Tierhaltung | 18. August 2021

Gesundheitsmerkmale jetzt auch bei Vorderwäldern

Von Dr. Franz Maus
Was es bei den großen Rassen schon länger gibt, wurde jetzt auch bei Vorderwäldern, Gelbvieh, Pinzgauern und Grauvieh eingeführt: Gesundheitszuchtwerte. Aber was genau steckt hinter den Abkürzungen FRW, VIW und EGW und wie wirken sie sich auf den Gesamtzuchtwert aus?
Die neue Zuchtwertschätzung schätzt die Fitnessmerkmale besser.
Die Änderungen beruhen zum Teil auf der Einbeziehung der Zahlen aus dem Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere (HIT) und dem  Gesundheitsmonitoring (GMON) der tierärztlichen Diagnosen und geburtsnahen Beobachtungen. So gibt es über 30.000 Angaben zu frühen Fruchtbarkeitsstörungen wie zum Beispiel Nachgeburtsverhaltung und Gebärmutterentzündung und fast 10.000 Angaben zu Zysten. Mit dieser Datenmenge lässt sich rechnen, wobei es gut ist, wenn von den Züchterinnen und Züchtern vermehrt Angaben dazu im HIT und bei GMON gemacht werden.
Fruchtbarkeitswert
Zusammen mit der Non-Return-Rate  und der Verzögerungszeit von Kalbinnen und Kühen wird der Fruchtbarkeitswert (FRW) gebildet. Die frühen Fruchtbarkeitsstörungen gehen mit 20 % und die Zysten mit 10 % in den FRW ein; zu 70 % bestimmen Non-Return-Rate 56 und die Verzögerungszeit den FRW.
Eutergesundheitswert
Für Mastitis liegen etwa 10.000 Vorderwälderdaten vor. Auch hier der Appell, vermehrt an dem Programm teilzunehmen, damit mehr Zahlen zur Verfügung stehen. Die Mastitis wird mit 30 % im Eutergesundheitswert (EGW) gewichtet; mit 70 % bestimmt der altbekannte Zellgehalt aus der Leistungsprüfung den EGW.
Vitalitätswert
Neu sind Zuchtwerte für Kalbeverlauf und Aufzuchtverluste. Die Totgeburtenrate wandert zum Zuchtwert Aufzuchtverluste und der Kalbeverlauf wird jetzt unter Einbeziehung der Trächtigkeitsdauer geschätzt. Neu und sehr gut ist, dass die erste Abkalbung dreimal so hoch gewichtet wird wie alle weiteren, meist weniger belastenden Abkalbungen. Die Aufzuchtverluste beinhalten vier Phasen: die bisherige Totgeburtenrate, totgeboren oder verendet bis zum zweiten Tag; die Aufzuchtphase 1 vom dritten bis 30. Tag, männlich und weiblich; die Aufzuchtphase 2 vom 31. Tag bis zum zehnten Monat männlich und die Aufzuchtphase 3 vom 31. Tag bis zum 15. Monat weiblich.
Daraus wird der Vitalitätswert (VIW) errechnet, mit der Gewichtung 50 % Totgeburtenrate, 25 % Abschnitt 1 und 25 % Abschnitt 3. Abschnitt 2 für die männlichen Tiere wird noch nicht einbezogen, weil die meisten  als Kälber verkauft werden.
Nutzungsdauer
Der Zuchtwert für die Nutzungsdauer beruhte bisher auf einer Lebensdaueranalyse ohne eine Tiermodell-Berechnung. Nun wird das Lebensalter bis zur siebten Abkalbung in neun Abschnitte unterteilt: die erste Laktation in drei, die zweite in zwei und die dritte bis sechste in jeweils einen Abschnitt. Entscheidend ist, ob die Kuh den entsprechenden Abschnitt überlebt hat. Die Schätzung erfolgt mit dem BLUP-Tiermodell. BLUP steht für „beste lineare unverzerrte Voraussage”. Dieses Modell beinhaltet nicht nur die Eigenleistungen; entsprechend dem Verwandtschaftsgrad und der Verwandtenanzahl werden die Verwandten miteinbezogen.  Es ist bekannt, dass Rahmen, vor allem aber Fundament und Euter, eine Beziehung zur Nutzungsdauer aufweisen. Deshalb werden sie an dieser Stelle berücksichtigt. 
Fett-Eiweiß-Gewichtung
Bisher wurde im Milchwert eine Fett-Eiweiß-Gewichtung von 1 zu 4 vorgenommen. Betriebswirtschaftliche Berechnungen zeigen, dass momentan 1 zu 1,5 passend ist. Dies wird zur Zuchtwertschätzung von August umgestellt und bevorzugt Bullen, die sich in der Fettmenge abheben. 
Gesamtzuchtwert
Zuletzt galt es, die Gewichtungen im Gesamtzuchtwert (GZW) zu aktualisieren. Der Rasseaussschuss kam zu folgendem Ergebnis: Milch, Fleisch und Fitness bleiben wie gehabt bei einer Gewichtung von 44 zu 12 zu 44. Zu sehen ist die bereits erwähnte Veränderung der Gewichtung von Fett- und Eiweißkilogramm. Bei den Fleischmerkmalen erfolgt eine geringfügige Verschiebung von den Zunahmen in Richtung der Schlachtleistung. Innerhalb des Fitnessblocks wird etwas Gewicht von der Nutzungsdauer auf den neuen Fruchtbarkeitswert FRW verschoben. Außerdem ersetzen der Vitalitätswert VIW die Totgeburten und der Eutergesundheitswert EGW die Zellzahl. Über FRW und EGW sind also erstmals Gesundheitsmerkmale direkt im GZW und damit im Zuchtziel der Rasse Vorderwälder enthalten. Wichtig ist und bleibt die Datenlieferung durch die Züchter im Gesundheitsbereich und Kalbeverlauf. 
Kühe bilden ab jetzt die Basis
Eine große Auswirkung auf die Zuchtwerte wird die Basisänderung haben. Worum geht es dabei? Bisher bilden Bullenjahrgänge die Basis, jetzt werden es Kuhjahrgänge sein. Diese Maßnahme wird von Experten für kleine Populationen empfohlen und erscheint sinnvoll, weil es dadurch bei den dritteljährigen Anpassungen zu weniger Ausschlägen kommt. Basis sind nun alle Kühe, die sechs bis acht Jahre alt sind. Dies bewirkt ein Plus von 2,9 beim Gesamtzuchtwert (GZW), von 4,8 beim Milchwert (MW) und von 205 kg bei der Milchmenge. Im Fleischwert (FW) gibt es ein Minus von 1,5 und bei der Fitness (FIT) von 3,4. Im Einzelfall können die Änderungen im GZW bei ±10 liegen. Die Sicherheiten der Zuchtwerte werden höher, zum Beispiel bei Stieren: FIT +6 %; Nutzungsdauer (ND) +2 %; FRW +10 %; paternaler Kalbeverlauf (KVP) +6 % und maternaler Kalbeverlauf (KVM) +5 %. Das heißt, die Zuchtwerte werden sicherer.