Tierhaltung | 03. Mai 2021

Farbige Absperrketten statt Hinweisschild

Von der BBZ-Redaktion
Der Bundesgerichtshof befasste sich im April 2020 mit einem Fall, in dem ein Radfahrer durch einen quer über den Weg gespannten Draht gestürzt war. Die Neue Juristische Wochenschrift hat dieses Urteil, das zugunsten des Radfahrers ausfiel, aufgegriffen und näher erläutert.
Ein gespannter Draht wird von Fahrradfahrern nicht gesehen. Auch nicht, wenn er mit einem Hinweisschild versehen ist.
Besser: Rot-weiße Absperrketten, am besten in Kombination mit Warnschildern rechtzeitig vor der Absperrung.
Der nicht ortskundige Fahrradfahrer war an diesem Tag auf einem unbefestigten Feldweg unterwegs, der als Sackgasse in einem Wald endete. Auf diesem Feldweg befand sich eine Absperrung aus zwei waagerecht verlaufenden Stacheldrähten in der Höhe von 60 cm und 90 cm. Zwischen die beiden Drähten war noch ein rot-weißes Sperrschild gespannt. Der Radfahrer erkannte die Drähte zu spät, führte eine Vollbremsung durch und stürzte kopfüber in das Hindernis. Er ist seitdem vom Hals ab querschnittsgelähmt.
Laut BGH gilt, dass derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, alle notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, damit Dritte nicht zu Schaden kommen. Gemeint sind diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Die Verkehrssicherung trifft auch denjenigen, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage weiterbestehen lässt. Es ist also nicht entscheidend, ob der aktuelle Wegeigentümer oder sein Rechtsvorgänger eine solche Wegsperre gebaut hat. Wenn ein Weg für Fahrradfahrer zugelassen ist, dann ist ein über diesen Weg gespannter, nicht auffällig gekennzeichneter doppelter Stacheldraht absolut verkehrswidrig. Eine hinreichend deutliche Kennzeichnung bestand auch nicht in dem an den Drähten befestigten Verkehrsschild. Dieses erhöhte im Gegenteil die Gefährlichkeit der Sperre. Weil ein solches Hindernis schwer erkennbar und aufgrund seiner Beschaffenheit gefährlich ist, sieht der BGH eine solche Drahtsperre als völlig ungewöhnlich und objektiv geradezu als tückisch an. Kein Fahrradfahrer muss hiermit rechnen. Es kommt auch nicht darauf an, ab welcher Entfernung ein Fahrradfahrer diese Drahtsperre erkennen konnte. Es reicht aus für die Haftung, dass eine solche Drahtsperre aufgrund ihrer Beschaffenheit und Ungewöhnlichkeit leicht zu übersehen war.
Unerheblich ist es auch, ob der Weg bis zum Unfall tatsächlich nur von wenigen Personen und insbesondere nicht von Fahrradfahren genutzt wurde. Entscheidend ist vielmehr, dass der Fahrradfahrer rechtlich dort fahren durfte. Eine geringe Nutzungsfrequenz bedeute nur, dass die Anforderungen an den Umfang der Verkehrssicherung geringer sind. Das bedeutet aber nicht, dass man Schutzmaßnahmen unterlassen darf. Vielmehr hätte man auch hier eine besser sichtbare Absperrung vornehmen müssen. 
Drähte zu spät erkennbar
Der Radfahrer hat seinen Unfall auch nicht mitverschuldet, weil er zu schnell war. Er hat also nicht gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht nach der Straßenverkehrsordnung verstoßen. Dieses Gebot gilt auch für Fahrradfahrer. Es verlangt, dass der Fahrer vor einem Hindernis, das sich innerhalb der übersehbaren Strecke auf der Straße befindet, anhalten können muss. Die Geschwindigkeit muss also so gewählt werden, dass man dann anhalten kann, wenn am Ende des Sichtbereichs ein Hindernis auf der Fahrbahn auftaucht. Das Gebot des Fahrens auf Sicht bedeutet jedoch nicht, dass man nur so schnell fahren darf, dass man auch vor Hindernissen innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten können muss, die man aufgrund ihrer Beschaffenheit jedoch erst sehr spät erkennen kann.
Abgesehen von den dramatischen Folgen, die dieser Fahrradunfall für den Radfahrer hatte, macht das Urteil eines deutlich: Die in manchen Gegenden noch geübte Praxis, zum Viehtrieb oder zur besseren Beweidung einen oder zwei Drähte vorübergehend quer über einen Weg zu spannen, gehört der Vergangenheit an, will man nicht unabsehbare Haftungsrisiken eingehen. Es reicht auch nicht aus, zwischen die Drähte Hinweisschilder zu hängen oder Ähnliches. Drähte sind definitiv für Fahrradfahrer nicht rechtzeitig zu sehen. Ist es erforderlich, Wege, die auch Radfahrer (legal) benutzen, vorübergehend abzusperren, müssen zum Beispiel rot-weiße Absperrketten oder ähnliches Material, welches auf weitere Entfernung bereits gut sichtbar ist, verwendet werden. Möglichst sollte auch durch Schilder rechtzeitig vorher vor der Absperrung gewarnt werden.
Weitere Informationen
Der BLHV hat in einem Infoblatt die wichtigsten Regeln und Grenzen des freies Betretungsrechtes zusammengefasst.