem Publikum. Er machte ergänzend deutlich, dass die sich massiv wandelnden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen  die Altersvorsorge nicht zugelassen hätten. Die Bundeszuschüsse für die Altersversorgung seien einst wie auch die HAK vom Bauernverband erkämpft worden; die Zuschüsse sollten nicht aufs Spiel gesetzt werden. Er befürworte Änderungen; dabei dürften aber nicht die Auswirkungen aufs System aus dem Blick geraten. Räpple sprach sich für die Erhöhung des Rückbehalts auf die Mindestgröße nach GAL aus. „Man muss die HAK eigentlich abschaffen”, meinte dagegen Ministerialdirektor Reimer vom Ministerium für Ländlichen Raum. Einen Abschlag von der Altersrente bei Nichtabgabe des Betriebes hält er nicht für erforderlich; die Verpflichtung, in diesem Fall die Krankenkassenbeiträge zu entrichten, wirke abschreckend genug. Bei zwei Dritteln der Betriebe gebe es keinen Hofnachfolger, dort sei die HAK nicht mehr zeitgemäß. Johannes Fechner, SPD-Bundestagsabgeordneter, bezeichnete die HAK als schreiendes Unrecht. „Die Politik kann die Landwirte nicht vor die Wahl stellen, mit Scheinpachtverträgen eine Straftat zu begehen oder auf die Rente zu verzichten und weiterzuarbeiten.”
In allen Urteilen bestätigt
Der Weinbauverbands-Präsident Kilian Schneider stufte die Aussetzung der Rente bei Weiterführung des Betriebes im Rentenalter angesichts jahrzehntelanger Beitragszahlungen als Eingriff ins Eigentumsrecht ein. Allerdings sei die HAK bisher in allen Gerichtsurteilen bestätigt worden. Schneider hält einen Rückbehalt von zwei Hektar bei Weinbaubetrieben für zu niedrig. Ein Landwirt wies auf das Problem der Witwen hin, die den Hof nicht abgeben könnten und trotz langer Beitragszahlung keine Rente erhielten. In der Forderung nach Unabhängigkeit der Bäuerinnenrenten wurde er von Landfrauen-Präsidentin Rosa Karcher unterstützt. Er forderte eine Mitgliederbefragung des BLHV zu diesen Themen. Räpple sicherte zu, diese zu diskutieren; man habe allerdings noch keine Erfahrung mit Mitgliederbefragungen. Der BLHV vertrete zur HAK eine andere Auffassung als der DBV. Er kämpfe für einen höheren Rückbehalt – im Beispiel des Weinbaubetriebes zwei Hektar statt 0,5 Hektar – ohne Abschläge bei der Rente. Für eine Absicherung der Landwirte wie in Österreich müsste die Politik bereit sein, die Förderung aufzustocken. Ein weiterer Teilnehmer kritisierte, die Scheinpachtverträge nähmen einen Anteil von 25 bis 40Prozent ein. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Weiß wies darauf hin, dass für die HAK Sozialministerin Nahles zuständig sei. Sie wolle die HAK nicht ändern. Die CDU sei für die Erhöhung des Rückbehalts auf 100 Prozent der Mindestgröße nach GAL, im Weinbau beispielsweise sind dies zwei Hektar. Die HAK habe eine agrarstrukturell positive Wirkung und diene damit als Rechtfertigung für die Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung. SPD und Grüne hätten die Zuschüsse immer in Frage gestellt. Bei einer Abstimmung unter den Teilnehmern sprachen sich zwei Drittel für die Abschaffung der HAK aus. Die HAK in der jetzigen Form beibehalten wollte niemand.
Hofabgabeklausel: Einigung rückt näher
In dem koalitionsinternen Streit um eine Neugestaltung der Hofabgabeklausel nähern sich die beiden Seiten langsam an. Die zuständige Berichterstatterin der Unionsfraktion, Marlene  Mortler, bescheinigte SPD-Agrarsprecher Dr. Wilhelm Priesmeier vergangene Woche, er sei „endlich in der Realität angekommen”. Nachdem Priesmeier zuletzt eine Abschlagsregelung „als einzige akzeptable Lösung auf den Tisch geknallt” habe, nehme er inzwischen eine deutlich realistischere Position ein, so die CSU-Politikerin gegenüber Agra-Europe. Mortler betonte, für sie stehe das Teilrentenmodell in keinem Verhältnis zu Aufwand und Ertrag. Hingegen will sie die Aufhebung der sogenannten Ruhensregelung bei Ehegatten, nach der ein abgebender Landwirt bisher nur so lange Altersrente bezieht, bis der übernehmende Ehegatte das Regelrentenalter erreicht, ebenso für eine Kompromissfindung prüfen wie die Frage der teilweisen Erwerbsminderung. Eine Erwerbsminderung trete oftmals völlig unvorhergesehen ein, so dass es gerade hier zu innerbetrieblichen und innerfamiliären Härtefällen komme, die man sozial abfedern und zielgenauer lösen müsse, erklärte Mortler. Gesetzt sei eine Erhöhung der Rückbehaltsfläche. Den Durchbruch soll ein  Workshop unter Leitung vom Vizepräsidenten des Bundessozialgerichts (BSG), Prof. Rainer Schlegel, bringen. Daran sollen neben Koalitionsabgeordneten und Experten aus verschiedenen Institutionen auch Vertreter der Oppositionsfraktionen teilnehmen. Im Ergebnis soll ein Eckwertepapier vorgelegt werden, das die Grundlage für eine Gesetzesänderung bildet. AgE