Land und Leute
| 18. Dezember 2014
Hans Götz - ein Leben für Stauden
Von Walburga Schillinger
Was für ein Geschenk, wenn sich Leidenschaft und Beruf zu einem Ganzen fügen. Für den 85-jährigen Hans Götz aus Schiltach – Staudengärtner und verdienter Träger des Karl-Foerster-Rings – war und ist die Leidenschaft für Stauden Inhalt seines reichen Gärtnerlebens und darüber hinaus. Ein Porträt.
Der 86-jährige Schiltacher Hans Götz – Staudengärtner aus Leidenschaft und Koryphäe im Bund deutscher Staudengärtner (BdS).
kommen.
Der Garten – ein
kleines Hortipendium
Weiter hinten, der bergigen, sonnigen Lage des Geländes entsprechend,
entstand eine kleine Landschaft mit Kalksteinen und Schotter, die
wiederum aus dem Neckartal herangeschafft wurden. Hier sind kalkliebende
Pflanzen wie Rosmarin-Seidelbast, Salbei-Arten, Nieswurz-Arten, Diptam,
Nelken, Steinbrech-Arten und viele andere angesiedelt. An den
Grundstücksgrenzen und weiter unten, wo das Gelände steil zur Straße hin
abfällt, wachsen als Rahmenpflanzen gewöhnliche Eiben, Buchsbäume,
Echte Mispel, Weißdorn und andere Gehölze. Am Gehölzrand haben sich
viele Schattenstauden angesiedelt. Im Schutz und unter weiteren,
teils fremdländischen Bäumen wie Japanische Sicheltanne, Berg-Kirsche,
Trompetenblütenbaum oder Taschentuchbaum wachsen verschiedene Gräser,
Farne, Funkien und Elfenblumen in unterschiedlichen Arten und Sorten. Ein
schmaler Plattenweg schlängelt sich durch das götzsche Grundstück. Hier
und da wird der Pfad von der überbordenden Pflanzenfülle fast verdeckt.
Der heute 86-jährige Staudengärtner aus Leidenschaft lässt seinen
Pflanzen den Freiraum, den sie für eine naturnahe, ungestörte
Entwicklung brauchen. Es wird nur ordnend eingegriffen, Unkräuter
herausgezogen – gehackt und gegraben wird nicht. Dieses Vorgehen
stößt bei Gartenführungen oft auf Unverständnis bei den
Besuchergruppen. „Wenn se hacke wen, müsset se Kartoffele pflanze”,
sagte Hans Götz dann in seiner ruhigen, freundlichen Art. Überhaupt, wer
seinen Garten besucht, wird Pflanzen kennenlernen, die er zuvor noch
nie gehört oder gesehen hat. Zu jeder seiner botanischen Schönheiten
weiß er eine kurzweilige Geschichte.
Mit Leidenschaft und Wissensdurst
Pflanzen haben Hans Götz sein Leben lang fasziniert. Sowohl in seiner beruflichen Laufbahn als auch in ehrenamtlichen Bereichen. Im Vorstand des Bundes deutscher Staudengärtner war er nahezu 20 Jahre tätig. „Mei Frau hot mich tatkräftig unterstützt un mir dor Rücke freighalte, sonst wär des nicht machbar gewesen”, erklärt er sein Engagement. Fast noch umfangreicher war die 40-jährige Mitarbeit im Arbeitskreis Staudensichtung. Dieser Arbeitskreis sichtet und prüft Eigenschaften von Staudenarten und -sorten. Die Ergebnisse der oft mehrjährigen Tests, die in verschiedenen Sichtungsgärten wie Weihenstephan, Hamburg und Hannover stattfinden, führen schließlich in Verbindung mit den Erfahrungen aus der Praxis zu den Bewertungen. Leider ist in diesem Gremium heute kaum ein Praktiker vertreten und die Pflanzen werden oft zu sehr unter wissenschaftlichen Aspekten betrachtet, was nach Meinung von Hans Götz dem Ergebnis nicht immer zuträglich ist. Seine überaus große Fachkompetenz erschließt sich auch über seine zahlreichen Veröffentlichungen, die er im Auftrag des Bundes deutscher Staudengärtner (BdS) verfasst hat. Auf einer Vorstandssitzung 1980 wurde die Idee geboren, die umfangreichen Sichtungsergebnisse auch auf „neuen Medien” zu archivieren. Auch hier war Hans Götz, der selbst eine private Datenbank mit zusätzlichen eigenen praktischen Ergebnissen unterhielt, prädestiniert und der geeignete Fachmann.
