Politik | 28. Oktober 2021

Gewerkschaften wollen weniger kurzfristige Beschäftigung

Von AgE
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) drängt auf eine Einschränkung der kurzfristigen sozialversicherungsfreien Beschäftigung.
Geht es nach dem DGB, wird kurzfristige sozialversicherungsfreie Beschäftigung von bisher maximal 70 auf 50 Tage reduziert. 102 oder 115 Tage müssten absolute Ausnahmen bleiben.
Bundesvorstandsmitglied Anja Piel forderte am vergangenen Freitag gegenüber der Presse, die zulässige Maximaldauer von gegenwärtig 70 auf 50 Tage zu reduzieren. „Die nächste Koalition muss die sozial nicht abgesicherte kurzfristige Beschäftigung auf ihren ursprünglichen Charakter einer Bagatellregelung zurückführen”, so Piel. Die im vergangenen und diesem Jahr als Reaktion auf die Corona-Pandemie beschlossene befristete Ausdehnung auf 102 beziehungsweise 115 Tage müsse eine absolute Ausnahme bleiben.
Landwirtschaft kritisch im Blick
Piel rief ebenso wie der stellvertretende Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Harald Schaum, dazu auf, die soziale Situation der Saisonbeschäftigten in der Landwirtschaft endlich zu verbessern und wirksam gegen Arbeitsrechtsverstöße vorzugehen. Dazu müssten staatliche Kontrollen ausgeweitet werden, nicht zuletzt „um die Anständigen zu schützen”. Notwendig seien darüber hinaus eine digitale und verlässliche Arbeitszeiterfassung auf den Betrieben sowie Verbesserungen bei der Unterbringung der Saisonbeschäftigten. Die Kosten für die Unterbringung seien von den Arbeitgebern zu tragen oder müssten in einem ersten Schritt zumindest gedeckelt werden.
Schaum verwies auf weiterhin „massive” Verstöße auf landwirtschaftlichen Betrieben gegen arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften, betonte aber zugleich, dass dies nicht pauschal gelte. „Eine ganze Reihe von Betrieben hält sich an die Bestimmungen und arbeitet ordentlich”, stellte der Gewerkschafter fest. Gleichzeitig zeige der von der IG BAU vorgelegte  Jahresbericht zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft jedoch, dass es nach wie vor zahlreiche problematische Fälle gebe, in denen Betriebe geltende Regeln bewusst ignorierten und den Mindestlohn systematisch unterliefen. Auffällig sei, dass es über die Jahre sehr oft dieselben Betriebe seien, für die ein solches Vorgehen offenbar ein Geschäftsmodell sei.
Schaum: Ungenügende Absicherung
Ein Kernproblem stellt für Schaum der aus seiner Sicht unzureichende Krankenversicherungsschutz vieler Saisonbeschäftigten dar.  Die von einem Teil der Betriebe abgeschlossenen privaten Gruppenversicherungen reichten nicht aus. „Wir brauchen einen Krankenversicherungsschutz für Saisonarbeitskräfte, der den hiesigen Standards entspricht”, mahnte Schaum.
Er übte erneut scharfe Kritik, dass von Gewerkschaftsseite niemand zur Mitarbeit in der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) eingeladen gewesen sei. Damit sei ein Bereich außen vor geblieben, der für die Transformation der Landwirtschaft in den kommenden Jahren wesentlich sei. Der Stellvertretende IG BAU-Vorsitzende bedauerte, dass damit zugleich der von seiner Gewerkschaft initiierte und verheißungsvoll begonnene „Soziale Dialog” zum Thema „Saisonarbeit” zum Erliegen gekommen sei. Umso wichtiger sei es, diesen Dialog wiederaufzunehmen.
Trotz der Kritik an der Zusammensetzung der Zukunftskommission begrüßte Schaum  deren Ergebnisse.  Der ZKL-Abschlussbericht könne eine geeignete Grundlage für weiterführende Diskussionen sein, „aber bitte mit Beteiligung der Arbeitnehmerseite”.
Nach Einschätzung der Initiative „Faire Landarbeit”, die den Bericht „Saisonarbeit in der Landwirtschaft 2021” herausgegeben hat, bewegt sich die Zahl an ausländischen Saisonarbeitskräften in Deutschland weiterhin auf einem hohen Niveau. Zwar lägen keine neueren Daten vor. Man geht jedoch auf Gewerkschaftsseite davon aus, dass die Zahl 274000 aus dem Jahr 2019 auch weiterhin eine zutreffende Größenordnung ist. Überrascht zeigt man sich, dass trotz des vor Saisonbeginn abgeschlossenen Drittstaatenabkommens mit Georgien lediglich rund 180 Erntehelfer aus der früheren Sowjetrepublik eingereist sind. Sehr hoch sei hingegen in diesem Jahr der Anteil an Saisonarbeitern gewesen, die mit dem Status von Praktikanten und Ferienjobbern hierzulande tätig gewesen seien. Dabei habe es sich vor allem um Ukrainer gehandelt.