Tierhaltung | 03. August 2017

Früherkennung extrem wichtig

Von Dr. Holger Axt, Schafherdengesundheitsdienst Baden-Württemberg
Moderhinke, die wichtigste Klauenerkrankung beim Schaf, wird vom Bakterium Dichelobacter nodosus ausgelöst, wenn begünstigende Faktoren wie Wärme, Nässe und Verletzungen hinzukommen. Über Möglichkeiten der Prophylaxe, Behandlung und Sanierung informiert der folgende Beitrag.
Typisch für Schafe mit Moderhinke: Entlastung der schmerzenden Klauen durch Knien.
Nicht jede Lahmheit bei Schaf und Ziege ist von Moderhinke verursacht. Doch obwohl auch andere Ursachen wie zum Beispiel Klauenverletzungen, Gelenksentzündungen oder mechanische Behinderung des Bewegungsablaufs (Dreck im Zwischenklauenspalt) häufig vorkommen, so ist sie vor allem beim Schaf die wichtigste und problematischste Lahmheitsursache, da sie in befallenen Herden oft über Jahre großes Tierleid, hohe Kosten und einen immensen Arbeitsaufwand mit sich bringt.
 
Was ist eigentlich Moderhinke genau?
Die Moderhinke ist eine spezifische, ansteckende Infektion der Klauen, die mit einer akuten Entzündung der Haut des Zwischenklauenspalts mit schmierigen und übel stinkenden Belägen beginnt und unbehandelt in bösartigen Fällen innerhalb weniger Tage zur fortschreitenden Ablösung des Klauenhorns mit hochgradiger Lahmheit führt. Die entzündete Klauenlederhaut ist gut durchblutet und mit einer Vielzahl hochsensibler Nerven versorgt, so dass die Erkrankung stets mit Schmerzen verbunden ist, weshalb die Tiere anfangs leicht, später schwer lahm gehen bzw. die Klauen gar nicht mehr belasten (liegen, knien). Dies führt auch zu einer stark eingeschränkten Futteraufnahme, wodurch lahme Tiere schnell abmagern.
Bösartige Moderhinke beginnt im Zwischenklauenspalt und geht unbehandelt von dort in ein bis zwei Wochen auf die gesamte Klaue über.
Alleine aufgrund schlechter Klauenpflege kommt es nicht zu Moderhinke. Ungepflegte Klauen können die Krankheitsausbrüche bei Vorliegen des Erregers jedoch fördern. Immer ist das Bakterium Dichelobacter nodosus als infektiöser Hauptverursacher zu finden. Die Virulenz des jeweiligen Erregerstammes entscheidet, ob die Krankheit mild (gutartige Form) oder bösartig verläuft. In betroffenen Herden wechseln sich oft weitgehend symptomfreie Phasen mit akuten Krankheitsausbrüchen ab. Akute Fälle erkennt man bei guter Tierbeobachtung früh am verkürzten Schritt mit dem typischen Kopfnicken und Entlastung der betroffenen Klauen. Diese Früherkennung ist extrem wichtig. Im weiteren Verlauf werden die Klauen auch in der Ruhe entlastet und man sieht die Tiere beim Fressen knien.
Akute Krankheitsausbrüche ereignen sich erst bei Vorliegen verschiedener begünstigender Faktoren wie Wärme, Nässe und Verletzungen, die zu einfachen bakteriellen Entzündungen der aufgeweichten oder rissigen Zwischenklauenhaut führen und damit die Klaue vorschädigen und für Dichelobacter angreifbar machen. Die Infektion erfolgt schnell von Schaf zu Schaf. In der Umwelt ist der Krankheitserreger nicht lange überlebensfähig (bei Trockenheit höchstens vier Tage, bei Feuchtigkeit maximal zwei Wochen). Dichelobacter nodosus kann aber jahrelang im Klauenhorn befallener Schafe überleben, selbst wenn diese keine Symptome zeigen. Auf der Weide besteht erhöhte Infektionsgefahr besonders an feuchten Stellen um Tränkeeinrichtungen oder um Klauenbäder, die auf unbefestigtem Grund stehen, sowie in Pferchen mit feuchtem bzw. matschigem Untergrund. Ohne Behandlung kann die Zahl erkrankter Tiere in der Herde auf bis zu 80 Prozent steigen.    
Vorbeugung
