Betrieb und Wirtschaft | 03. März 2016

Familie, Betrieb und die Balance

Von Hans Hörl
Die Balance halten können zwischen einem guten Umgang mit sich selbst und der Wirtschaftlichkeit des Betriebes ist ein zentrales Element bei der Führung eines landwirtschaftlichen Familienbetriebes.
Rolf Brauch rief dazu auf, Konflikte in der Familie rechtzeitig anzugehen und Problemen nicht etwa auszuweichen.
Diese Grundhaltung  vertrat Rolf Brauch, Regionalbeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Baden und Bildungsreferent an der Ländlichen Heimvolkshochschule Neckarelz, beim  Kreislandwirtschaftstag in Tiengen.  Brauch stellte sein Referat bei der Veranstaltung des BLHV-Kreisverbandes Freiburg und des Maschinenrings Breisgau unter den Titel „Landwirtschaft unter Volllast – wenn der Betrieb rennt und das Leben nicht mithält”. Er wolle dabei helfen, dass die Balance gelinge zwischen dem gutem Umgang mit sich selbst und der Ökonomie. „Ökonomismus macht krank – man hat nur noch die Hektar und die Kilowatt im Kopf”, sagte er.
Es sei wichtig, das Leben als sinnstiftend zu erleben. Bereits Archimedes habe um die Bedeutung eines festen Halts gewusst: „Gib mir einen festen Punkt, und ich hebe die Welt aus den Angeln.” Es gebe eine Sehnsucht nach Entschleunigung und Halt in wechselhaften Zeiten.
Ehe-TÜV kam zu spät
„Der Humus des Lebens sind gelingende familiäre Beziehungen. Diese Aufgabe delegieren  Männer häufig an die Frauen. Männer brauchen große Schlepper, um den Hof schnell verlassen und familiären Problemen aus dem Weg gehen zu können”, sagte Brauch.
Er  berichtete aus seiner Erfahrung als Berater: Das Betriebsleiterehepaar eines gut laufenden Betriebes kam zum „Ehe-TÜV”, weil die Ehefrau unzufrieden war. Was nutze der Erfolg, wenn man ihn nicht genießen könne? Der Rat lautete, jede Woche etwas gemeinsam zu unternehmen.
Das tat der Frau gut; der Mann rang sich das ab. Nach einiger Zeit war die Frau aber weg, weil das veränderte Verhalten erzwungen war und zu spät kam, wie Brauch feststellte. Aus diesem und weiteren Beispielen zog  er den Schluss: „Wenn alles schon lichterloh brennt, hilft keine Feuerwehr mehr. Man muss beizeiten an den Konflikt herangehen.”
Sicco Mansholt habe als EU-Kommisar in den 1960er-Jahren Deutschland bereist und die Devise „Wachsen oder Weichen” verkündet. Dahinter stecke das Kostendegressionsgesetz.  Es gebe jedoch Alternativen:
  • Sei nicht zu groß. Manche Landwirte im Osten scheitern am Größenwahn. Die Tierhalter im Allgäu dagegen wissen: Überschaubarkeit schafft ökonomische Effizienz.
  • Sei allein groß: Ellbogen raus und auf der Seele Hornhaut. In offenen Gesellschaften gibt es dabei kein Ende; unendliches Wachstum ist optimal. Brauch sagte dazu: „Es ist nur die Frage: Halten Herz und Geldbeutel ein solches Wachstum aus?”
  • Gemeinsam, also in Kooperationen, groß sein sei  die Verbindung von Lebensqualität und ökonomischer Effizienz. Dazu gehört, auch einmal mit der Familie wegzufahren oder seine Grippe auszukurieren.
  • „Sei allein klein und besonders” und „Sei gemeinsam klein und besonders” stellen weitere Möglichkeiten dar.
  • Ziehe dich geordnet zurück: Sieht man mit dem Betrieb keinen Weg in die Zukunft, kann es sinnvoll sein, den Betrieb auslaufen zu lassen und die Abschreibungen zu „vervespern”, statt ständig neu zu investieren.  Eine schnelle Betriebsaufgabe freue nur das Finanzamt.
Steuern sparen kann nicht die Devise sein
Zur Hofübergabe meinte Brauch: „Steuern sparen ist die Erotik alternder Männer. Hauptsache, Steuern sparen, kann nicht die Devise sein.” Respekt und Wertschätzung drückten bei der Hofübergabe folgende Sätze aus: „Ich schenke dir mein Vermögen gern, mach auf deine Weise das Beste daraus.” Wenn Kinder sich für das erwiesene Vertrauen bedanken, werde das Herz weit und zufrieden. Jede Generation gehe ihren eigenen Weg.  Sie habe zudem das Recht auf Ungehorsam und eigene Gestaltung.
