Land und Leute | 18. Dezember 2014

Hans Götz - ein Leben für Stauden

Von Walburga Schillinger
Was für ein Geschenk, wenn sich Leidenschaft und Beruf zu einem Ganzen fügen. Für den 85-jährigen Hans Götz aus Schiltach – Staudengärtner und verdienter Träger des Karl-Foerster-Rings – war und ist die Leidenschaft für Stauden Inhalt seines reichen Gärtnerlebens und darüber hinaus. Ein Porträt.
Der 86-jährige Schiltacher Hans Götz – Staudengärtner aus Leidenschaft und Koryphäe im Bund deutscher Staudengärtner (BdS).
Kummet sie nur rei”, sagt der alte Mann freundlich und öffnet die kleine Eisentür. Hans Götz hat nach Abgabe der Staudengärtnerei um  sein Wohnhaus herum einen Garten angelegt, der in Vielfalt an Lebensbereichen und Pflanzenarten so  nicht oft zu finden ist. Das war im Jahr 1997, als er Triberger Granit vom  Wolfacher Tunnelbau heranfahren ließ, um eine Silikat-Steinanlage  für alpine Pflanzen zu gestalten. Diese hatte er als Liebhaberpflanzen jahrzehntelang in seiner Staudengärtnerei vermehrt. Nun sollten sie einen ihren Ansprüchen gerechten Platz gleich im vorderen Bereich des  L-förmigen Gartengrundstücks be-
kommen.
 
 
Der Garten – ein kleines Hortipendium
Weiter hinten, der bergigen, sonnigen Lage des Geländes entsprechend, entstand eine kleine Landschaft mit Kalksteinen und Schotter, die wiederum aus dem Neckartal herangeschafft wurden. Hier sind kalkliebende Pflanzen wie Rosmarin-Seidelbast, Salbei-Arten, Nieswurz-Arten, Diptam, Nelken, Steinbrech-Arten und viele andere angesiedelt.  An den Grundstücksgrenzen und weiter unten, wo das Gelände steil zur Straße hin abfällt, wachsen als Rahmenpflanzen  gewöhnliche Eiben, Buchsbäume, Echte Mispel, Weißdorn und andere Gehölze. Am Gehölzrand haben sich viele Schattenstauden angesiedelt.   Im  Schutz und unter weiteren, teils fremdländischen Bäumen  wie Japanische Sicheltanne, Berg-Kirsche, Trompetenblütenbaum oder Taschentuchbaum wachsen verschiedene Gräser, Farne, Funkien und Elfenblumen in unterschiedlichen Arten und Sorten. Ein schmaler Plattenweg schlängelt sich durch das götzsche Grundstück. Hier und da wird der Pfad von der überbordenden Pflanzenfülle fast verdeckt. Der heute 86-jährige Staudengärtner aus Leidenschaft lässt  seinen Pflanzen den Freiraum, den sie für eine naturnahe, ungestörte Entwicklung brauchen. Es wird nur ordnend eingegriffen, Unkräuter herausgezogen – gehackt und gegraben wird nicht. Dieses Vorgehen stößt bei Gartenführungen  oft auf  Unverständnis bei den Besuchergruppen. „Wenn se hacke wen, müsset se Kartoffele pflanze”, sagte Hans Götz dann in seiner ruhigen, freundlichen Art. Überhaupt, wer seinen Garten besucht, wird Pflanzen kennenlernen, die er zuvor noch nie gehört oder gesehen hat. Zu jeder seiner botanischen Schönheiten weiß er eine kurzweilige  Geschichte.
Die Kalksteinanlage mit Steinen und Schotter aus dem Neckartal im Garten von Hans Götz beherbergt kalkliebende Pflanzen wie Diptam, Nieswurz-, Steinbrech- und Salbeiarten.
 
