Politik | 20. März 2014

Familienbetrieb und Gewässerärger

Von Walter Eberenz
Dem bäuerlichen Familienbetrieb war das Hauptthema der Landesversammlung 2014 des BLHV am Dienstag in Ehrenkirchen gewidmet. Die hiesigen Bauern beschäftigt aber noch einiges mehr, wie die Beiträge und Diskussionen auf der gut besuchten Veranstaltung zeigten.
Über 500 Teilnehmer zählte die Landesversammlung des BLHV in der Kirchberghalle in Ehrenkirchen – trotz perfektem Arbeitswetter für Bauern.
Die Vereinten Nationen (UN) haben 2014 zum internationalen Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft erklärt. Gerd Sonnleitner, der ehemalige Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), wurde dafür zum UN-Sonderbotschafter ernannt.
Das war Anlass für den BLHV, der Landesversammlung 2014 das Leitthema „bäuerlicher Familienbetrieb” zu geben und Anforderungen an die Politik zu formulieren. „EU-Agrarpolitik nach 2013 – bäuerlicher Familienbetrieb als Zukunftsmodell? Die Landesregierung ist gefordert”, lautete die Überschrift der Grundsatzrede von BLHV-Präsident Werner Räpple.
Räpple nennt klare Definition
Er erinnerte daran, dass die Definitionen dafür, was ein solcher Familienbetrieb ist, in der Öffentlichkeit so vielfältig und unklar  seien wie der Begriff „Massentierhaltung”.
BLHV-Präsident Werner Räpple erkannte an, dass die Landesregierung die Anliegen der bäuerlichen Familienbetriebe ernst nimmt, will aber mit dem Lob noch zuwarten, „bis alles auf dem Papier steht”.
Daher lieferte Räpple seine Definition gleich nach: „Ein bäuerlicher    Familienbetrieb muss familiengeführt, familienverantwortet und möglichst auch familienfinanziert sein.” Als nicht taugliche Kriterien dafür nannte er die Betriebsgröße und die Anzahl der gehaltenen Tiere. Baden-Württembergs landwirtschaftliche Betriebe, im Durchschnitt nur 33 Hektar groß, sind zu über 90 Prozent in Familienhand. Dennoch sind sie kein Selbstläufer, wie Räpple auf der Landesversammlung mahnte. Neben permanentem ökonomischem Anpassungsdruck gehörten ständig neue Vorschriften und bürokratische Hürden zu den größten Herausforderungen.
BLHV-Hauptgeschäftsführer Benjamin Fiebig präsentierte die Leistungsbilanz 2013 des BLHV. Sein Geschäftsbericht ist auf den Seiten 11 bis 13 in der BBZ 12 zusammengefasst.
Als Räpple folgerte, dass „damit genau die Betriebe kaputtgemacht werden, die wir gesellschaftspolitisch wollen”, erntete er Beifall im Saal. Applaus brandete erneut auf, als er beispielhaft das Thema „Gewässerrandstreifen” anriss und die Politik aufforderte: „Beschließen Sie Gesetze, die auch umsetzbar sind.” Räpple forderte, das Gesetz ein Jahr auszusetzen und zwischenzeitlich bessere Grundlagen zu schaffen.
Wespennest Wassergesetz
Das neue Wassergesetz mit den strengen Auflagen im Fünf-Meter-Randstreifen entpuppte sich für die ganze Veranstaltung als ein Wespennest. Wer das Thema  ansprach, erntete spontane und deutliche Reaktionen.
„Aussetzen”
Ministerialdirektor Wolfgang Reimer, Amtschef des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) in Stuttgart, erhielt Buhrufe, als er darauf zu sprechen kam.
Die heftigsten Reaktionen im Publikum und die meisten Anliegen bei der Aussprache betrafen die Gewässerrandstreifen im neuen Landeswassergesetz. Weitere kritische Themen, die diskutiert wurden: Grünlandumbruchverbot, FFH-Wiesen, Biber, Landesjagdgesetz und EU-Förderfragen.
