Politik | 21. Januar 2016

Ernüchternde Lageberichte und kämpferische Zukunftsblicke

Von Walter Eberenz
Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), rechnet für die deutschen Bauern im laufenden Wirtschaftsjahr 2015/2016 insgesamt mit weiteren Einkommensrückgängen von 15 bis 20 Prozent. Dennoch ist er von der Landwirtschaft als Zukunftsbranche überzeugt.
Premiere bei den agrarpolitischen Fragerunden des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten (VDAJ) auf der Grünen Woche: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (Zweiter von links) und Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV, Zweiter von rechts) hielten sie gemeinsam ab. Grund war ein kurzfristig anberaumter Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck auf der Grünen Woche. Schmidt begleitete den Bundespräsidenten im eigentlich anberaumten Zeitraum seiner Fragestunde. Zudem im Bild (von links): Jens Urban, Pressesprecher Bundeslandwirtschaftsministerium, die VDAJ-Vorsitzende Professor Katharina Seuser und ihre Stellvertreterin Ingrid Gertz-Rotermund, DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken.
Der DBV-Präsident bekundete dies bei mehrfacher Gelegenheit auf der Grünen Woche in Berlin, so beim Neujahrsempfang des DBV und bei der Fragestunde des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten (VDAJ).
An der aktuellen Lage beschönigte Rukwied nichts. Mit weiteren Einkommensrückgängen zwischen 15 und 20 Prozent müsse für die deutschen Bauern im laufenden Wirtschaftsjahr 2015/2016 gerechnet werden, was sich innerhalb von zwei Jahren auf ein Minus von 50 Prozent aufsummiere.
„Das geht an Substanz und Existenzen”
„Das geht an die Substanz und an Existenzen”, unterstrich der DBV-Präsident. Milchpreise zwischen 25 und 28 Cent, Schweinepreise von 1,31 Euro je Kilo Schlachtgewicht und 35 bis 37 Euro pro Ferkel   seien viel zu wenig, um kostendeckend arbeiten zu können, erläuterte Joachim Rukwied bei der Fragestunde des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten (VDAJ) den zahlreichen Journalisten-Kolleginnen und -Kollegen von der Publikumspresse. Das Konjunkturbarometer für die deutschen Bauern zeige weiter nach unten: „Im Moment werden nur noch die Investitionen getätigt, die notwendig sind.” Auch der Strukturwandel habe zuletzt wieder an Geschwindigkeit zugelegt, informierte Rukwied.  
Russlandembargo beenden
Beim Neujahrsempfang wandte sich Joachim Rukwied an die junge Generation mit Interesse an Landwirtschaft: „Wenn Sie diesen Beruf ausüben wollen, dann erlernen Sie ihn – Sie haben eine Zukunft.”
Das Liquiditätshilfeprogramm und die höheren Zuschüsse zur Berufsgenossenschaft qualifizierte Rukwied mit Dank verbunden als kurzfristige Überbrückungshilfen, die aber keine Lösung darstellten.  Der Bauernpräsident nannte an die Politik und die gesamte Ernährungsbranche gewandt Stellschrauben, an denen nach seiner Überzeugung zur Verbesserung der Lage gedreht werden muss. So forderte er, auf ein schnelles Ende des Russlandembargos hinzuarbeiten. Zudem rief er dazu auf, wachsende Märkte besser zu erschließen. Dazu gehört für ihn auch, den Ökolandbau nachhaltig zu stärken, wie es der DBV in seinem Positionspapier dazu vom Dezember 2015 bekundet hat (siehe BBZ 51/15, Seite 16). Ein Ärgernis ist für Rukwied, dass die Margen zwischen Erzeugerpreisen und Verbraucherpreisen „zu hoch sind”. Gleichzeitig forderte Rukwied die Politik dazu auf, die Arbeit der Bauern nicht noch mehr durch unpraktikable Anforderungen zu behindern. Er bezog sich insbesondere auf die kommende Neufassung der Düngeverordnung. Im Entwurf seien einige Punkte nicht praktikabel beziehungsweise konterkarierten den Wasserschutz sogar.
Bei der gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) wünscht sich Rukwied Kontinuität und Verlässlichkeit – und keine erneuten Brüche zulasten der Bauern. 
Zur Initiative Tierwohl erneuerte Rukwied seine Forderung, dass der Handel seinen Beitrag auf 12 Cent je Kilo Fleisch erhöht. „Wir wollen, dass die Landwirte, die investiert haben, mitmachen können”, betonte er.
