Betrieb und Wirtschaft | 09. März 2016

Export und Regionalität - beides ist wichtig

Von René Bossert
Jahre mit kleinen Ernten sind für Obst- und Gemüseerzeuger meist die besseren. Das bewahrheitete sich auch 2015, so dass die baden-württembergischen Erzeugergroßmärkte eine überwiegend positive Bilanz ziehen können. Beim Blick nach vorn gibt es allerdings einige Sorgenfalten.
485 Millionen (Mio.) Euro setzten die sieben genossenschaftlichen Erzeugergroßmärkte für Obst und Gemüse und  ihre fünf Vertriebsgesellschaften 2015 inklusive der internen Umsätze um, das ist ein Plus von 57 Mio. Euro oder gut  13%, wie Dr. Roman Glaser,  der Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbandes (BWGV), vergangene Woche vor Journalisten in Karlsruhe berichtete. Runde 20 Mio. Euro des Mehrumsatzes rühren davon her, dass die im Gemüsebereich tätige Vitfrisch eG, Neckarsulm, eine Genossenschaft in Nordrhein-Westfalen übernommen hat. Die Vitfrisch mit ihren 60 Mitgliedern kommt damit nun auf einen Umsatz von rund 106 Mio. Euro inklusive Handelsware, sagte Geschäftsführer Albrecht Stein.
Informierten über die Lage bei den Erzeugergenossenschaften in Baden-Württemberg (von links): Wendelin Obrecht, Roman Glaser, Albrecht Stein und Ansgar Horsthemke.

Neben der Vitfrisch und den vormals im Marktkontor Baden vereinigten Märkten in Bruchsal, Oberrotweil, Oberkirch und auf der Insel Reichenau sind auch die Marktgemeinschaft Bodenseeobst, Friedrichshafen, und die Württembergische Obstgenossenschaft, Ravensburg, in das genannte Umsatzvolumen mit einbezogen. 
250000 Tonnen Obst und 88000 Tonnen Gemüse wurden abgesetzt, das ist ein Minus von 11% beim Obst. Die Gemüsemenge blieb auf Vorjahresniveau. „Eine kleine Ernte, gute Erlöse und hervorragende Qualität”, fasste Glaser die Saison zusammen. Wermutstropfen waren bei einigen Kulturen höhere Bewässerungskosten durch die Trockenheit.  
Äpfel, Erdbeeren und Tomaten waren erneut die wichtigsten Umsatzträger (siehe Tabelle). Zufrieden könne man mit der Saison bei Spargel und Erdbeeren sein, so Glaser. Besonders gut lief es bei Zwetschgen, wo ein hoher durchschnittlicher Kilopreis von 76 Cent für einen Umsatzsprung um 43% sorgte.
Die Apfelvermarktung litt unter der hohen Ernte aus 2014, so dass sich erst mit der Vermarktung der neuen Ernte die Preise befestigen konnten. Eine Belastung für die baden-württembergischen Erzeuger sei der russische Einfuhrstopp für Lebensmittel aus der EU. Auch wenn Deutschland selbst nur vergleichsweise wenig nach Russland exportierte, so wirke sich doch der zunehmende Absatzdruck europäischer Mitbewerber stark auf den deutschen Markt aus.  Der Exportanteil unserer Erzeugermärkte liege unter 10% und der Hauptanteil davon im europäischen Ausland.   
Mit Blick auf die Zukunft sei bei Äpfeln der Export aus der EU heraus wichtig, betonte Glaser. Aber mit Blick auf den Trend zur Regionalität gelte auch: Man müsse das eine tun, aber das andere nicht lassen.
Äpfel nach Asien
Asien, Brasilien und Kanada seien Länder mit Potenzial. 2 bis 2,5 Millionen Tonnen Äpfel müssten jährlich aus der EU heraus exportiert werden, sehe man sich die Prognosen für die kommenden Jahre an. Der Apfelkonsum in der EU sei jährlich rund 2%  rückläufig. „Das sind 150000 Tonnen im Jahr, das sind Dimensionen, die man sich deutlich machen muss”, betonte Glaser.  Wendelin Obrecht, Vorstandsvorsitzender des Obstgroßmarktes Mittelbaden, forderte stärkere Bemühungen beim Export, wo hohe Wertschöpfung möglich sei. Polen sei schon weiter. Oft gebe es phytosanitäre Hindernisse. 
Eine große Herausforderung bleibe der Mindestlohn in Verbindung mit bürokratischen Vorgaben durch das  Arbeitszeitgesetz. „Wer Regionalität will, muss sie auch möglich machen”, forderte Glaser mit Blick auf Wettbewerbsvorteile für ausländische Mitbewerber.  Mit Blick auf das Arbeitszeitgesetz forderte er Erleichterungen, ohne dass jährliche Ausnahmen genehmigt werden müssten.
Die Kostensteigerungen bleiben bei den Betrieben hängen. Sehr arbeitsintensive Kulturen wie Beerenobst werden in die Bredouille kommen. „Wir werden in drei Stufen an den gesetzlichen Mindestlohn herangeführt”,  rief  Wendelin Obrecht in Erinnerung und befürchtete: „Die Betriebe fallen jetzt noch nicht um, in zwei bis drei Jahren kommt es zum Schwur.” Man fordere nach wie vor, dass abgesenkte Mindestlöhne für osteuropäische Saison-Arbeitskräfte möglich sein müssten.  
Motivation entscheidend
 Was die Beschäftigung von Flüchtlingen als Erntehelfer angeht, berichtete Obrecht über Gespräche mit dem Landratsamt im Ortenaukreis. Grundsätzlich wolle man sich dem Thema nicht verschließen, als Ergänzung zu den bewährten Kräften sei eine Beschäftigung denkbar. Entscheidend sei die Motivation der Arbeitskräfte und dass bürokratische Hemmnisse aus dem Weg geräumt würden. Albrecht Stein erinnerte an negative Erfahrungen beim Versuch, Arbeitslose als Erntehelfer einzusetzen.
Durch die ab diesem Jahr notwendige Zertifizierung für alle Anlieferer durch die Vorgaben der Abnehmer erwartet der Generalbevollmächtigte des BWGV, Dr. Ansgar Horsthemke, einen merklichen Effekt bei den Mitgliederzahlen mancher Genossenschaften: „Es trifft Klein- und Kleinsterzeuger”, sagte er. Beim Obstgroßmarkt Mittelbaden seien rund 300 Zwetschgenerzeuger betroffen, berichtete Wendelin Obrecht. Rund 7% der Erntemenge seien bisher nicht zertifiziert gewesen. Das tue dem OGM, was die Lieferfähigkeit angehe, nicht wirklich weh, sei aber eben auch ein emotionales Thema.