Um eine Neueinschleppung in die Herde zu verhindern, stehen Biosicherheitsmaßnahmen  (siehe PDF) an erster Stelle, insbesondere beim Zukauf von Tieren. Wenn Zukauftiere nicht sicher aus moderhinkefreien Herden stammen, sind Quarantänemaßnahmen (mindestens zwei, besser vier Wochen) mit intensiver Untersuchung und gegebenenfalls  Behandlung Pflicht. Aber auch, um einen akuten Ausbruch in befallenen Herden zu verhindern, steht eine Vielzahl von Prophylaxemaßnahmen zur Verfügung. Am wichtigsten ist hier neben einer guten Klauenpflege und desinfizierenden Klauenbädern die tägliche aufmerksame Tierbeobachtung, um frühe Krankheitsstadien bei Einzeltieren rechtzeitig zu erkennen. Auch züchterisch kann man großen Einfluss auf die Moderhinkeanfälligkeit der eigenen Herde nehmen, indem man Tiere – insbesondere Böcke –  mit schlechten Klauenformen oder mit wiederholten schweren und schlecht therapierbaren Moderhinkeerkrankungen von der Zucht ausschließt. 
Behandlung
Die rechtzeitige Behandlung erster Fälle kann einen größeren Ausbruch in der Herde häufig verhindern. Dazu werden die betroffenen Tiere möglichst von der Herde getrennt und in eine Umgebung mit trockenem Untergrund verbracht. In frühen Stadien reichen oft lokal eingesetzte antibiotische Sprays und/oder wiederholte Klauenbäder aus. Insbesondere bei therapeutisch angewendeten Klauenbädern ist eine ausreichend lange Einwirkzeit wichtig (keine Durchlauf-, sondern Standbäder mit 15 bis 45 Minuten Einwirkzeit). Bei Klauenbädern ist auch regelmäßig zu überprüfen, ob die Füllhöhe ausreicht (die Afterklauen müssen komplett in die Badelösung eintauchen) und ob die Wirkstoffkonzentration stimmt (gegebenenfalls nachdosieren). In weiter fortgeschrittenen Fällen können auch eine systemische Antibiose mit Injektion eines geeigneten Medikaments und gegebenenfalls eine Schmerzbehandlung nötig sein. Tiere, bei denen sich kein Behandlungserfolg zeigt, sollten ausgemerzt werden, da sie eine ständige Infektionsquelle sind und möglicherweise eine besondere Anfälligkeit vererben.
Die Impfung gegen Moderhinke wirkt sowohl präventiv als auch therapeutisch, indem sie die Symptomatik abmildern kann. Obwohl sie nicht frei von Nebenwirkungen ist (schmerzhafte Schwellungen an der Injektionsstelle), wird sie in vielen Beständen mit gutem Erfolg eingesetzt. Zur Impfung steht mit Footvax eine Fertigvakzine zur Verfügung, es können aber auch bestandsspezifische Impfstoffe zum Einsatz kommen. Der Impfzeitpunkt sollte so gewählt werden, dass sich ein belastbarer Impfschutz vor einem zu erwartenden Moderhinkeausbruch aufbaut, also zum Beispiel vor Jahreszeiten, in denen mit Nässe und Wärme zu rechnen ist, oder vor dem Verbringen der Schafe auf Weiden mit feuchtem Untergrund. Schafe, die erstmals geimpft werden, müssen zwei Injektionen im Abstand von drei bis vier Wochen erhalten (Grundimmunisierung). Die Wiederholungsimpfung ist jährlich, in sehr stark betroffenen Herden auch in kürzeren Abständen fällig. Mit Impfmaßnahmen alleine ist jedoch keine Sanierung erreichbar.
Sanierung
Um einen Bestand zu sanieren, das heißt den Moderhinke-Erreger dauerhaft zu eliminieren, bedarf es eines gut ausgearbeiteten Sanierungsplans, der zusammen mit dem Tierarzt erstellt und umgesetzt wird. In Abhängigkeit von vielen Faktoren wie Bestandsgröße, Haltungsform und Anzahl an genetisch besonders anfälligen Tieren werden zur Sanierung verschiedene Bekämpfungsmaßnahmen kombiniert, wobei der Sanierungsplan immer individuell auf den Betrieb zugeschnitten werden muss. Der Erfolg einer Sanierung kann frühestens nach einer Phase von zwei Jahren ohne akute Krankheitsfälle festgestellt werden.
Schafhalter und deren betreuende Tierärzte in Baden- Württemberg können sich zur Beratung an den zuständigen Schafherdengesundheitsdienst wenden.