Politik | 12. Februar 2015

Höhenlandwirte haben sich mehr erhofft

Von Heidrun Glaser
Die Förderpolitik der EU und des Landes stand im Mittelpunkt der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft für Höhenlandwirtschaft am vergangenen Samstag in Görwihl.
Bei der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft für Höhenlandwirtschaft (AfH) referierte Ministerialdirektor Wolfgang Reimer vom Landwirtschaftsministerium in Stuttgart über den Maßnahmenkatalog der EU zur Förderung der Landwirtschaft in Baden-Württemberg. Anschließend hatten die zahlreichen Teilnehmer der Veranstaltung die Gelegenheit zur Diskussion.
Reimer stellte die Ziele der grün-roten Agrarpolitik in den Mittelpunkt und betonte die Erhaltung der flächendeckenden und umweltgerechten Landwirtschaft durch die bäuerlichen Familienbetriebe. „Der Landesregierung ist bewusst, dass die Höhenlandwirtschaft in unseren Mittelgebirgslagen aufgrund ihrer besonderen Produktionsbedingungen eine andere Unterstützung benötigt als Betriebe, die beispielsweise im Rheintal liegen”, erklärte Reimer und ergänzte, dass es im Schwarzwald kaum möglich sei, für einen großen Markt kostengünstig zu produzieren.
Änderungen und Abstriche
Gleichwohl sei zu erkennen, dass die Betriebe im Schwarzwald einen hohen Qualitätsstandard für ihre Produkte beanspruchen und insbesondere für den regionalen Markt erzeugen, welcher von Seiten der Verbraucher in zunehmendem Maße wahrgenommen wird. „Die Förderungen sind nach den Richtlinien der EU weiterhin umfangreich, jedoch mit Änderungen und auch Abstrichen verbunden”, erläuterte der Amtschef des Stuttgarter Landwirtschaftsministeriums. Das Förderpaket der Zweiten Säule umfasst rund 169 Millionen Euro pro Jahr. Im Schwarzwald wird hauptsächlich das Grünland gefördert, da dies droht, eher aus der Bewirtschaftung herauszufallen. In diesem Zusammenhang betonte Reimer: „Wir haben eine ganze Menge durchgesetzt und deutlich mehr Zulagen für die Landkreise in den Höhenlagen des Schwarzwaldes erreicht.”
Reimer: Eine ganze Menge durchgesetzt
Akteure auf der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft für Höhenlandwirtschaft (AfH), von links: AfH-Geschäftsführer Hubert God, Ministerialdirektor Wolfgang Reimer, der AfH-Vorsitzende Karl Rombach.
Konkret ist hier die Ausgleichszulage (AZL) für die aufwendige Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen in Mittelgebirgslagen und benachteiligten Gebieten gemeint. Ein wichtiger Punkt, bei dem sich die Bauern in der Höhenregion enttäuscht zeigten, ist die Tatsache, dass die EU künftig nur noch eine Fördernotwendigkeit für Bewirtschaftungserschwernis ab 50 Prozent Hangneigung kofinanzieren will. Hier räumte Reimer ein, dass das Land die Bäuerinnen und Bauern aber nicht im Stich lassen will, sondern mit Landesgeld Flächen ab 25 Prozent Hangneigung mit 120 Euro pro Hektar und Flächen ab 50 Prozent mit 170 Euro pro Hektar  im Rahmen der „De-minimis-Regelung” fördern wird. Dies ist jedoch mit weiterem Bürokratieaufwand für die Antragsteller verbunden.
Die Nichtberücksichtigung der Steillagen von Seiten der Brüssler EU-Kommission stößt bei den Landwirten jedoch auf breites Unverständnis. Hier wurde deutlich, dass die in Baden-Württemberg herrschende Problematik der unterschiedlichen topografischen Erschwernisse  nicht bis nach Brüssel durchgedrungen ist.
Reimer offenbarte außerdem, dass die geplante Grünland-Tierbesatzmaßnahme mit mi-neralischer Stickstoff-Düngung von Seiten der EU nicht genehmigungsfähig ist. Allerdings sei ein Kompromiss ausgehandelt worden, der eine einzelflächenbezogene Förderung ab 0,3 RGV pro Hektar Dauergrünland ohne Tierbesatzobergrenze vorsieht. Auf diesen geförderten Teilflächen darf allerdings weder mineralischer noch organischer Stickstoffdünger ausgebracht werden. Eine Beweidung ist hingegen zulässig.
Laut Reimer käme diese Variante den aus dem Schwarzwald vorgetragenen Forderungen entgegen, welche eine intensivere Tierhaltung in die Grünlandförderung einschließt, die auch der Landesschafzuchtverband begrüßt hätte. Zu dieser Sachlage meldeten zahlreiche Bauern Einwände an und gaben zu bedenken, dass der natürliche Kreislauf der Natur, nämlich die Ausscheidung dessen, was die Tiere gefressen haben, wieder zurück auf die Weide kommt, dadurch unterbunden wird.
