Politik | 20. Dezember 2018

EU-Agrarminister wollen mehr Kompetenzen

Von AgE
Im Hinblick auf die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nach 2020 fordern die Landwirtschaftsminister der Mitgliedstaaten offenbar noch mehr Subsidiarität, als ihnen laut den Plänen von EU-Agrarkommissar Phil Hogan ohnehin schon eingeräumt werden soll.
Reichlich Meinungsstreit um Kompetenzen und Geld gibt es derzeit wegen der GAP nach 2020.
Zu diesem Schluss kommt zumindest Österreichs Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger in dem Sachstandsbericht zur GAP-Reform, den sie als Ratspräsidentin am Montag dieser Woche beim Agrarrat in Brüssel vorstellte. Der Report fasst die  agrarpolitischen Ergebnisse während der jetzt endenden österreichischen Ratspräsidentschaft zusammen. Demzufolge sollen die EU-Staaten selbst entscheiden können, welche agrarpolitischen Ziele sie mit dem nationalen Strategieplan adressieren oder ob sie das Konzept des „echten Landwirtes” anwenden.
EU-Agrarkommissar Hogan zeigte sich überzeugt, dass mit Blick auf eine „Systemumkehr der GAP” hin zu mehr Leistungsorientierung deren Effizienz steige. Dies gelte zum einen mit Blick auf die Bedürfnisse der Landwirte; zum anderen könnten die umweltpolitischen Ziele der GAP so besser erreicht werden, erklärte der Ire. Derweil stellte sich die deutsche Delegation, geführt von Staatssekretär Hermann Onko Aeikens vom Bundeslandwirtschaftsministerium, zumindest im Hinblick auf deren stärkere Ergebnisorientierung hinter die Vorschläge der EU-Kommission.
Diskussionsbedarf gebe es aus deutscher Sicht noch hinsichtlich der vorgesehenen verpflichtenden Obergrenze für die Direktzahlungen, erklärte Aeikens. Darüber hinaus bestehe noch Klärungsbedarf wegen der Bund-Länder-Kompetenzen und der  Zuständigkeiten für die nationalen Strategiepläne. Auch eine bessere Abstimmung der verschiedenen Instrumente einer grünen GAP-Architektur aufeinander werde von deutscher Seite vermisst.
Vielstimmiges „Ja, aber...”
Dem Sachstandsbericht der Ratspräsidentschaft zufolge ist hinsichtlich des neuen Umsetzungsmodells und dessen Leistungsaspekten deutlich geworden, dass die Delegationen den vorgeschlagenen Systemwechsel im Prinzip unterstützen. Zu den Plänen der Kommission nach einer verpflichtenden Obergrenze der Direktzahlungen habe eine „Vielzahl” der Mitgliedstaaten gefordert, dass diese Bestimmung freiwillig ausgestaltet werden sollte, heißt es in dem Bericht der österreichischen Ratspräsidentschaft.
Die vorgeschlagene Konditionalität in der Ersten Säule enthalte aus Sicht der Mitgliedsländer zu wenig Spielraum. Auch die Anforderungen an die GAP-Strategiepläne werden von vielen Delegationen als zu umfassend und detailliert beurteilt. Befürchtet werde, dass die Umsetzung dieser Pläne schlussendlich noch komplexer als die derzeitigen Programme für die ländliche Entwicklung werden könnte. Die Mitgliedstaaten hätten daher weniger Regelungen und mehr Flexibilität gefordert, so die Österreicher in ihrer Zusammenfassung.
In ihren Forderungen zur GAP nach 2020 relativ deutlich wurden die Delegationen verschiedener östlicher Mitgliedstaaten, allen voran die baltischen Staaten und Polen. So pochten Litauen, Lettland und Estland erneut auf eine stärkere Angleichung der Direktzahlungen zwischen den Mitgliedstaaten. Belgiens Agrarminister Denis Ducarme verwies auf die Unterschiede bei den Lebenshaltungs- und Lohnkosten und forderte, dass bei einer Anpassung der Direktbeihilfen auch diese berücksichtigt werden müssten.
Erste Hektare Chefsache
Erneut brachten mehrere Delegationen die von der Kommission beabsichtigten Kürzungen am zukünftigen GAP-Budget zur Sprache. Besonders Frankreichs Minister Didier Guillaume erinnerte in dem Zusammenhang an die Ziele der EU-Agrarpolitik. Dazu gehöre die Sicherstellung der „Lebensmittelsouveränität”; dafür sei eine ausreichende Mittelausstattung unverzichtbar. Auch eine Umstellung auf einen „agroökologischen Ansatz” sei für die Landwirte mit Mehrausgaben verbunden, wofür diese entschädigt werden müssten.
Die Entscheidung über eine mögliche Obergrenze der Direktzahlungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 werden bei den Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für 2021 bis 2027 von den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Rat getroffen. Ferner wurde auf dem Agrarratstreffen in Brüssel bestätigt, dass eine mögliche Umverteilung und stärkere Förderung der ersten Hektare ebenfalls dort entschieden werden soll. Begründet wird dies mit den Auswirkungen beider Instrumente auf die Verteilung der Agrargelder auf die einzelnen Mitgliedstaaten.
Mehrjähriger Finanzrahmen noch in weiter Ferne
Die Appelle von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger und EU-Agrarkommissar Phil Hogan, eine Einigung über den kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) noch vor den Europawahlen im Mai zu finden, sind offenbar ungehört verhallt. Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten wollen erst im „Herbst 2019” eine Einigung für die EU-Finanzperiode 2021 bis 2027 erreichen. Das zumindest besagen die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, der am 14. Dezember in Brüssel zu Ende ging.
Für die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 bedeutet dies, dass es auch darüber vorerst keine Klarheit geben kann. Zwar ist von Agrarpolitikern des Europaparlaments sowie aus dem Agrarrat zu hören, dass man sich in den Grundlinien zur GAP bereits vorher einigen wolle; allerdings hänge die genaue Ausgestaltung doch von dem zur Verfügung stehenden Agrarbudget ab.
Es wird in Brüssel aber auch nicht gänzlich ausgeschlossen, dass es im Falle eines möglicherweise neuen EU-Agrarkommissars nach den Europawahlen im kommenden Jahr einen abgeänderten oder sogar völlig neuen GAP-Vorschlag geben könnte. Dies würde zu weiteren Verzögerungen führen. Haushaltskommissar Oettinger hatte im Mai  dieses Jahres eine Kürzung für den EU-Agrarhaushalt von fünf Prozent vorgeschlagen. Dieser würde demnach nur noch einem Anteil von gut 32 Prozent am gesamten MFR entsprechen. Zurzeit liegt der Anteil bei gut 38 Prozent.