Konkrete Ratschläge für Veränderungen in der Agrarpolitik gibt die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) in ihrem Abschlussbericht. So hält die ZKL für mehr Tierwohl Neuregelungen im Bau- und Immissionsrecht für unabdingbar.
Das Genehmigungsrecht für Haltungsanlagen, die das Tierwohl fördern, muss schnell wirksam angepasst werden, fordert die Zukunftskommission Landwirtschaft.
Das Genehmigungsrecht für Haltungsanlagen, die das Tierwohl fördern, muss schnell wirksam angepasst werden, fordert die Zukunftskommission Landwirtschaft.
Dies sei die Voraussetzung für Neu- und Umbauten von Ställen, ohne die es nicht gelingen werde, das Tierwohlniveau in der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu erhöhen, heißt es in dem Bericht. Notwendig seien schnell wirksame Anpassungen des Genehmigungsrechts für umweltverträgliche, das Tierwohl fördernde Haltungsanlagen.
In der Agrarumweltpolitik plädiert die ZKL für eine stärkere Einbeziehung von Naturschutzkooperationen. Zu verstärkten politischen Anstrengungen rät die Kommission bei der Unterstützung des Ökolandbaus. Dies sei erforderlich, um die Ausbauziele zu erreichen „und noch deutlich mehr Betrieben in der ökologischen Landwirtschaft eine Perspektive bieten zu können”. Deutliche Kritik übt die Zukunftskommission an einer „überbordenden Labelvielfalt” im Lebensmittelmarkt. An die Stelle der derzeitigen „Inflation von Kennzeichnungssystemen unterschiedlicher und nicht durchschaubarer Güte” müssten verbindliche staatliche, EU-weit harmonisierte Mindeststandards für Nachhaltigkeitskennzeichnungen treten.
Flächengebundene Tierhaltung
Empfohlen werden schließlich eine strengere Regulierung des
Bodenmarkts sowie eine Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK). Die
jährlichen Kosten aller von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen für einen
Umbau der Landwirtschaft veranschlagt die ZKL auf sieben bis elf
Milliarden Euro.
Regelungsbedarf sieht die Zukunftskommission insbesondere beim
Immissionsschutzrecht. Derzeit werde der Umbau von Ställen
beispielsweise aufgrund der Interpretation des Begriffs der
„wesentlichen Änderung” eines Bauvorhabens erschwert. Etliche
Genehmigungsbehörden verlangten bei Änderungen der Tierhaltungsanlage
eine Neubewertung des gesamten früheren Bauvorhabens. Für die
Transformation der Tierhaltung wäre es der ZKL zufolge deshalb
zielführend, wenn die Bundesebene zumindest klarere Leitlinien für den
Baugenehmigungsprozess bei Tierwohlverbesserungen erstellen würde. „Wenn
auch nur die Gefahr des Verlustes einer bestehenden Genehmigung
besteht, werden landwirtschaftliche Unternehmen keinen Umbau anstreben”,
warnt das Gremium.
Die Zukunftskommission spricht sich für eine räumliche Entzerrung der
Tierhaltung aus. Anzustreben sei eine flächengebundene Tierhaltung unter
Berücksichtigung von regionalen überbetrieblichen
Nährstoffmanagementmodellen. Damit einher gehe eine größere
Gleichverteilung der Tierhaltung. Daneben empfiehlt die ZKL auch eine
Dezentralisierung und Regionalisierung der Fleischwirtschaft,
beispielsweise durch die Förderung von regionalen Schlachtungs-,
Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen.
Kooperationen in Pilotversuchen erproben
Um Naturschutzkooperationen bei der Umsetzung von
Agrarumweltmaßnahmen zu berücksichtigen, braucht es laut ZKL einen
rechtlichen und organisatorischen Rahmen, der diese Zusammenschlüsse in
die Lage versetzt, „Auswahl, Durchführung und Förderung der Maßnahmen
für die Betriebe zu organisieren”. Mitglieder dieser Kooperationen
könnten der Zukunftskommission zufolge landwirtschaftliche Betriebe und
andere am Naturschutz interessierte Gruppen sein. Die Kooperativen
sollten zudem über Fachleute aus den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt-
und Naturschutz sowie Verwaltung verfügen und durch eine Geschäftsstelle
koordiniert werden. Die Zukunftskommission spricht sich dafür aus,
noch in diesem Jahr solche Kooperationen für geeignete
Agrarumweltmaßnahmen auf die Beine zu stellen und in umfangreichen
Pilotversuchen zu erproben. Dabei könne auf bestehenden Initiativen des
kooperativen Naturschutzes wie Landschaftspflegeverbände aufgebaut
werden.
Forschungsmittel für Ökobereich aufstocken
Bei der nationalen Umsetzung
der EU-Agrarpolitik muss nach Auffassung der Zukunftskommission
sichergestellt werden, dass die erforderlichen Finanzmittel zur
Umstellungs- und Beibehaltungsförderung für die politisch gewünschte
Ausweitung des Ökolandbaus bereitgestellt werden können. Die ZKL tritt
dafür ein, die staatlichen Agrarforschungsmittel für den Ökobereich
deutlich aufzustocken.
Biobetriebe müssten durch Forschung und Innovation, Ausbildung und
Beratung in die Lage versetzt werden, ihren Beitrag zu den
gesellschaftlichen Zielen zu leisten und ihre Produktivität weiter zu
steigern.
Die Zukunftskommission nennt in ihrem Abschlussbericht fünf Bereiche,
für die auf EU-Ebene verständliche und verbindliche Kennzeichnungen
eingeführt werden sollten. Das sind die Tierwohlkennzeichnung, eine
Kennzeichnung der Herkunft für die Primärzutaten in verarbeiteten
Lebensmitteln, Mindeststandards für die Kennzeichnung von Regionalität,
die Nährwertkennzeichnung in Form eines wissenschaftlich fundierten
NutriScores sowie perspektivisch eine Nachhaltigkeitskennzeichnung basierend auf wissenschaftlichen Kriterien. Generell hält die ZKL
deutlich mehr Transparenz bezüglich der Qualitäts- und
Prozesseigenschaften in Form vertrauenswürdiger Kennzeichnungssysteme
für erforderlich.
Finanzinstrumente zur Risikovorsorge
Die GAK sollte nach Auffassung der Zukunftskommission
künftig Herausforderungen wie den Schutz und die Wiederherstellung von
Biodiversität, Renaturierung und Klimaschutz sowie die Anpassung an den
Klimawandel deutlich stärker aufgreifen. Dies müsse einhergehen mit
einer Mittelaufstockung. Als ersten Schritt schlägt die ZKL die
Einrichtung von Sonderrahmenplänen „Biodiversität, Renaturierung und
Entsiegelung” sowie „Risikovorsorge und Anpassung an den Klimawandel”
vor. Nach erfolgreicher Einführung könnten diese Pläne in die
Regelförderung als Gemeinschaftsaufgaben übernommen werden. Angesichts
der im Zusammenhang mit der Klimakrise immer extremer werdenden
Witterungseinflüsse wie Spätfrost, Starkregen, Trockenheit und Sturm
sieht die Zukunftskommission die landwirtschaftlichen Betriebe
gefordert, ihre Resilienz zu steigern. Neben der dafür erforderlichen
Anpassung ihrer Anbausysteme könnten dazu auch Finanzinstrumente zur
Risikovorsorge beitragen. Als einen Weg nennt der Abschlussbericht den
Aufbau einer freiwilligen Versicherungslösung mit staatlicher
Unterstützung.