Eine Koryphäe seines Fachs
‚Pulmonaria Saccharat‘ Mrs. Moon, groß geflecktes
Garten-Lungenkraut, aus dem Garten von Hans Götz, Schiltach.
Genauso wichtig ist auch die korrekte deutsche Schreibweise. Hans Götz nennt ein Beispiel: Duft-Veilchen, Gattung Viola, ein Veilchengewächs. Alpenveilchen, Gattung Cyclamen, ein Primelgewächs. Oder Vergissmeinnicht, Gattung Myosotis, Raublattgewächs. Oder das Kaukasusvergissmeinnicht, Gattung Brunnera, also kein Vergissmeinnicht im Vergleich zu vorigen. Die häufige Änderung oder auch Rückbenennung der Nomenklatur wird mittlerweile auch von der Fachwelt selbst als problematisch angesehen. „Dia Wissenschaftler hän kei Ahnung, was es bedeutet, wenn ma ständig umbenennen muaß”, erklärt Hans Götz. Immerhin hat er so aber seinen Auftrag vom BdS bekommen – eine verbindliche Handelsnomenklatur mit zehnjähriger Gültigkeit für die Staudengärtner zu erarbeiten. Diese orientiert sich so nah wie möglich am „Zander”, dem Standardwerk für wissenschaftliche Pflanzennamen. Die 100-seitige Broschüre erschien im Jahr 2011 und umfasst die botanischen Bezeichnungen und Synonyme von Stauden mit Synonymverweisen in alphabetischer Ordnung.
Gärtner – ein ehrbarer Beruf
Eigentlich ist der sympathische Gärtner aus dem kleinen
Fachwerkstädtchen Schiltach im Kinzigtal das beste Beispiel dafür, dass
Wissen und Kompetenz nicht zwingend einen akademischen Titel brauchen.
1928 geboren, verbrachte Hans Götz seine Kindheit in der elterlichen
Gärtnerei. Seine Jugendjahre waren vom Krieg geprägt. Als Ältester von
vier Geschwistern musste er seine kranke Mutter unterstützen, als der
Vater aus dem Krieg nicht mehr heimkehrte. Waisengeld gab es wenig, mit
dem Argument „Ihr hän jo a Gärtnerei”, erzählt Götz. Sein Großvater hat
den Stammbetrieb damals als „Kunst und Handelsgärtnerei” gegründet. Auch
seine vier Söhne sind Gärtner geworden, drei von ihnen haben eigene
Betriebe aufgebaut. Ein Sohn blieb in der Fremde. So gibt es heute noch
eine Gärtnerei und einen Gartenservicebetrieb mit gleichem Namen.
Von 1943 bis 1946 hat Hans Götz beim Onkel seine Gärtnerlehre absolviert. Die Berufsschule in Offenburg wurde bei einem Bombenangriff, nach nur einem Lehrjahr, in Schutt und Asche gelegt und die Lehrer mussten die Schüler nach Hause schicken, Unterricht fand keiner mehr statt. Außerdem musste jede Gärtnerei Gemüse anpflanzen, um die Volksernährung sicherzustellen, auch die Gärtnerei Götz. Ganz hinten im Gewächshaus, wo die Kontrol- leure nicht hinkamen, wurden auch ein paar Blumen vermehrt.
Von 1943 bis 1946 hat Hans Götz beim Onkel seine Gärtnerlehre absolviert. Die Berufsschule in Offenburg wurde bei einem Bombenangriff, nach nur einem Lehrjahr, in Schutt und Asche gelegt und die Lehrer mussten die Schüler nach Hause schicken, Unterricht fand keiner mehr statt. Außerdem musste jede Gärtnerei Gemüse anpflanzen, um die Volksernährung sicherzustellen, auch die Gärtnerei Götz. Ganz hinten im Gewächshaus, wo die Kontrol- leure nicht hinkamen, wurden auch ein paar Blumen vermehrt.
Interesse von Kindesbeinen an
Hans Götz hat sich sein
botanisches Wissen selbst erarbeitet. In der Praxis, mit Hilfe von
Büchern und auf langen Spaziergängen als Kind mit dem Vater, wo
Pflanzen über Pflanzen miteinander bestimmt wurden. „Wissen isch Macht,
du muasch immer meh wisse wia dia andere”, zitiert Götz den guten Rat
seines Vaters.