Dabei strengte er sich an zu versichern, dass auch er nicht erfreut darüber sei, wie sich das in der Praxis jetzt durchsetze. Das Problem sei, dass die Landratsämter unterschiedlich vorgingen. Daraufhin erntete Reimer den  deutlichen Zwischenruf  aus dem Publikum „Aussetzen” – als Ratschlag für den weiteren Umgang mit dem Gesetz. Worauf Reimer antwortete, dass das jetzt nicht gehe: „Da braucht’s einen Landtagsbeschluss.”
MLR will Unklarheiten beseitigen
Reimer beteuerte allerdings gegenüber den Bauern, dass es beim Landeswassergesetz  keine Willkür geben könne und dürfe. „Sie haben hier das MLR auf Ihrer Seite. Wir werden dafür sorgen, dass Unklarheiten beseitigt werden.” Beifall gab es für diese Aussage allerdings keinen. Über die Gründe lässt sich spekulieren: Ein Teil der Besucher mag der Meinung gewesen sein, dass das für das MLR selbstverständlich sein muss. Ein anderer Teil mag Reimer als Repräsentanten der Landesregierung in dieser Frage nicht ganz getraut haben. Zum Thema Landeswassergesetz äußerte sich Wolfgang Reimer bereits bei der jüngsten Verbandsausschusssitzung des BLHV und gab für Bauern konkrete Ratschläge (siehe Seite 7 in dieser BBZ oder auf der Homepage des BLHV).
Reimer: Alles bleibt in der Landwirtschaft
Ministerialdirektor Wolfgang Reimer machte Werbung für die Leistungen des Landes bei der Umsetzung der EU-Agrarreform.
Auf das Motto der Landesversammlung bezogen betonte Reimer, dass für ihn die bäuerliche Familienlandwirtschaft ein Zukunftsmodell ist. Er bezeichnete die Familienbetriebe als „Garanten für prosperierende ländliche Räume”. Der Ministerialdirektor unterstrich, dass Baden-Württemberg nicht nur erreicht habe, dass die Fördermittel für die ländliche Entwicklung (Zweite Säule) erhöht werden. Baden-Württemberg sei zusammen mit Bayern auch das einzige Bundesland, das alle Mittel in der Landwirtschaft halte. Reimer wiederholte Einzelheiten zu den Programmentwürfen des Landes, wie er sie bereits beim Verbandsausschuss des BLHV verkündete – mehr dazu auf den Seiten 6 und 7 in dieser BBZ.
Fördern, beraten, Freiräume schaffen
Abschließend machte Wolfgang Reimer noch seinem Ärger über die jüngsten Fleischpreissenkungen der Discounter Luft: „Wenn das Tierwohl dadurch konterkariert wird, muss klar benannt werden, wer dafür Verantwortung trägt, nämlich Aldi, Lidl & Co.”
BLHV-Präsident Werner Räpple nahm das Bekenntnis Reimers zur bäuerlichen Landwirtschaft und deren Förderung auf und bescheinigte ihm, „dass Sie unser Anliegen sehr ernst nehmen”. Allerdings gab es für die Umsetzung der EU-Agrarreform noch keine Abschlussnote von ihm: „Zum Schluss zählt, was auf dem Papier steht, und dann gibt es das Lob”, sagte Räpple unter dem Beifall des Publikums. Räpple stellte klar, dass die Landwirtschaft nach Überzeugung des Bauernverbandes keine Museumslandwirtschaft sein könne. Für die notwendige Weiterentwicklung brauche es Förderung, Beratung und gesetzliche Freiräume. Als eines von mehreren konkreten Beispielen nannte Räpple die Notwendigkeit, bei der EU-Agrarreform ein Greening zu ermöglichen, das landwirtschaftliche Produktion zulässt („produktionsintegriertes Greening”).
Drei Frauen in Führungspositionen auf dem Podium (von links): Rosa Karcher, Präsidentin des Landfrauenverbandes Südbaden, Dorothea Störr-Ritter, Landrätin des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald, und die Freiburger Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer.
