Politik | 14. Mai 2020

Ernährungssicherung und Ökologie vereinbar

Von AgE
Keinen Widerspruch zwischen der Sicherung der Lebensmittelversorgung und der ökologischen Nachhaltigkeit sieht der geschäftsführende Vizepräsident der EU-Kommission und hauptverantwortliche Kommissar für den Green Deal, Frans Timmermans.
Frans Timmermans, verantwortlicher EU-Kommissar für den Green Deal, sieht in der Corona-Krise keinen Grund, die Umwelt-Strategiepläne für die Landwirtschaft in der Europäischen Union zu verschieben.
Eine langfristige Perspektive für den EU-Agrarsektor verbunden mit der Ernährungssicherheit sei nur zu realisieren, sofern entsprechend auf die Klimakrise reagiert werde, betonte der Niederländer am 7. Mai gegenüber dem Landwirtschaftsausschuss des Europaparlaments in Brüssel. Der Übergang zur Nachhaltigkeit stelle keine Bedrohung dar, „sondern eine enorme wirtschaftliche Chance für den Agrarsektor”. Der Sozialdemokrat stellte zugleich klar, dass die Europäische Union ihren Landwirten helfen müsse, sich von der Corona-Krise zu erholen. Entsprechende Forderungen hatte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und des EU-Ausschusses der Bauernverbände (COPA), Joachim Rukwied, vorgebracht.
Der Forderung des Bauernpräsidenten sowie der Europäischen Volkspartei (EVP), die Vorstellung der Strategie „From-Farm-to-Fork” („Vom Bauernhof bis zum Teller”) auf nach der Sommerpause zu verschieben, wollte  Timmermans indes nicht beipflichten. Seine Behörde habe nicht die Absicht, die Annahme der „From-Farm-to-Fork”-Strategie noch weiter hinauszuzögern.
Der 20. Mai bleibt gesetzt
Der geschäftsführende Vizepräsident bestätigte, dass die Kommission die Strategie am 20. Mai annehmen wolle. Er stellte zudem eine stärkere Unterstützung kleinerer landwirtschaftlicher Strukturen in Aussicht. Künftig soll es nach seinen Worten weniger Geld für Flächenbesitz geben. Auch sei angedacht, die Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion zu stärken.
Unterdessen betonte der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses, Norbert Lins, dass die Arbeit seines Gremiums gegenwärtig vor allem auf die Sicherstellung der Versorgung mit Lebensmitteln und der Unterstützung des Agrarsektors ausgerichtet sei.
Der CDU-Politiker wies daraufhin, dass aufgrund der Corona-Krise gegenwärtig 2,78 Millionen Tonnen Kartoffeln keine Abnehmer fänden. Das gleiche gelte für Braugerste; hier würden momentan rund 40 Prozent des Angebots keine Abnehmer finden. Auch die Weinnachfrage sei stark zurückgegangen, nämlich um 14 Prozent. Zudem sähen sich viele Landwirte gerade jetzt unlauteren Handelspraktiken ausgesetzt, so Lins. Er forderte die Kommission außerdem dazu auf, auch die Auswirkungen der Corona-Krise auf den afrikanischen Kontinent im Blick zu haben. Die Behörde müsse den betroffenen afrikanischen Ländern aktuell vor allem bei der Bekämpfung der dortigen Heuschreckenplage unterstützen. Im Notfall müssten auch Nahrungsmittel geliefert werden.
Gegen „Schicki-Micki-Landwirtschaft”
Der EVP-Agrarsprecher Herbert Dorfmann forderte den Kommissionsvizepräsidenten erneut dazu auf, die Vorlage der „From-Farm-to-Fork”-Strategie auf den Herbst zu verschieben. Zudem lenkte der Südtiroler den Blick auf die Lebensmittelpreise. Derzeit gelte rund ein Fünftel aller EU-Bürger als arm. Auch ihnen sei man es gerade in der gegenwärtigen Krise schuldig, sichere, aber auch bezahlbare, in der EU produzierte Nahrungsmittel anzubieten. Eine reine „Schicki-Micki-Landwirtschaft” für die „oberen 10000” lehne er ab, so Dorfmann.
Der Agrarsprecher der Grünen/EFA, Martin Häusling, sprach sich für eine „gerechtere Verteilung” der Agrarsubventionen aus. Er lobte Timmermans für seine Klarstellung, die „From-Farm-to-Fork”-Strategie bald vorlegen zu wollen. Ansätze des Green Deal müssten in die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aufgenommen werden.
Rukwied: Mehr Gewicht für Ernährungssicherheit
Für eine Neujustierung der EU-Agrarpolitik  mit einem stärkeren Fokus auf die Ernährungssicherheit setzt sich der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und des EU-Ausschusses der Bauernverbände (COPA), Joachim Rukwied, ein. Er bezieht sich dabei auf die  geplante Strategie „From-Farm-to-Fork” („Vom Bauernhof bis zum  Teller”) und die  Biodiversitätsstrategie der EU-Kommission.
In einem  Schreiben an den geschäftsführenden Kommissionsvizepräsidenten Frans Timmermans und Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius fordert Rukwied eine bessere Balance zwischen der Ökonomie der landwirtschaftlichen Betriebe und den Umweltanforderungen.
Der Bauernpräsident unterstreicht zudem die Bedeutung einer unabhängigen europäischen Lebensmittelproduktion. „Ernährungssicherheit wird oft als selbstverständlich angesehen, aber sie muss zusammen mit einer gut funktionierenden Lebensmittelversorgungskette innerhalb des EU-Binnenmarktes als ein Thema von höchster Priorität betrachtet werden”, konstatiert der deutsche und europäische Bauernpräsident.
Er macht darüber hinaus deutlich, dass die Nachhaltigkeit, die Bekämpfung des
Klimawandels und der Schutz der Artenvielfalt im Eigeninteresse der Landwirte lägen. Mit Bezug auf die bereits bekannt gewordenen Maßnahmen und geplanten Einschnitte innerhalb der „From-Farm-to-Fork”-Strategie und Biodiversitätsstrategie appelliert Rukwied: „In diesen unsicheren Zeiten müssen neue Maßnahmen behutsam ausgewählt werden, um die landwirtschaftlichen Betriebe und Genossenschaften nicht zu überfordern und somit zukunftsfähig zu halten.”
Insbesondere ein verpflichtendes Reduktionsziel für Betriebsmittel wie Pflanzenschutz- und Düngemittel sei weder realistisch noch zielführend im Hinblick auf die Qualität der Lebensmittel und die zur Versorgung der Bevölkerung notwendige Menge, schreibt Rukwied. Er pocht darauf, die Lehren aus der Corona-Krise auch in die politischen Strategien der Europäischen Union einfließen zu lassen. Beide Vorhaben sollten nach Auffassung des COPA-Präsidenten daher frühestens zum Ende dieses Jahres vorgestellt werden.