Hoffnungsfroh
Trotz aller augenblicklichen Schwierigkeiten ließ Rukwied keinen Zweifel daran, dass er in der Landwirtschaft eine Zukunftsbranche sieht. Das gelte für Fragen der Ernährung und für Fragen des Klimaschutzes. Regionalität und Qualität gewinnen nach seinem Bekunden an Bedeutung: „Daran sollten wir alle arbeiten.” „Beim Klima sind wir Betroffene, aber auch der Lösungsansatz, deshalb bin ich hoffnungsfroh”, betonte der DBV-Präsident. Hoffnungsfroh stimmen Rukwied zudem die derzeit steigenden Ausbildungszahlen im landwirtschaftlichen Bereich, dem schwierigen Umfeld zum Trotz. 
Mit Emotionen mitnehmen
Josefine Schlumberger, Deutsche Weinkönigin aus dem Markgräflerland, überbrachte den Teilnehmern des Neujahrsempfangs des DBV eine sympathisch-ermutigende Grußbotschaft. „Die Weinkönigin hat den Glauben an unsere Branche zum Ausdruck gebracht”, lobte DBV-Präsident Rukwied.
„Wir müssen unsere Mitbürger mitnehmen mit positiven Emotionen”, gab Rukwied an die eigenen Berufskollegen gewandt als Devise aus für den Umgang mit der Bevölkerung. Er rief dazu auf, „weiter gemeinsam mit Argumenten und Emotionen zu arbeiten und dabei auch Kante zu zeigen, um die Gesellschaft zu überzeugen”. 
Auch Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt bekundete in Berlin seine Sorgen wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage vieler Bauern. „Einfach war 2015 nicht und 2016 fing nicht gut an”, fasste er zusammen und bezog das auch auf die unruhige gesamtpolitische Lage in Teilen der Welt, mit ihren Auswirkungen auf die Landwirtschaft. „Wir müssen versuchen, die Konflikte in der Welt zu lösen”, schlussfolgerte er und bezog dabei das gestörte Verhältnis zu Russland mit ein. Schmidt konnte jedoch lediglich seiner Hoffnung Ausdruck verleihen, „dass wir 2016 das Ende des russischen Embargos hinbekommen”.  
Der Minister bekannte sich in seinen weiteren Ausführungen zum transatlantischen Handelsabkommen TTIP unter der Bedingung, dass die Standards für Lebensmittelsicherheit beibehalten werden. Innerhalb Deutschlands sieht Schmidt die zunehmende Konzentration im Lebensmittelhandel kritisch für die deutsche Landwirtschaft.  Er ließ in Berlin durchblicken, dass er die Ansichten seines Ministerkollegen vom Wirtschaftsressort, Sigmar Gabriel, zu einem Zusammenschluss von Edeka und Tengelmann nicht teilt.
Tierwohl: Dschungel aus Labels lichten
„Wir müssen mit den Russen reden”: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt bekundete gegenüber dem DBV seinen Willen, daran mitzuwirken, dass das Russlandembargo so bald wie möglich aufgehoben wird.
Bei der Erschließung neuer Märkte für die Landwirtschaft will Schmidt dahingehend mitwirken, dass er die Stabsstelle Export im Ministerium künftig mit zwei Chefreferenten ausstatten will. Der eine soll sich um  EU/Binnenmarkt kümmern, der andere um Drittstaaten. 
Angesprochen auf Forderungen von verschiedener Seite nach einem staatlichen Tierwohllabel erklärte Schmidt, dass er an einer Vereinheitlichung von Standards arbeite, ohne von einem staatlichen Label sprechen zu wollen. Jedoch betonte er: „Wir haben einen Dschungel aus Labels – den sollten wir etwas lichten.”
DBV-Präsident Rukwied bekundete hingegen: „Wir halten von einem staatlichen Label nichts.” Er begründete dies mit unterschiedlichen  Haltungsformen und Systemen und der Gefahr, „dass nur für Verwirrung gesorgt würde”.
„Satt”-Aktivisten reden miteinander
Minister Schmidt informierte abschließend  darüber, dass er die gegensätzlichen Initiativen „Wir haben es satt” und „Wir machen euch satt” im Vorfeld der Demonstrationen vom vergangenen Samstag in Berlin  zu einem konstruktiv-sachlichen Gespräch zusammengebracht habe. „Raus aus der Kampfzone, hinein ins Gespräch”, nannte er hierfür als Devise. Schmidt bedankte sich bei Rukwied für die Teilnahme, worauf dieser ergänzte: „Wir werden an weiteren Gesprächen teilnehmen.”