 
Mit Leidenschaft und Wissensdurst
Pflanzen haben Hans Götz sein Leben lang fasziniert. Sowohl in seiner beruflichen Laufbahn als auch in ehrenamtlichen Bereichen. Im Vorstand des Bundes deutscher Staudengärtner war er nahezu 20 Jahre tätig.  „Mei Frau hot mich tatkräftig unterstützt un mir dor Rücke freighalte, sonst wär des nicht machbar gewesen”, erklärt er sein Engagement. Fast noch umfangreicher war die  40-jährige Mitarbeit im Arbeitskreis Staudensichtung. Dieser Arbeitskreis sichtet und prüft  Eigenschaften von Staudenarten und -sorten. Die  Ergebnisse der oft mehrjährigen Tests, die  in verschiedenen Sichtungsgärten wie Weihenstephan, Hamburg und Hannover stattfinden, führen schließlich in Verbindung mit den Erfahrungen aus der Praxis zu den Bewertungen. Leider ist in diesem  Gremium heute kaum ein Praktiker vertreten und die Pflanzen werden oft zu sehr unter wissenschaftlichen Aspekten betrachtet, was nach Meinung von Hans Götz dem Ergebnis nicht immer zuträglich ist. Seine überaus große Fachkompetenz erschließt sich auch über seine zahlreichen Veröffentlichungen, die er im Auftrag des Bundes deutscher Staudengärtner (BdS) verfasst hat. Auf einer Vorstandssitzung  1980 wurde die Idee geboren, die umfangreichen Sichtungsergebnisse  auch auf  „neuen Medien” zu archivieren. Auch hier war  Hans Götz, der selbst eine private Datenbank mit zusätzlichen eigenen  praktischen Ergebnissen unterhielt, prädestiniert und der geeignete Fachmann. 
Eine Koryphäe seines Fachs
‚Pulmonaria Saccharat‘ Mrs. Moon, groß geflecktes Garten-Lungenkraut, aus dem Garten von Hans Götz, Schiltach.
Einige tausend Pflanzen wurden von ihm nach bestem Wissen und Gewissen den  Lebensbereichen zugeordnet, da keine Angaben vorlagen. Die Stauden- DVD mit  circa 9000 enthaltenen Arten und Sorten gibt es  inzwischen bereits in der 5. Auflage. Jede Pflanze wird dabei auf einem Datenblatt mit bis zu 60 Einzelangaben  erfasst. Alleine diese Tatsache lässt erahnen,  wieviel Zeit und Mühe in dieser Pflanzenklassifizierung stecken. Der akribische Staudengärtner aktualisiert und ergänzt immer noch stetig dieses Monumentalwerk. Als absolut praktisches Standardwerk für Gärtner und Lehrlinge haben sich die zwei Handbücher des BdS IIIa über Stauden und IIIb über Farne und Gräser erwiesen. Die Pflanzen sind alphabetisch aufgeführt, soweit räumlich möglich, verständlich erläutert und bebildert. Zudem hat Götz in seinen Publikationen das Farbsystem der englischen Gartenbaugesellschaft eingeführt. Hier wird mit wenigen Hauptfarben,  Ergänzungsfarben und Tönungen ein reales Farbsystem verwendet. Für viele „Laien  ” ist der botanische Name einer Pflanze ein Buch mit sieben Siegeln. Doch allein durch diese Bezeichnungen sind Verwechslungen eigentlich unmöglich.
 Genauso wichtig ist auch die korrekte deutsche Schreibweise. Hans Götz nennt ein Beispiel: Duft-Veilchen, Gattung Viola, ein Veilchengewächs. Alpenveilchen, Gattung Cyclamen, ein Primelgewächs. Oder Vergissmeinnicht, Gattung Myosotis, Raublattgewächs. Oder das Kaukasusvergissmeinnicht, Gattung Brunnera, also kein Vergissmeinnicht im Vergleich zu vorigen. Die häufige Änderung oder auch Rückbenennung der Nomenklatur wird mittlerweile auch von der Fachwelt selbst als problematisch angesehen.   „Dia Wissenschaftler hän kei Ahnung, was es bedeutet, wenn ma ständig umbenennen muaß”, erklärt Hans Götz. Immerhin hat er so aber seinen Auftrag vom BdS bekommen – eine verbindliche Handelsnomenklatur mit zehnjähriger Gültigkeit für die Staudengärtner zu erarbeiten. Diese orientiert sich so nah wie möglich am „Zander”, dem Standardwerk für wissenschaftliche Pflanzennamen.  Die 100-seitige Broschüre erschien im Jahr 2011 und umfasst die botanischen Bezeichnungen und Synonyme von Stauden mit Synonymverweisen in alphabetischer Ordnung.
 
