Am Mittwoch dieser Woche sind die Ergebnisse des strategischen Dialogs zur Zukunft der europäischen Landwirtschaft offiziell vorgestellt worden.
Der Dialog-Vorsitzende Professor Peter Strohschneider übergab den Abschlussbericht am 4. September an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Wie erwartet deckt der 110-seitige Abschlussbericht, erstellt unter Leitung des Dialog-Vorsitzenden Professor Peter Strohschneider, ein breites Spektrum an Themen ab. Wichtige Punkte sind unter anderem die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), das Thema Tierhaltung, Stärkung der Position der Landwirte in der Lebensmittelwertschöpfungskette sowie Finanzierungsmöglichkeiten.
Von der Leyen kündigt Fahrplan an
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die die
Ergebnisse des Strategiedialogs von Strohschneider entgegennahm,
kündigte an, dass die Resultate in eine Roadmap für die EU-Agrarpolitik
einfließen sollen. Dieser Fahrplan soll ihren Worten zufolge bereits in
den ersten 100 Tagen nach Amtsantritt des neuen Kommissarskollegiums
vorgestellt werden. Der Start der neuen Kommissare wird entweder am 1.
November oder möglicherweise ein bis zwei Monate später erfolgen.
Ein besonders kontroverses Thema im Strategiedialog war dem Vernehmen
nach die künftige Ausgestaltung der GAP. Die 29 Teilnehmer des
Gesprächsformats, darunter unter anderem die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (Copa) und ländlichen Genossenschaften (Cogeca) sowie
Greenpeace, empfehlen nun ein stärkeres Augenmerk auf eine
„zielgerichtete Ausgestaltung”. Das derzeitige Konzept müsse angepasst
werden, um aktuellen und künftigen Herausforderungen gerecht zu werden.
Die Entwicklung der Agrar- und Ernährungssysteme in eine nachhaltigere,
wettbewerbsfähigere, profitablere und vielfältigere Zukunft müsse
beschleunigt werden. Gerade im Hinblick auf den EU-Erweiterungsprozess
sei dies entscheidend, heißt es im Abschlussbericht. Um die
Anforderungen der EU in den Bereichen Landwirtschaft und
Lebensmittelerzeugung, Entwicklung des ländlichen Raums,
Klimaneutralität und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt zu
erreichen, bedürfe es „eines eigenen und angemessenen Budgets”.
Mehr Mittel nötig
Aus Sicht der Teilnehmer des strategischen Dialogs
bedeutet dies, dass die finanzielle Unterstützung für Umwelt- und
Klimaschutzmaßnahmen in den beiden kommenden GAP-Finanzierungsperioden
jährlich und substanziell aufgestockt werden müsse. Laut dem
Strategiedialog muss vor allem der Anteil der Haushaltsmittel für
Öko-Regelungen sowie Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen „deutlich”
aufgestockt werden. Strohschneider selbst forderte, die Eco-Schemes „so
stark wie möglich” auszugestalten.
Auf der Grundlage der wirtschaftlichen Tragfähigkeit
landwirtschaftlicher Betriebe sollte die GAP sehr viel gezielter
Einkommensstützung „für bestimmte aktive Landwirte” bieten. Um
ausreichende finanzielle Mittel für den Übergang zu mehr Nachhaltigkeit
zu gewährleisten, wird in dem Report vorgeschlagen, öffentliches ebenso
wie privates Kapital zu mobilisieren. Zusätzlich zum GAP-Haushalt wird
das Errichten eines „befristeten Agrarfonds für faire Weiterentwicklung
des Agrar- und Ernährungssystems (Agrifood Just Transition Fund – AJTF)
angeregt.
Öffentlicher und privater Sektor sollten dem Bericht zufolge besser
zusammenarbeiten, um Kapital für Projekte zu mobilisieren, die sowohl
kleinen wie auch größeren Betrieben und anderen Akteuren des
Ernährungssektors den Übergang zu nachhaltigeren Verfahren und Systemen
ermöglichen. Die Europäische Investitionsbank (EIB) wird aufgefordert,
ein sektorspezifisches Sonderkreditprogramm auf den Weg zu bringen.
Ein wesentlicher Fokus richtet sich auf eine gestärkte Position der
Landwirte in der Lebensmittelwertschöpfungskette. Die Akteure werden zu
engerer Zusammenarbeit „ermutigt”, um Kosten zu senken, die Effizienz zu
steigern und Marktpreise sowie das Einkommen zu verbessern. Dazu
müssten auch unlautere Handelspraktiken weiter bekämpft werden.
Mehr Tierschutz
Im Hinblick auf eine nachhaltige Tierhaltung wird eine
entsprechende EU-Strategie empfohlen. Dies sollte auf Grundlage
fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Beteiligung aller
relevanten Interessenvertretungen geschehen. Wichtig seien konkrete
Handlungsansätze wie finanzielle Unterstützung von Investitionen,
Beratung und Schulung.
In Gebieten mit hoher Besatzdichte werden regional spezifische und
langfristige Lösungsansätze gefordert. Beispielsweise könnten private
Agrarfonds die Reduzierung der Tierbestände mit vorantreiben. Darüber
hinaus wird auf eine Überarbeitung der Vorschriften zum Tierwohl
gedrängt. Zudem wird darauf gepocht, dass es nun Gesetzesinitiativen
zur EU-weiten Herkunftskennzeichnung von tierischen Produkten geben
soll.
Im Hinblick auf die ökologische Nachhaltigkeit fordert der Bericht
„rasche, ehrgeizige und praktikable Maßnahmen auf allen Ebenen”. So
müsse sichergestellt werden, dass der Sektor innerhalb der planetaren
Belastbarkeitsgrenzen wirtschaftet. Ein besonderes Augenmerk wird auf
den Schutz und die Wiederherstellung des Klimas, der Ökosysteme und der
natürlichen Ressourcen, einschließlich Wasser, Boden, Luft,
Biodiversität und Landschaften, gerichtet. Ein wichtiger Beitrag sei in
diesem Zusammenhang die Reduzierung von externem Input wie Mineraldünger
und Pflanzenschutzmittel. Dazu seien Verbesserungen der
Nährstoffbewirtschaftung, zur Förderung der Dekarbonisierung
mineralischer Düngemittel sowie zur Entwicklung und Nutzung der
biologischen Schädlingsbekämpfung notwendig.
Flächenverbrauch den Kampf ansagen
Des Weiteren widmet sich der Strohschneider-Bericht dem
Thema Flächenverbrauch. So sollte die Europäische Kommission gemeinsam
mit den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament ein rechtsverbindliches
Ziel festlegen, um bis 2050 einen Netto-Null-Flächenverbrauch zu
erreichen. Darüber hinaus sollte die EU-Kommission eine neue Europäische
Beobachtungsstelle für landwirtschaftliche Flächen einrichten. Außerdem
seien Maßnahmen erforderlich, um die Anpassung der Landwirtschaft an
sich verändernde klimatische und ökologische Bedingungen zu erleichtern.
Ferner seien eine angemessene finanzielle Unterstützung und bessere
Ausbildung von Junglandwirten entscheidend.