Land und Leute | 14. Dezember 2017

Erste Bilanz für die doppelte Ernte

Von René Bossert
Eine positive Zwischenbilanz zu einem Praxistest von Agrophotovoltaik haben die Uni Hohenheim und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme gezogen. Eine Pilotanlage am Bodensee habe gezeigt, dass Strom- und Nahrungsmittelproduktion auf einem Acker gut miteinander vereinbar seien.
Seit einem Jahr wird  auf einer Versuchsfläche der Hofgemeinschaft Heggelbach in Herdwangen-Schönach eine Agrophotovoltaikanlage getestet. Über einer Ackerfläche von einem Drittel Hektar wurden dort Solarmodule installiert. In dem Projekt werden erstmals unter Realbedingungen die wirtschaftlichen, technischen, gesellschaftlichen und ökologischen Aspekte der Technologie an einer Pilotanlage wissenschaftlich untersucht.
Als Testkulturen wurden auf dem Demeter-Betrieb Winterweizen, Kartoffeln, Sellerie und Kleegras angebaut. Durch einen größeren Reihenabstand zwischen den 720 bifazialen (zweiseitigen) Glas-Glas-Solarmodulen in fünf Meter Höhe und die Ausrichtung nach Südwesten wurde sichergestellt, dass die Nutzpflanzen gleichmäßig Sonnenstrahlung erhalten. Bifaziale Solarmodule gewinnen Strom nicht nur auf der Vorderseite, sondern nutzen auch die von der Umgebung reflektierte Strahlung auf der Rückseite.
Die Solarmodule sind bei der Versuchsanlage in Heggelbach in fünf Meter Höhe angebracht.

„Die Ergebnisse des ersten Projektjahres sind ein voller Erfolg, da sich die Anlage als praxistauglich erwiesen hat und  die Kosten bereits heute mit kleinen Solar-Dachanlagen wettbewerbsfähig sind”, bilanziert Stephan Schindele, Projektleiter Agrophotovoltaik am Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme.
Kaum Einbußen bei Kleegras
Bei den landwirtschaftlichen Kulturen ergab sich folgendes Bild: Beim Kleegras ist der Ertrag im Vergleich zur nicht beschatteten Referenzfläche um 5,3 % reduziert. Bei Kartoffeln, Weizen und Sellerie sind die Ernteverluste durch die Beschattung mit rund 18 bis 19 % größer. Mit der installierten Leistung von 194 Kilowatt können 62 Vier-Personen-Haushalte versorgt werden.
In den ersten zwölf Monaten hat die Photovoltaik-Anlage 1266 Kilowattstunden Strom pro installiertem Kilowatt Leistung geerntet. Dieses Ergebnis liegt ein Drittel über dem deutschlandweiten Durchschnitt von 950 Kilowattstunden pro Kilowatt.
Ziel 70 Prozent Eigennutzung
Die Stromernte vom Acker passe in ihrem täglichen Verlauf gut zu den Lastverläufen auf dem Hof. So wurden etwa 40 % des erzeugten Solarstroms in der Hofgemeinschaft direkt für das Betanken des Elektrofahrzeugs sowie die Verarbeitung der Produkte genutzt. Im Sommer wurde die Last tagsüber fast komplett durch die Photovoltaik-Anlage beliefert.
Die Landwirte in Heggelbach planen, durch eine Optimierung ihres Verbrauchsverhaltens und den Einsatz eines Stromspeichers den Grad der Eigennutzung auf 70 % zu steigern. Den überschüssigen Strom nimmt der Projektpartner Elektrizitätswerke Schönau ab.
Mit  Agrophotovoltaik könne man neue Flächen für den Photovoltaik-Ausbau in Deutschland erschließen und gleichzeitig den Flächenkonflikt zwischen Landwirtschaft und Freiflächenanlagen mildern, meint Schindele. Bis zur Marktreife müssten jedoch noch weitere Sparten und Anlagengrößen getestet und die technische Integration vorangetrieben werden, zum Beispiel bei der Speicherung. Die Stromgestehungskosten bei der Agrophotovoltaik beziffert er auf derzeit rund 10,5 Cent pro Kilowattstunde, das sind knapp doppelt so viel wie bei herkömmlichen Freiflächenanlagen.
Dabei gebe es noch weiteres Optimierungspotenzial, so sei beispielsweise die Anlage in Heggelbach statisch überdimensioniert. Als sinnvolle Dimensionierung sieht Schindele Anlagen mit einer Leistung von 250 bis maximal 750 Kilowatt und plädiert dafür, dass Landwirte gemeinsam mit Energieversorgungsunternehmen investieren sollten. Um den für eine Markteinführung nötigen Nachweis der Funktionstüchtigkeit im Einsatz erbringen zu können, müsse man weitere Agrophotovoltaik-Anwendungen vergleichen, die Übertragbarkeit in andere Regionen demonstrieren und größere Anlagen realisieren, so Schindele.
Thema voranbringen
So sollen die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten unter anderem in Kombination mit Obst-, Beeren-, Wein- und Hopfenbau sowie mit Energiespeicher, organischer Photovoltaik-Folie und solarer Wasseraufbereitung und -verteilung untersucht werden. Neben Investitionen seitens der Industrie und der Forschungspolitik sei für die erfolgreiche Markteinführung der Agrophotovoltaik auch eine politische Steuerung notwendig.  
Leider fehle es an öffentlichen Mitteln, um das Thema voranzubringen, bedauert Schindele. Er nennt Japan, Frankreich und China als Beispiele für Länder, in denen man bei diesem Thema schon weiter voran sei. Das Fraunhofer ISE und das Wuppertal Institut haben  bereits 2014 in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Unterstützung der Universität Hohenheim vorgeschlagen, Agrophotovoltaik in Ausschreibungen in einer Testphase gesondert zu berücksichtigen.