 
Gärtner – ein ehrbarer Beruf
Eigentlich ist der sympathische Gärtner aus dem kleinen Fachwerkstädtchen Schiltach im Kinzigtal das beste Beispiel dafür, dass Wissen und Kompetenz nicht zwingend  einen akademischen Titel brauchen. 1928 geboren, verbrachte Hans Götz seine Kindheit in der elterlichen Gärtnerei. Seine Jugendjahre waren vom Krieg geprägt. Als Ältester von vier Geschwistern musste er seine kranke Mutter unterstützen, als der Vater aus dem Krieg nicht mehr heimkehrte. Waisengeld gab es wenig, mit dem Argument „Ihr hän jo a Gärtnerei”, erzählt Götz. Sein Großvater hat den Stammbetrieb damals als „Kunst und Handelsgärtnerei” gegründet. Auch seine vier Söhne sind Gärtner geworden, drei von ihnen  haben eigene Betriebe aufgebaut. Ein Sohn blieb in der Fremde. So gibt es heute noch eine Gärtnerei und einen Gartenservicebetrieb mit gleichem Namen.
Von 1943 bis 1946 hat Hans Götz beim Onkel seine Gärtnerlehre absolviert. Die Berufsschule in Offenburg wurde bei einem Bombenangriff, nach nur einem Lehrjahr,  in Schutt und Asche gelegt und die Lehrer mussten die Schüler  nach Hause schicken, Unterricht fand keiner mehr statt. Außerdem musste jede Gärtnerei  Gemüse anpflanzen, um die Volksernährung sicherzustellen, auch die Gärtnerei Götz. Ganz hinten im  Gewächshaus,  wo die Kontrol- leure nicht hinkamen, wurden auch ein paar Blumen vermehrt. 
Interesse von Kindesbeinen an
Hans Götz hat sich sein botanisches Wissen selbst  erarbeitet.  In der Praxis,  mit Hilfe von Büchern und auf  langen Spaziergängen als Kind mit dem Vater, wo Pflanzen über Pflanzen miteinander bestimmt wurden. „Wissen isch Macht, du muasch immer meh wisse wia dia andere”, zitiert Götz den guten Rat seines Vaters. Nach der Lehre und dem tödlichen Unfall seines Bruders war Götz schließlich für die Versorgung der Familie allein zuständig. Die Nachkriegsjahre waren hart und arbeitsreich für den jungen Mann. Nach und nach wurde die Gärtnerei erweitert,  am Anfang wurden neben Staudenpflanzen auch noch Gehölze  produziert. Die Kessellage des Grundstücks kristallisierte sich bald als Spezialisierung heraus. So konnten  in der Nordwestlage über 60 Sorten von Funkien (Hosta) und Prachtspieren (Astilbe) naturnah, ohne Beschattungen, gepflanzt werden. Auch für seine alpinen Pflanzen war Hans Götz weit bekannt. Nachfragen kamen aus dem ganzen Bundesgebiet. Das steile Gelände der Gärtnerei hatte noch einen weiteren Vorteil – es war ausgesprochen wasserreich, da es in einem sogenannten  Quellhorizont lag. So war es möglich, im Sommer täglich bis zu 10 000 Liter Wasser zu verregnen. Zu Anfang war es üblich, Pflanzen im Boden zu kultivieren, es boten sich nur wenige Wochen im Frühjahr und Herbst für den Verkauf. Die Umstellung auf Topfkultur brachte dann eine Erleichterung, da nun das ganze Jahr Pflanzen für  Kunden bereitstanden.  Die Staudengärtnerei in Schiltach entwickelte sich so im Laufe der Zeit zu einer Topadresse bei Kollegen und Kunden im Hinblick auf  Qualität und auf botanische Besonderheiten. Viele Lehrlinge hat Hans Götz mit einer Ausnahmegenehmigung ausgebildet, die nachher eigene erfolgreiche Betriebe weiterführten. Eine Meisterprüfung hat er selbst nie ablegen können. Zuerst wurde ihm mangels Fremdlehre diese verwehrt, später fehlte ihm  die Möglichkeit, dem laufenden Gärtnereibetrieb für ein halbes Jahr den Rücken zu kehren. Letztlich ging es auch so. Hans Götz führte seine Gärtnerei 50 Jahre lang. Seine Nachfolger haben nur zwei Jahre durchgehalten. „Selbstständig isch halt doch andersch ...”, erklärt Götz nicht ohne Wehmut, „... und in de Landwirtschaft darf me nit uf d’ Uhr gucke!” So bleibt von der einstigen renommierten Staudengärtnerei ein privater besonderer Sammlergarten.
Verleihung des Karl- Foerster-Rings 2004
Hans Götz ist immer noch ein Begriff bei Pflanzenliebhabern und Kennern. Oft bekommt er Besuch oder Briefe zu spezifischen Themen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum. Ganz im  Streben nach Wahrheit und Echtheit, wie der Laudator bei der Verleihung des „Karl-Foerster-Rings”  an Hans Götz im Jahre 2004 zitierte, setzt sich Hans Götz  unermüdlich für den korrekten Umgang mit Pflanzen in Wort und Praxis ein. Er hat sein Wissen gesammelt, strukturiert und der Allgemeinheit in optimaler Form, fast umsonst, zur Verfügung gestellt. Leidenschaft und  Wissensdurst – für  Hans Götz keine Frage des Alters, seine Pflanzen beschäftigen ihn nach wie vor.


    
Staudensichtung
Geprüft und bewertet werden unter anderem Sortenechtheit, Wuchskraft und Standfestigkeit. Alle Aspekte der Blüte von der Farbe über Blütenzahl und Haltbarkeit bis hin zur Wetterbeständigkeit, die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und die Verwendung in Pflanzengemeinschaften werden einbezogen. Früher wurden diese Ergebnisse in losen Blättern an die circa 130 Mitglieder des Bundes der Staudengärtner zum Sammeln abgegeben. Seit einiger Zeit  haben sich die Methoden geändert. Aus den Bonitierungen in verschiedenen Gärten, nach Punkten, werden die Ergebnisse berechnet und vom gegenwärtigen Arbeitskreis bestätigt. Die Ergebnisse  kann man in  der  Zeitschrift „Gartenpraxis” aus dem Ulmer Verlag oder auf der Homepage nachlesen.

Zum Weiterlesen:
www.staudensichtung.de
www.Bund-deutscher-Staudengaertner.de
Hier werden die Veröffentlichungen von Hans Götz beschrieben.