Pflanzenbau | 25. Februar 2016

Gegen die Kirschessigfliege hilft viel – das Wetter ist entscheidend

Von Gernot Raiser
Im Rahmen der Messe Fruchtwelt Bodensee hat ein Symposium zur Bekämpfung der Kirschessigfliege stattgefunden. Forscher aus Italien, Österreich, Deutschland und der Schweiz stellten aktuelle Ergebnisse ihrer Arbeit vor.
Auf der Fruchtwelt in Friedrichshafen befasste sich eine Vortragstagung am Samstag mit der Bekämpfung der Kirschessigfliege.
Dr. Astrid Eben, Insektenkundlerin vom Julius-Kühn-Institut (JKI), fasste einige biologische Besonderheiten der Kirschessigfliege (KEF) zusammen, die sie so gefährlich machen.
Aktiv sind die Schädlinge zwischen zehn und 30 ˚C, ihre „Wohlfühltemperatur” liegt bei 20 bis 25 ˚C. In Deutschland sind, je nach Temperatur, fünf bis acht Generationen in einer Vegetationsperiode möglich.
Die Tiere haben ein extrem breites Nahrungsspektrum, das heißt, sie befallen die unterschiedlichsten Obstarten: Von der Erdbeere bis zu Weintrauben und von Aprikosen bis zu Brombeeren.  Fazit: Das ganze Jahr über und fast überall können die Schädlinge auf Nahrungsressourcen zurückgreifen. 
Das Wetter entscheidet
Das Wetter hat von allen Faktoren den größten Einfluss darauf, ob es zu Schäden in Obstkulturen kommt oder nicht. Das haben die Jahre 2014 und 2015 beispielhaft gezeigt mit extremen oder fast gar keinen Schäden. Trockenheit und Hitze drücken die Überlebensrate und bremsen die Vermehrung des Insektes deutlich. Feuchte und gemäßigte Temperaturen bewirken das Gegenteil.
Dr. Astrid Eben vom JKI
Diesen „gefühlten” Zusammenhang konnte das JKI inzwischen  in exakten Laborversuchen bestätigen. Die Forschungen haben ergeben, dass Temperaturspitzen von 33 bis 39 ˚C innerhalb weniger Tage durchschnittlich 70 Prozent der Versuchstiere sterben ließen, wobei Weibchen empfindlicher reagierten als  Männchen. Allerdings nahmen die Überlebenden, sobald der Hitzestress nachließ, wieder ihre Fortpflanzung auf – die Weibchen legten erneut Eier und die Männchen waren nicht steril. 
Frostperioden im Winter sind wegen der hohen Sterblichkeit der KEF bei Temperaturen unter + 3 ˚C extrem wichtig, um die Population zu dezimieren und den Anfangsbefall zu bremsen. Das JKI stellt kontinuierlich Fallen sowohl in den Versuchsanlagen als auch in der Landschaft auf. In freier Natur sind 2014 und 2015 mindestens fünfmal so viele Tiere pro Falle gefangen worden wie  in den Kulturen. Das heißt: In der Landschaft schlummert ein enormes Schadpotenzial, das nur darauf wartet, bei günstigen Wetterbedingungen in die Obstanlagen einzufallen.
In der freien Landschaft halten sich die Kirschessigfliegen vor allem am Waldrand und im Wald auf – also nicht auf Grün- oder Siedlungsflächen. In den vergangenen beiden Jahren begann, nach den Ergebnissen der Fallenfänge des JKI,  in den Obstanlagen jeweils Anfang Juli die explosionsartige Vermehrung der KEF. Im Oktober bis November verschwanden die Tiere aus den Obstanlagen. Im Vergleich dazu hat die Populationsentwicklung in der freien Landschaft rund ein bis zwei Monate Verzögerung. 
Mit den ersten Eiablagen im Frühjahr ist ab Ende April zu rechnen – jedenfalls trugen alle vom JKI im Jahr 2016 untersuchten weiblichen Tiere zu diesem Zeitpunkt reife Eier in sich. Neu ist die Erkenntnis, dass zu diesem Zeitpunkt Misteln zu den ersten Wirtspflanzen der KEF gehören. Das konnten die Wissenschaftler des JKI erstmals nachweisen.
Das JKI sucht auch nach Lockstoffen für den Fallenfang und hat ein kommerzielles Produkt  mit seiner institutseigenen Mischung verglichen. Diese basiert auf Apfelessig, der mit flüchtigen Substanzen aus Wein und Apfelessig gemischt wird, beispielsweise Alkohol, Essigsäure, Aceton und Methionol. Zusätzlich wird Hefe zugesetzt, um die Attraktivität für KEF zu steigern. Ergebnis: Die eigene Mischung war für Kirschessigfliegen im Vergleich zum käuflichen Produkt mindestens ebenbürtig, teilweise sogar überlegen. Bei der Zugabe verschiedener Fruchtsäfte zur Lockstoffmischung hat sich ergeben, dass Sauerkirsche, Holunder,  Himbeere und Brombeere die Attraktivität der Mischung steigerten. Dass eine rot gefärbte Flüssigkeit in Fallen attraktiver ist als eine farblose, bestätigt Andreas Häseli vom Schweizer Forschungsinstitut für  biologischen Landbau (FiBL).
Einigkeit herrschte in Friedrichshafen dahingehend, dass eine Einnetzung von Obstanlagen ein sehr wirkungsvolles Mittel ist, Schäden durch die Kirschessigfliegen zu verhindern. Allerdings ist das teuer, aufwändig und optisch nicht gerade ansprechend.
Zu großer Vorsicht beim Einsatz von Insektiziden gegen die KEF in Obstanlagen rät Klaus Wallner von der Landesanstalt für Bienenkunde in Hohenheim. Gefährlich sei zum Beispiel blühender Unterwuchs wie Löwenzahn, der für Bienen als Nahrungsquelle sehr attraktiv ist. Auch Zuckerausscheidungen an Kirschbäumen (extraflorale Nektarien) und von Läusen (Honigtau) locken Bienen an. Wallner befürchtet,  dass als indirekte Folge der KEF-Kalamität das Angebot an Blütenpflanzen in und um Obstanlagen zurückgehen wird, weil diese den Insektizideinsatz behindern oder unmöglich machen.