Unnatürliche Vorgaben
„Diese Vorgaben sind unnatürlich und nicht dienlich, da die Weiden eine Düngung benötigen, um auf Dauer nicht zu veröden. Besonders in den Hanglagen führt dies zu Problemen”, betonte Eckhard Schmieder aus Fischerbach.
Für weitere Diskussionen sorgt die Sommerweideprämie für Milchkühe und deren Nachzucht. Reimer sieht das Ziel dieser Förderung darin, die Tiere vom Stall auf die Weide zu bringen, was zu mehr Tierwohl führt. Die EU hat die Weideprämie in Österreich bereits in der vergangenen Förderperiode auch für Mutterkühe, Schafe und Ziegen genehmigt, aber für Deutschland dies leider abgelehnt.
Hier sieht Reimer das Heumilchprogramm als eine sinnvolle Alternative zur dominierenden Silagebereitung.
Weidetagebuch
Allerdings ist zur Dokumentation ein Weidetagebuch zu führen, was von den Bäuerinnen und Bauern einen immensen Aufwand an Bürokratismus erfordert. Zu diesem Punkt regte Heinz Kaiser, Prokurist der Schwarzwaldmilch, an, ein Negativ-Weidetagebuch zu führen. Darin würden lediglich die Tage benannt, an denen die Tiere nicht auf der Weide stehen.
Im Allgemeinen beklagten sich die Landwirte über die unangemessen hohe Bürokratie, die es besonders kleinen Familienbetrieben schwer macht, überhaupt an Fördermittel zu kommen. Dies sei ebenfalls ein ernstzunehmender Grund, weshalb die Anzahl der Junglandwirte kontinuierlich rückläufig sei.
Wenig überzeugt
Der Tenor der Landwirte bei der Mitgliederversammlung der AfH lautete: Mit dem Förderprogramm FAKT wird das Einkommen der bäuerlichen Familien in den Höhenregionen des Schwarzwaldes nicht besser gestellt, der bürokratische Aufwand steigt jedoch weiterhin. Auch Karl Rombach zeigt sich in seinem Resümee wenig überzeugt: „Das Maß der überzogenen Bürokratie ist voll! Eine gewisse Nachweisführung muss sein, aber dies geht an die Grenze der Belastbarkeit.” Hinsichtlich der Förderung der Grünland-Hanglagen ist Rombach irritiert und enttäuscht. „Selbst wenn die Ausgleichszulage im Berggebiet nun differenziert wird bei 0,3 RGV/ha, so erfahren die Raufutterfresser nicht die Förderung, wie wir es wünschen, Mutterkühe, Schafe und Ziegen eingeschlossen. Hier sollte das Land noch die Chance nutzen, eine Gleichstellung mit Bayern zu erreichen”, betonte der Vorsitzende der AfH.
Grau ist alle Theorie: AfH mit Politikern auf einem Hof
Nach der Mitgliederversammlung bot die Arbeitsgemeinschaft für Höhenlandwirtschaft die Besichtigung des Milchviehbetriebes von Otto Huber in Rotzingen an.
Nach der Mitgliederversammlung bot die Arbeitsgemeinschaft für Höhenlandwirtschaft die Besichtigung des Milchviehbetriebes von Otto Huber in Rotzingen an. Von Seiten der Politik nahmen  auch die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD),  der Landtagsabgeordnete Felix Schreiner (CDU) sowie die Bürgermeister Carsten Quednow aus Görwihl und  Helmut Kaiser aus Dachsberg/Ibach an der Zusammenkunft teil.
Der Leiter des Landwirtschaftsamtes beim Landratsamt Waldshut, Ludwig Käppeler, informierte über die Landwirtschaft im Landkreis. Auch hier sprechen die Zahlen für sich: Von rund 38000 Hektar Nutzfläche entfallen 40 Prozent auf Ackerland und 60 Prozent auf Grünland. Seit 1991 ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe von 2900 auf 1250 geschrumpft. Bürgermeister Quednow bezeichnete diese Entwicklung als sehr besorgniserregend und forderte die Politik auf, für die Landwirte Bedingungen zu schaffen, die ein gesichertes Einkommen auf Dauer ermöglichen. Nur so könne die schützenswerte Landschaft des Schwarzwaldes erhalten werden. Diese Forderung stieß bei Schwarzelühr-Sutter auf offene Ohren. „Die grün-rote Politik des Landes Baden-Württemberg hat erkannt, welche wichtige Bedeutung die Höhenlandwirtschaft  hat”, erklärte die Politikerin. Auch Felix Schreiner möchte sich verstärkt dafür einsetzen, dass die Bäuerinnen und Bauern besseren Einkommensverhältnissen entgegensehen können und sich auch in der nächsten Generation für den Erhalt der Berghöfe entscheiden. Landwirt Huber meldete bei der Regierung Kritik an wegen der überzogenen Bürokratie und Düngeverordnung. Die Antwort der SPD-Staatssekretärin war jedoch eindeutig: Wer Förderungen in Anspruch nehmen will, müsse die Richtlinien der Dokumentation und Nachweisführung sowie die Bedingungen dafür akzeptieren.