Die Freiburger Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer und Dorothea Störr-Ritter, Landrätin des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald, waren weitere Grußrednerinnen bei der Landesversammlung des BLHV. Beide unterstrichen die Wichtigkeit der Landwirtschaft in ihrem Zuständigkeitsgebiet und betonten, weiterhin ein gutes Verhältnis zur heimischen Landwirtschaft pflegen zu wollen.   Die Landrätin beteuerte bezugnehmend auf das Landeswassergesetz, dass „wir genauso unglücklich sind wie Sie, wenn wir Vorgaben umsetzen müssen, die unklar sind”.
Deutungshoheit über Themen behalten
Für Bernhard Krüsken, den neuen Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), war sein Referat gleichzeitig der Antrittsbesuch in Südbaden.
DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken referierte über die berufsständischen Herausforderungen auf Bundesebene.
Sein Thema lautete „Landwirtschaft und Verbandsarbeit im Spannungsfeld gesellschaftlicher Erwartungshaltung und betriebswirtschaftlicher Realität”. 
Für Krüsken steht angesichts der zukünftigen Anforderungen an die Branche fest,  dass die Landwirtschaft eine Schlüsselbranche des 21. Jahrhunderts ist.
Dabei seien die Herausforderungen gewaltig. Bereits heute bestimmten in allen wichtigen Produktbereichen die Weltmärkte das Geschäft.
Die nötige Ausrichtung  benannte er wie folgt: „Die Landwirtschaft muss nachhaltige Intensivierung betreiben.”
BLHV-Vizepräsident Franz Käppeler regte in seinem Schlusswort an, dass Behörden künftig stärker mit dem Bauernverband Kontakt suchen, um die praktische Umsetzbarkeit von Gesetzen und Verordnungen zu verbessern.
Bei Themen, die in der Öffentlichkeit kritisch gesehen werden, sei ein offensiver Dialog das Mittel der Wahl. Beispielhaft nannte Krüsken die berufsständische Tierwohlinitiative. Es müsse erreicht werden, dass die Landwirtschaft „die Deutungshohheit über ihre eigenen Themen behält.” Die neuesten Nahrungsmittel-Preissenkungen der Discounter wie Aldi und Lidl bezeichnete er als eine „ziemlich armselige Marketingstrategie”. Krüsken: „Die haben das nicht verstanden.”.
Diskussionsrunde um Aufreger-Themen für die Landwirtschaft
Talkrunde statt (zu) viele Grußworte: Landespolitiker und Jonas Kaufmann, der Vertreter des Bundes Badischer Landjugend, beantworteten Fragen der BLHV-Öffentlichkeitsreferentin und Pressesprecherin Anne Körkel. Es ging unter anderem um Preisdumping der Discounter bei Lebensmitteln, Flächenverbrauch, Junglandwirteförderung und das neue Landeswassergesetz.
 Das letztgenannte  Thema entpuppte sich als „Hauptaufreger” in der Runde.  Selbst der Grünen-Abgeordnete Martin Hahn (Wahlkreis Bodensee, links) bekundete, dass er nur unter der Voraussetzung den Restriktionen im Fünf-Meter-Streifen zugestimmt habe, dass landesweit maximal die 1400 bis 1600 Hektar bei Gewässern erster und zweiter Ordnung betroffen seien. „Wir haben hier eine klare Zusage aus dem Umweltministerium bekommen”, betonte der Abgeordnete. „Wenn das in Größenordnungen vom Faktor 10 ginge, wäre das für die Landwirtschaft nicht darstellbar.” Da müsse man sagen: „Leute, so gehts nicht.” Kritik äußerte er an den unteren Verwaltungsbehörden: „Die überziehen.”
 Sein FDP-Kollege Friedrich Bullinger (Dritter von links) bekundete, er habe nicht zugestimmt, weil er wisse, wie Gesetze nach unten hin verändert werden können. Karl Rombach (rechts), der in dieser  Runde nicht als BLHV-Vizepräsident auftrat, sondern  den verhinderten CDU-Landtagskollegen Patrick Rapp vertrat, sagte: „Es ist ein Murks, wie das Gesetz entstanden ist.” Er kündigte eine Landtagsinitiative gegen das Gesetz an.