Politik | 15. Juli 2021

Empfehlungen der Zukunftskommission

Von AgE
Konkrete Ratschläge für Veränderungen in der Agrarpolitik gibt die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) in ihrem Abschlussbericht. So hält die ZKL für mehr Tierwohl Neuregelungen im Bau- und Immissionsrecht für unabdingbar.
Das Genehmigungsrecht für Haltungsanlagen, die das Tierwohl fördern, muss schnell wirksam angepasst werden, fordert die Zukunftskommission Landwirtschaft.
Das Genehmigungsrecht für Haltungsanlagen, die das Tierwohl fördern, muss schnell wirksam angepasst werden, fordert die Zukunftskommission Landwirtschaft.
Dies sei die Voraussetzung für Neu- und Umbauten von Ställen, ohne die es nicht gelingen werde, das Tierwohlniveau in der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu erhöhen, heißt es in dem Bericht. Notwendig seien schnell wirksame Anpassungen des Genehmigungsrechts für umweltverträgliche, das Tierwohl fördernde Haltungsanlagen.
In der Agrarumweltpolitik plädiert die ZKL für eine stärkere Einbeziehung von Naturschutzkooperationen. Zu verstärkten politischen Anstrengungen rät die Kommission bei der Unterstützung des Ökolandbaus. Dies sei erforderlich, um die Ausbauziele zu erreichen „und noch deutlich mehr Betrieben in der ökologischen Landwirtschaft eine Perspektive bieten zu können”. Deutliche Kritik übt die Zukunftskommission an einer „überbordenden Labelvielfalt” im Lebensmittelmarkt. An die Stelle der derzeitigen „Inflation von Kennzeichnungssystemen unterschiedlicher und nicht durchschaubarer Güte” müssten verbindliche staatliche, EU-weit harmonisierte Mindeststandards für Nachhaltigkeitskennzeichnungen treten.
Flächengebundene Tierhaltung
Empfohlen werden schließlich eine strengere Regulierung des Bodenmarkts sowie eine Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK). Die jährlichen Kosten aller von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen für einen Umbau der Landwirtschaft veranschlagt die ZKL auf sieben bis elf Milliarden  Euro.
Regelungsbedarf sieht die Zukunftskommission insbesondere beim Immissionsschutzrecht. Derzeit werde der Umbau von Ställen beispielsweise aufgrund der Interpretation des Begriffs der „wesentlichen Änderung” eines Bauvorhabens erschwert. Etliche Genehmigungsbehörden verlangten bei Änderungen der Tierhaltungsanlage eine Neubewertung des gesamten früheren Bauvorhabens. Für die Transformation der Tierhaltung wäre es der ZKL zufolge deshalb zielführend, wenn die Bundesebene zumindest klarere Leitlinien für den Baugenehmigungsprozess bei Tierwohlverbesserungen erstellen würde. „Wenn auch nur die Gefahr des Verlustes einer bestehenden Genehmigung besteht, werden landwirtschaftliche Unternehmen keinen Umbau anstreben”, warnt das Gremium.
Die Zukunftskommission spricht sich für eine räumliche Entzerrung der Tierhaltung aus. Anzustreben sei eine flächengebundene Tierhaltung unter Berücksichtigung von regionalen überbetrieblichen Nährstoffmanagementmodellen. Damit einher gehe eine größere Gleichverteilung der Tierhaltung. Daneben empfiehlt die ZKL auch eine Dezentralisierung und Regionalisierung der Fleischwirtschaft, beispielsweise durch die Förderung von regionalen Schlachtungs-, Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen.
Kooperationen in Pilotversuchen erproben
Um Naturschutzkooperationen bei der Umsetzung von Agrarumweltmaßnahmen zu berücksichtigen, braucht es laut ZKL einen rechtlichen und organisatorischen Rahmen, der diese Zusammenschlüsse in die Lage versetzt, „Auswahl, Durchführung und Förderung der Maßnahmen für die Betriebe zu organisieren”. Mitglieder dieser Kooperationen könnten der Zukunftskommission zufolge landwirtschaftliche Betriebe und andere am Naturschutz interessierte Gruppen sein. Die Kooperativen sollten zudem über Fachleute aus den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz sowie Verwaltung verfügen und durch eine Geschäftsstelle koordiniert werden.  Die Zukunftskommission spricht sich dafür aus, noch in diesem Jahr solche Kooperationen für geeignete Agrarumweltmaßnahmen auf die Beine zu stellen und in umfangreichen Pilotversuchen zu erproben. Dabei könne auf  bestehenden Initiativen des kooperativen Naturschutzes wie Landschaftspflegeverbände aufgebaut werden.
Forschungsmittel für Ökobereich aufstocken
Bei der nationalen Umsetzung der EU-Agrarpolitik muss nach Auffassung der Zukunftskommission sichergestellt werden, dass die erforderlichen Finanzmittel zur Umstellungs- und Beibehaltungsförderung für die politisch gewünschte Ausweitung des Ökolandbaus bereitgestellt werden können. Die ZKL tritt dafür ein, die staatlichen Agrarforschungsmittel für den Ökobereich deutlich aufzustocken. 
Biobetriebe müssten durch Forschung und Innovation, Ausbildung und Beratung in die Lage versetzt werden, ihren Beitrag zu den gesellschaftlichen Zielen zu leisten und ihre Produktivität weiter zu steigern.
Die Zukunftskommission nennt in ihrem Abschlussbericht fünf Bereiche, für die auf EU-Ebene verständliche und verbindliche Kennzeichnungen eingeführt werden sollten. Das sind die Tierwohlkennzeichnung, eine Kennzeichnung der Herkunft für die Primärzutaten in verarbeiteten Lebensmitteln, Mindeststandards für die Kennzeichnung von Regionalität, die Nährwertkennzeichnung in Form eines wissenschaftlich fundierten NutriScores sowie perspektivisch eine Nachhaltigkeitskennzeichnung  basierend auf wissenschaftlichen  Kriterien.  Generell hält die ZKL deutlich mehr Transparenz bezüglich der Qualitäts- und Prozesseigenschaften in Form vertrauenswürdiger Kennzeichnungssysteme für erforderlich.
Finanzinstrumente zur Risikovorsorge
Die GAK sollte nach Auffassung der Zukunftskommission künftig Herausforderungen wie den Schutz und die Wiederherstellung von Biodiversität, Renaturierung und Klimaschutz sowie die Anpassung an den Klimawandel deutlich stärker aufgreifen. Dies müsse einhergehen mit einer  Mittelaufstockung. Als ersten Schritt schlägt die ZKL die Einrichtung von Sonderrahmenplänen „Biodiversität, Renaturierung und Entsiegelung” sowie „Risikovorsorge und Anpassung an den Klimawandel” vor. Nach erfolgreicher Einführung könnten diese Pläne in die Regelförderung als Gemeinschaftsaufgaben übernommen werden. Angesichts der im Zusammenhang mit der Klimakrise immer extremer werdenden Witterungseinflüsse wie Spätfrost, Starkregen, Trockenheit und Sturm sieht die Zukunftskommission die landwirtschaftlichen Betriebe gefordert, ihre Resilienz zu steigern. Neben der dafür erforderlichen Anpassung ihrer Anbausysteme könnten dazu auch Finanzinstrumente zur Risikovorsorge beitragen. Als einen Weg nennt der Abschlussbericht den Aufbau einer freiwilligen Versicherungslösung mit staatlicher Unterstützung.