Als Folgerungen nannte Brauch drei „B”: Biographie,  Bildung, Balance. Mit Biographie bezeichnete Brauch die Tatsache, dass es verschiedene Aufgaben in verschiedenen Lebensphasen gebe: In Phase 1  sei es wichtig,  Bildung zu erwerben und damit Handlungskompetenz. Fremderfahrungen seien wichtig. Bauernsöhne bezeichnete Brauch als die verwöhntesten der Republik. Er forderte: „Die Kinder müssen raus. Das ist ihnen arbeitswirtschaftlich und ökonomisch zu ermöglichen.”
In Phase 2  laute die Frage: Wer geht mit mir durch das Leben? Nicht: Wer schafft mit mir?
„Damit die Kerle loslassen”
Mit Phase 3 folgten 25 Jahre, in denen man den Turbo einschaltet. Danach  solle man nicht den Partner, sondern den Blickwinkel wechseln. Der Mann hat in diesem Alter meist nur noch den Betrieb im Blick.  „Die Aufgabe der Frau ist,  ihm zu zeigen, dass das Leben mehr ist als Arbeit – damit die Kerle loslassen”, sagte Brauch.
Balance bedeute, in vier Lebensbereichen zuhause zu sein:
  • Körper und Gesundheit: „Pflege deine Gesundheit! Frauen haben da eine andere Beziehung: Sie sind Körper, der Mann hat einen Körper; er vermeidet Vorsorge und ‚Reparaturen‘, denn die kosten Geld, so Brauch. Man solle achtsam zu sich selbst sein, Pausen machen, genießen; das bedeute Lebensqualität.
  • Leistung bringen und Lebenserfolge planen:  Dabei müsse man das tun, was einem wichtig sei. Dazu könne auch so etwas gehören wie der Motorradführerschein.
  • Familie: In den Pionierzeiten der USA scheiterte ein Treck an der Überquerung einer Passhöhe.  Dabei überlebte nicht der einzelne, starke, junge Mann, sondern die Menschen mit den stärksten familiären Beziehungen.  „Wir brauchen Gefährten auf dem Weg der Gefährdung”,  so Brauch.
  • Finde einen Lebenssinn. Auf die Frage bei einer Krebserkrankung  „Warum ich?” werde man keine Antwort erhalten. Geheilt ist man hinsichtlich Trauer, wenn nicht „warum” gefragt wird. „Es geht um die Frage, woher ich komme, wohin ich gehe und was mich trägt”, so Brauch.
Stabilisatoren für eine gelingende Partnerschaft seien:
  • Ehen brauchen einen klaren Rahmen und Gemeinsamkeiten, die gepflegt werden, gerade in den Wechseljahren.
  • Viele gemeinsame Aktivitäten sind wichtig. Ehe-Jubilaren zufolge war das gemeinsam Erlebte entscheidend. Dazu gehört, sich „draußen” zu zeigen.Man darf den anderen nicht ändern wollen.
  • Verzeihen und versöhnen können.
Familie brauche Liebe, Nähe, Geborgenheit, der Unternehmer Zahlen, Daten, Fakten aus der Buchführung, die Familie erfordere die Präsenz, das Da-Sein; das Unternehmen das Effizienzdenken und Ziele.
In der Ehe mache man einander das Versprechen der Stabilität. Für das Unternehmen zähle, was sich lohnt. „Man muss in beiden Systemen Profi sein”, meinte Brauch. Der Familienbetrieb müsse mit der Durchmischung beider Systeme leben.
Bei den unternehmerischen Kompetenzen sei die Arbeitswirtschaft ein entscheidendes Thema. Es sei verbunden mit der Lebensqualität. Ebenso wichtig sei  das Kostenmanagement: „Jeder eingesparte Euro ist ein Euro Gewinn mehr.”   Außerdem müsse man als Unternehmer  vom Markt her denken und überlegen, was nachgefragt und was dafür bezahlt wird.
Es gehe nur gemeinsam gut in die Zukunft; es gelte,  Kooperationen einzugehen und mehr Nachbarschaft zu leben. Dadurch lasse sich auch vermeiden, dass man sich gegenseitig die Pachtpreise in die Höhe treibt.