Russlands Angriff auf die Ukraine wird ernste Auswirkungen auf den Handel mit Agrarprodukten und Lebensmitteln haben. Das hat die Europäische Kommission bei der Sitzung des Landwirtschaftsausschusses am Montag im Europaparlament deutlich gemacht.
Bei tierischen Produkten erwartet der stellvertretende Generaldirektor der Generaldirektion Landwirtschaft (DG AGRI), Michael Scannell, im Handel mit der Ukraine Störungen vor allem bei den Ein- und Ausfuhren von Geflügelfleisch und beim Export von Schweinefleisch. Im Fall von Russland spielen dem Kommissionsvertreter zufolge vornehmlich Ausfuhren von verarbeiteten Lebensmitteln eine wichtige Rolle, darunter etwa Weine, Spirituosen und Backwaren. Nach Angaben der EU-Kommission wurden 2021 etwa 162300 t Schlachtgewicht Geflügelfleisch in die Ukraine geliefert, in die Gegenrichtung waren gut 100000 t unterwegs. Die Schweinefleischexporte in die Ukraine beliefen sich auf 95520 t.
Erschütterungen bei Getreide und Ölsaaten
Auch im Handel mit Getreide und Ölsaaten sind
schwere Erschütterungen zu erwarten. Laut Scannell haben die Ukraine und
Russland am weltweiten Handelsvolumen von Weizen einen Anteil von 30
Prozent; bei Gerste sind es 32 Prozent und bei Mais 17 Prozent. Bei
Sonnenblumenöl, -saaten und -schrot betrage der Anteil mehr als 50
Prozent.
Nach Angaben des Kommissionsvertreters ist der Handel über die
ukrainischen Schwarzmeerhäfen vollständig zum Erliegen gekommen. Die
ukrainische Marine habe die umliegenden Gewässer vermint, schon aus
diesem Grund sei auf absehbare Zeit nicht mit einer Wiederaufnahme des
Schiffsverkehrs zu rechnen. Physische Schäden an den Häfen soll es
Scannell zufolge noch nicht geben. Trotzdem rechne niemand mit einer
kurzfristigen Erholung der Handelsaktivitäten. Die Kommission geht zudem
davon aus, dass der Krieg auch die anstehende Frühjahrsaussaat und als
Folge mindestens die anschließende Ernte beeinträchtigen wird.
„Einer der schlimmsten Schurkenstaaten”
Die Abgeordneten des
Europaparlaments demonstrierten Einigkeit. Russlands militärische
Aggression wurde fraktionsübergreifend verurteilt. „Ich glaube, wir
müssen einfach sehen, dass Russland seit letzter Woche endgültig einer
der schlimmsten Schurkenstaaten der Welt ist. Und mit Schurkenstaaten
betreibt man nicht Handel”, erklärte der Agrarsprecher der Europäischen
Volkspartei (EVP), Herbert Dorfmann. Man werde sich damit abfinden
müssen, dass der Handel mit Russland zusammenbreche, „aber wir haben das
nicht verursacht”.
Die Agrarsprecherin der Fraktion der Progressiven Allianz der
Sozialdemokraten (S&D), Clara Aguilera, bezeichnete Russlands
Aggression als „Angriff auf die Demokratie, den Westen und insbesondere
die EU”. Priorität müsse jetzt sein, den Kampf um die Demokratie zu
gewinnen. Ähnlich äußerte sich die agrarpolitische Sprecherin der
Fraktion Renew Europe (RE), Ulrike Müller. „Wir sollten uns darauf
konzentrieren, möglichst harte Sanktionen gegen das Regime von Wladimir
Putin zu verhängen. Dafür müssen wir bereit sein, einen Preis zu
zahlen”, so Müller. Der Agrarsprecher der Grünen, Martin Häusling,
erklärte, es müsse allen klar sein, dass es für die Europäer auch um
„ein Stück Ernährungssouveränität” gehe. Im Energie- und Agrarbereich
müsse die Abhängigkeit von Russland verringert werden.
Mit den Auswirkungen des Konflikts hat sich am Mittwoch auch ein informeller Agrarrat per Videokonferenz
befasst.