Nach der Lehre und dem tödlichen Unfall seines
Bruders war Götz schließlich für die Versorgung der Familie allein
zuständig. Die Nachkriegsjahre waren hart und arbeitsreich für den
jungen Mann.
Nach und nach wurde die Gärtnerei erweitert, am
Anfang wurden neben Staudenpflanzen auch noch Gehölze produziert. Die
Kessellage des Grundstücks kristallisierte sich bald als Spezialisierung
heraus. So konnten in der Nordwestlage über 60 Sorten von Funkien
(Hosta) und Prachtspieren (Astilbe) naturnah, ohne Beschattungen,
gepflanzt werden. Auch für seine alpinen Pflanzen war Hans Götz weit
bekannt. Nachfragen kamen aus dem ganzen Bundesgebiet. Das steile
Gelände der Gärtnerei hatte noch einen weiteren Vorteil – es war
ausgesprochen wasserreich, da es in einem sogenannten Quellhorizont
lag. So war es möglich, im Sommer täglich bis zu 10 000 Liter Wasser
zu verregnen. Zu Anfang war es üblich, Pflanzen im Boden zu
kultivieren, es boten sich nur wenige Wochen im Frühjahr und Herbst für
den Verkauf. Die Umstellung auf Topfkultur brachte dann eine
Erleichterung, da nun das ganze Jahr Pflanzen für Kunden
bereitstanden. Die Staudengärtnerei in Schiltach entwickelte sich so im
Laufe der Zeit zu einer Topadresse bei Kollegen und Kunden im Hinblick
auf Qualität und auf botanische Besonderheiten. Viele Lehrlinge hat
Hans Götz mit einer Ausnahmegenehmigung ausgebildet, die nachher eigene
erfolgreiche Betriebe weiterführten. Eine Meisterprüfung hat er selbst
nie ablegen können. Zuerst wurde ihm mangels Fremdlehre diese verwehrt,
später fehlte ihm die Möglichkeit, dem laufenden Gärtnereibetrieb für
ein halbes Jahr den Rücken zu kehren. Letztlich ging es auch so. Hans
Götz führte seine Gärtnerei 50 Jahre lang. Seine Nachfolger haben nur
zwei Jahre durchgehalten. „Selbstständig isch halt doch andersch ...”,
erklärt Götz nicht ohne Wehmut, „... und in de Landwirtschaft darf me
nit uf d’ Uhr gucke!” So bleibt von der einstigen renommierten
Staudengärtnerei ein privater besonderer Sammlergarten.
Verleihung des Karl- Foerster-Rings 2004
Hans Götz ist immer noch ein Begriff bei
Pflanzenliebhabern und Kennern. Oft bekommt er Besuch oder Briefe zu
spezifischen Themen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum. Ganz im Streben nach Wahrheit und Echtheit, wie der Laudator bei der Verleihung
des „Karl-Foerster-Rings” an Hans Götz im Jahre 2004 zitierte, setzt
sich Hans Götz unermüdlich für den korrekten Umgang mit Pflanzen in
Wort und Praxis ein. Er hat sein Wissen gesammelt, strukturiert und der
Allgemeinheit in optimaler Form, fast umsonst, zur Verfügung gestellt.
Leidenschaft und Wissensdurst – für Hans Götz keine Frage des Alters,
seine Pflanzen beschäftigen ihn nach wie vor.
Staudensichtung
Geprüft und bewertet werden unter anderem Sortenechtheit, Wuchskraft und Standfestigkeit. Alle Aspekte der Blüte von der Farbe über Blütenzahl und Haltbarkeit bis hin zur Wetterbeständigkeit, die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und die Verwendung in Pflanzengemeinschaften werden einbezogen. Früher wurden diese Ergebnisse in losen Blättern an die circa 130 Mitglieder des Bundes der Staudengärtner zum Sammeln abgegeben. Seit einiger Zeit haben sich die Methoden geändert. Aus den Bonitierungen in verschiedenen Gärten, nach Punkten, werden die Ergebnisse berechnet und vom gegenwärtigen Arbeitskreis bestätigt. Die Ergebnisse kann man in der Zeitschrift „Gartenpraxis” aus dem Ulmer Verlag oder auf der Homepage nachlesen.
Zum Weiterlesen:
www.staudensichtung.de
www.Bund-deutscher-Staudengaertner.de
Hier werden die Veröffentlichungen von Hans Götz beschrieben.
www.staudensichtung.de
www.Bund-deutscher-Staudengaertner.de
Hier werden die Veröffentlichungen von Hans Götz beschrieben.