Politik | 05. September 2024

Europäisches Zukunftskonzept für die Landwirtschaft

Von AgE
Am Mittwoch dieser Woche sind die Ergebnisse des strategischen Dialogs zur Zukunft der europäischen Landwirtschaft offiziell vorgestellt worden.
Der Dialog-Vorsitzende Professor Peter Strohschneider übergab den Abschlussbericht am 4. September an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Wie erwartet deckt der 110-seitige Abschlussbericht, erstellt unter Leitung des Dialog-Vorsitzenden Professor Peter Strohschneider, ein breites Spektrum an Themen ab. Wichtige Punkte sind unter anderem die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), das Thema Tierhaltung, Stärkung der Position der Landwirte in der Lebensmittelwertschöpfungskette sowie Finanzierungsmöglichkeiten.
Von der Leyen kündigt Fahrplan an
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die die Ergebnisse des Strategiedialogs  von Strohschneider entgegennahm, kündigte  an, dass die Resultate in eine Roadmap für die EU-Agrarpolitik einfließen sollen. Dieser Fahrplan soll ihren Worten zufolge bereits in den ersten 100 Tagen nach Amtsantritt des neuen Kommissarskollegiums vorgestellt werden. Der Start der neuen Kommissare wird entweder am 1. November oder möglicherweise ein bis zwei Monate später erfolgen.
Ein besonders kontroverses Thema im Strategiedialog war dem Vernehmen nach die künftige Ausgestaltung der GAP. Die 29 Teilnehmer des Gesprächsformats, darunter unter anderem die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (Copa) und ländlichen Genossenschaften (Cogeca) sowie Greenpeace, empfehlen nun ein stärkeres Augenmerk auf eine „zielgerichtete Ausgestaltung”. Das derzeitige Konzept müsse angepasst werden, um aktuellen und künftigen Herausforderungen gerecht zu werden. Die Entwicklung der Agrar- und Ernährungssysteme in eine nachhaltigere, wettbewerbsfähigere, profitablere und vielfältigere Zukunft müsse beschleunigt werden. Gerade im Hinblick auf den EU-Erweiterungsprozess sei dies entscheidend, heißt es im Abschlussbericht. Um die Anforderungen der EU in den Bereichen Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung, Entwicklung des ländlichen Raums, Klimaneutralität und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt zu erreichen, bedürfe es „eines eigenen und angemessenen Budgets”.
Mehr Mittel nötig
Aus Sicht der Teilnehmer des strategischen Dialogs bedeutet dies, dass die finanzielle Unterstützung für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen in den beiden kommenden GAP-Finanzierungsperioden jährlich und substanziell aufgestockt werden müsse. Laut dem Strategiedialog muss vor allem der Anteil der Haushaltsmittel für Öko-Regelungen sowie Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen „deutlich” aufgestockt werden. Strohschneider selbst forderte, die Eco-Schemes „so stark wie möglich” auszugestalten.
Auf der Grundlage der wirtschaftlichen Tragfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe sollte die GAP sehr viel gezielter Einkommensstützung „für bestimmte aktive Landwirte” bieten. Um ausreichende finanzielle Mittel für den Übergang zu mehr Nachhaltigkeit zu gewährleisten, wird in dem Report vorgeschlagen, öffentliches ebenso wie privates Kapital zu mobilisieren. Zusätzlich zum GAP-Haushalt wird das Errichten eines „befristeten Agrarfonds für faire Weiterentwicklung des Agrar- und Ernährungssystems (Agrifood Just Transition Fund – AJTF) angeregt.
Öffentlicher und privater Sektor sollten dem Bericht zufolge besser zusammenarbeiten, um Kapital für Projekte zu mobilisieren, die sowohl kleinen wie auch größeren Betrieben und anderen Akteuren des Ernährungssektors den Übergang zu nachhaltigeren Verfahren und Systemen ermöglichen. Die Europäische Investitionsbank (EIB) wird aufgefordert, ein sektorspezifisches Sonderkreditprogramm auf den Weg zu bringen.
Ein wesentlicher Fokus richtet sich auf eine gestärkte Position der Landwirte in der Lebensmittelwertschöpfungskette. Die Akteure werden zu engerer Zusammenarbeit „ermutigt”, um Kosten zu senken, die Effizienz zu steigern und Marktpreise sowie das Einkommen zu verbessern. Dazu müssten auch unlautere Handelspraktiken  weiter bekämpft werden.
Mehr Tierschutz
Im Hinblick auf eine nachhaltige Tierhaltung wird eine entsprechende EU-Strategie empfohlen. Dies sollte auf Grundlage fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Beteiligung aller relevanten Interessenvertretungen geschehen. Wichtig seien konkrete Handlungsansätze wie finanzielle Unterstützung von Investitionen, Beratung und Schulung.
In Gebieten mit hoher Besatzdichte werden regional spezifische und langfristige Lösungsansätze gefordert. Beispielsweise könnten private Agrarfonds die Reduzierung der Tierbestände mit vorantreiben. Darüber hinaus wird auf eine Überarbeitung der Vorschriften zum Tierwohl gedrängt.  Zudem wird darauf gepocht, dass es nun Gesetzesinitiativen zur EU-weiten Herkunftskennzeichnung von tierischen Produkten geben soll.
Im Hinblick auf die ökologische Nachhaltigkeit fordert der Bericht „rasche, ehrgeizige und praktikable Maßnahmen auf allen Ebenen”. So müsse sichergestellt werden, dass der Sektor innerhalb der planetaren Belastbarkeitsgrenzen wirtschaftet. Ein besonderes Augenmerk wird auf den Schutz und die Wiederherstellung des Klimas, der Ökosysteme und der natürlichen Ressourcen, einschließlich Wasser, Boden, Luft, Biodiversität und Landschaften, gerichtet. Ein wichtiger Beitrag sei in diesem Zusammenhang die Reduzierung von externem Input wie Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel. Dazu seien Verbesserungen der Nährstoffbewirtschaftung, zur Förderung der Dekarbonisierung mineralischer Düngemittel sowie zur Entwicklung und Nutzung der biologischen Schädlingsbekämpfung notwendig.
Flächenverbrauch den Kampf ansagen
Des Weiteren widmet sich der Strohschneider-Bericht dem Thema Flächenverbrauch. So sollte die Europäische Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament ein rechtsverbindliches Ziel festlegen, um bis 2050 einen Netto-Null-Flächenverbrauch zu erreichen. Darüber hinaus sollte die EU-Kommission eine neue Europäische Beobachtungsstelle für landwirtschaftliche Flächen einrichten. Außerdem seien Maßnahmen erforderlich, um die Anpassung der Landwirtschaft an sich verändernde klimatische und ökologische Bedingungen zu erleichtern. Ferner seien  eine angemessene finanzielle Unterstützung und bessere Ausbildung von Junglandwirten entscheidend.