Das Bundesverfassungsgericht hat die Hofabgabeklausel in Teilen für verfassungswidrig
erklärt. Als Gründe werden in erster Linie unzumutbarer Einkommensentzug und Eigentumsfreiheit aufgeführt.
Unterschiedliche Reaktionen: Während Unionspolitiker
an der Hofabgabeklausel festhalten wollen, sehen sich
Vertreter von SPD und Linken im Bundestag in ihrer Forderung nach einer Abschaffung der Regelung bestätigt.
Laut einem Beschluss, der am 9. August veröffentlicht wurde, gilt Verfassungswidrigkeit dann, wenn die Hofabgabepflicht dem Landwirt in unzumutbarer Weise Einkünfte entzieht, die zur Ergänzung der nur als Teilsicherung ausgestalteten Rente notwendig sind. Nach Ansicht der Karlsruher Richter greift zudem die Kopplung einer Altersgrenze an eine Hofabgabeklausel faktisch in die im Grundgesetz festgeschriebene Eigentumsfreiheit ein.
Wie das Bundesverfassungsgericht weiter feststellt, darf auch die Gewährung einer Rente an einen Ehepartner nicht von der Entscheidung des Landwirts über die Abgabe des Hofes abhängig gemacht werden. Mit dieser Begründung hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die einschlägigen Vorschriften für verfassungswidrig erklärt, den Verfassungsbeschwerden eines Landwirtes sowie der Ehefrau eines weiteren Landwirts stattgegeben und die Verfahren unter Aufhebung der Gerichtsentscheidungen an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.
Geteiltes Echo in Politik und Berufsstand
In Politik und Berufsstand stieß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf ein sehr geteiltes Echo. Während Unionspolitiker an der Hofabgabeklausel festhalten wollen, sehen sich Vertreter von SPD und Linken im Bundestag in ihrer Forderung nach einer Abschaffung der Regelung bestätigt. Von Seiten der Landesbauernverbände wurde der höchstrichterliche Beschluss teilweise mit Bedauern aufgenommen, während andere berufsständische Vertreter ebenfalls für einen Ausstieg aus der Hofabgabepflicht plädieren.
Der BLHV gehört zu denjenigen, die positive Aspekte des Karlsruher Gerichtsbeschlusses hervorheben.
Richter kritisieren unzumutbare Belastung
Die Hofabgabeklausel erzeugt nach Auffassung der Karlsruher Richter einen „faktischen Druck zur Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens”, da der Bauer die Rente nur unter der Voraussetzung erhält, dass er den Betrieb aufgibt. Diese Einschränkung sei zwar nicht „von vornherein untauglich”, um die agrarpolitischen Ziele wie die Förderung einer frühzeitigen Hofübergabe an Betriebsnachfolger zu erzielen, erläutern die Richter. Eine solche Regelung dürfe die Betroffenen jedoch nicht unzumutbar belasten.
An dieser Stelle fehlt es laut Urteilsbegründung bisher jedoch an einer Härtefallregelung, die beispielsweise dann eintreten würde, wenn die landwirtschaftliche Rente ohne die Einnahmen des laufenden Betriebs nicht zum Leben reicht oder wenn kein Betriebsnachfolger zur Verfügung steht. Solche „unzumutbaren” Einschränkungen muss der Landwirt demnach nicht hinnehmen.
Zweifel äußerte das Bundesverfassungsgericht auch deshalb an der Hofabgabeklausel, weil diese inzwischen nur noch einen Teil der Landwirte erfasse und diesen damit im Gegensatz zur Mehrheit der nicht betroffenen Bauern „unangemessene Lasten” zumute.
Reaktionen
Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, betonte, dass die Union weiterhin grundsätzlich an der Hofabgabeklausel festhalten werde. Stegemann erkennt das Urteil jedoch an und will „die Hausaufgaben aus Karlsruhe” Punkt für Punkt umsetzen. Politischer Handlungsbedarf besteht ihm zufolge nun vor allem bei Anpassungen zur Schaffung einer angemessenen Härtefallregelung sowie bei einer fairen Lösung für Ehepartner.
Die stellvertretende agrarpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagfraktion, Ursula Schulte, sieht ihre Partei auf einer Linie mit der Position des Bundesverfassungsgerichts. Mit ihrem „Nein” zur Hofabgabeklausel bestätigten die Verfassungsrichter die Position der SPD-Bundestagsfraktion, deren Ziel die vollständige Abschaffung der Hofabgabeverpflichtung bleibe, erklärte Schulte.
Die zwei behandelten Fälle
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts kam aufgrund von zwei
Verfassungsbeschwerden zustande: Im Fall der Ehegattin eines Landwirts
hatte der zuständige Träger der Alterssicherung der Landwirte den
Rentenantrag einer 1944 geborenen Frau eines landwirtschaftlichen
Unternehmers abgelehnt. Begründung: Ihr Ehegatte hatte bereits die
Regelaltersgrenze erreicht und das landwirtschaftliche Unternehmen noch
nicht abgegeben. Als Ehegattin eines landwirtschaftlichen Unternehmers
galt sie gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 ALG ebenfalls als Landwirt und war
damit von der Hofabgabeklausel betroffen. Die deswegen von der
Beschwerdeführerin vor dem Sozialgericht erhobene Klage hatte keinen
Erfolg. Das Bundessozialgericht wies die Beschwerde gegen die
Nichtzulassung der Revision und die dagegen erhobene Anhörungsrüge
zurück. Nach Durchlaufen aller Instanzen war die Klage der Eheleute vor
dem Bundesverfassungsgericht nun jedoch erfolgreich. In einem weiteren
Verfahren hatte der im Jahr 1938 geborene Beschwerdeführer ein
landwirtschaftliches Unternehmen betrieben. Die Landwirtschaftliche
Alterskasse lehnte laut BVG den Rentenantrag des Beschwerdeführers aus
dem Jahr 2010 ab, weil dessen landwirtschaftliche Nutzfläche die
zulässige Rückbehaltsfläche von sechs Hektar um ein Vielfaches
überschritten habe und deshalb das landwirtschaftliche Unternehmen als
nicht abgegeben gegolten habe. Das zuständige Sozialgericht habe die
hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Auch die Berufung des Beschwerdeführers vor dem Landessozialgericht und die sich
anschließende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision seien,
ebenso wie die Anhörungsrüge, erfolglos gewesen. |