Tierhaltung | 28. August 2014

Hochsaison für einen tödlichen Parasiten

Von Dr. Holger Axt, Freiburg, Schafherdengesundheitsdienst der TSK Baden-Württemberg
Sterben um diese Jahreszeit plötzlich mehrere Jungschafe, ohne dass man im Vorfeld eine Erkrankung bemerkt hat, so könnte der rote gedrehte Magenwurm dafür verantwortlich sein. Wie man einen Befall mit diesem Parasiten erkennen und was man dagegen tun kann, erläutert der folgende Beitrag.
Spätsommer, feuchte Witterung, Koppelhaltung mit hohem Parasitendruck, viele Lämmer und Jungschafe auf der Koppel: Dies sind die Zutaten für ein Szenario, das zurzeit wieder so manchen Schafhalter erschreckt: Plötzlich und scheinbar ohne vorherige Krankheitssymptome zu zeigen, liegen in kurzer Zeit mehrere Schafe – meist im Frühjahr geborene Lämmer – tot auf der Weide. Hier war möglicherweise der rote gedrehte Magenwurm (Haemonchus contortus) am Werk, einer der gefährlichsten Schafparasiten. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, die diesen Wurm so bedrohlich machen. Dazu gehören:
  • Die Fähigkeit, in den Mutterschafen in einer Art Ruhezustand zu überwintern
  • Reaktivierung der überwinterten Parasiten und massive Eiausscheidung durch die Muttertiere im Frühjahr 
  • Im Vergleich zu anderen Würmern eine extrem hohe Eizahlproduktion
  • Massiver Blutverlust  bei starkem Befall
  • Wenig auffällige Symptome bis zum plötzlichen Tod
  • Häufige Resistenzbildung gegen Antiparasitika
Von schweren Krankheitsverläufen sind überwiegend  Jungtiere betroffen. Ältere Tiere sind weit weniger gefährdet, an der Haemonchose zu sterben, da sie eine Teilimmunität ausbilden.      
Wichtigstes Krankheitsanzeichen ist die Blässe der sichtbaren Schleimhäute – hier der Maulschleimhaut.

Haemonchus ist ein „Labmagen-Vampir”. Er bohrt sich in die Magenschleimhaut und ernährt sich von großen Mengen Blut. Je nach Witterung geschieht die Infektion überfallartig mit hohen Parasitenmengen. Offensichtliche äußerliche Anzeichen wie starker Durchfall sind im Gegensatz zu vielen anderen Parasitosen kaum vorhanden. Dennoch gibt es Möglichkeiten, den Wurmbefall rechtzeitig zu erkennen: Mit einer Sammelkotprobe (jeweils von Altschafen und Jungtieren) lässt sich der Parasitenbefall durch Bestimmung und Zählung der ausgeschiedenen Wurmeier diagnostizieren. Außerdem kann eine gute Tierbeobachtung Hinweise auf einen Befall mit dem roten Magenwurm geben. Besonders die Gruppe der Jungtiere sollte möglichst täglich einige Minuten auf folgende Symptome  hin beobachtet werden: Abnehmende Lebhaftigkeit, leichte Ermüdbarkeit, Hinterherlaufen und Absonderung von der Gruppe. Ein körperliches Symptom für den Blutverlust kann ein Kehlgangsödem sein, also eine Schwellung des Unterhautgewebes im Bereich der Kehle bis zur Unterbrust.
Symptome und Bekämpfung
Leicht zu kontrollieren sind die Lidbindehäute: Eine solche Blässe wie hier im Bild deutet auf einen Befall mit dem roten gedrehten Magenwurm hin.
Das wichtigste und auffälligste Symptom einer Haemonchose ist aber die Blässe der sichtbaren Schleimhäute (Augenlidbindehäute, Maulschleimhaut). Die Lidbindehäute sind durch einen einfachen Handgriff leicht zu kontrollieren (s. Bild). Normalerweise sollten sie rosa gefärbt sein, bei starkem Blutverlust sind sie weiß. Die beste Möglichkeit, den Blässegrad richtig beurteilen zu können, ist die wiederholte, regelmäßige Untersuchung sowohl gesunder als auch verdächtiger Schafe. Daneben gibt es mit dem sogenannten „Famacha-Score” (nähere Informationen im Internet) die Möglichkeit, die Schleimhautdurchblutung mittels einer Farbschablone zu bestimmen. Die Beurteilung der Lidbindehautdurchblutung sollte jeder Schaf- und Ziegenhalter beherrschen.     
Sind zwischen Hochsommer und Herbstanfang mehrere dieser Symptome vorhanden, drängt sich der Verdacht eines Befalls mit Haemonchus auf und die Tiere müssen mit einem wirksamen Mittel behandelt werden. Wegen der häufigen Arzneimittelresistenzen des Parasiten ist es empfehlenswert, den Behandlungserfolg durch eine weitere Kotprobe zehn bis zwölf  Tage nach der Behandlung zu kontrollieren. Bei sehr blassen Tieren, die schon viel Blut verloren haben, kann eine zusätzliche Verabreichung von Vitamin B12 die Blutbildung und Erholung unterstützen.