Auf einem insgesamt guten Weg sieht Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die hiesige Agrarwirtschaft. Sie stellte am 23. Oktober in Berlin den Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung 2019 vor.
Dabei verwies die Ministerin auf eine positive Einkommensentwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe und eine Abschwächung des Strukturwandels in den vergangenen Jahren. Klöckner erwartet, dass die Einkommen der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe auch im laufenden Wirtschaftsjahr steigen werden, wenngleich nicht in dem Ausmaß der vergangenen beiden Jahre mit jeweils zweistelligen Zuwachsraten. Problematisch seien die starken Einkommensschwankungen. Besorgt zeigte sich Klöckner über die Entwicklung auf dem Bodenmarkt.
DBV: Der Bericht zeigt die Herausforderungen
Seine Forderung nach
unternehmerischer Freiheit statt Bürokratie sieht der Deutsche
Bauernverband (DBV) im Agrarbericht der Bundesregierung bestätigt. „Der
Bericht zeigt eindrucksvoll, vor welch großen Herausforderungen die
Landwirtschaft steht und belegt, wie wichtig langfristige und
verlässliche Rahmenbedingungen für die gesamte Branche sind”, erklärte
DBV-Präsident Joachim Rukwied. Viele junge und motivierte Landwirte
brauchten eine Agrarpolitik und eine Gesetzgebung, „die ihnen
unternehmerische Freiheit und Unterstützung gibt, statt sie mit
Bürokratie auszubremsen”. Die politischen Reaktionen standen unter dem
Eindruck der Bauernproteste in der letzten Woche.
Der Agrarbericht wird seit 2007 nur noch im vierjährigen Turnus
vorgelegt. Der aktuelle Report umfasst den Berichtszeitraum von 2015 bis
2019. Im ersten Teil werden die Herausforderungen, Ziele und
Perspektiven des Agrarsektors dargestellt. Darin verweist die
Bundesregierung auf die veränderten gesellschaftlichen Erwartungen an
die Landwirtschaft. Zunehmend werde die gängige Praxis der modernen
Landwirtschaft von Teilen der Gesellschaft hinterfragt. Nachhaltiges
Wirtschaften und ein verantwortungsvoller Umgang mit den natürlichen
Ressourcen lägen im Eigeninteresse der Landwirtschaft. Die Regierung
betont angesichts volatiler Agrarmärkte und steigender Risiken durch den
Klimawandel die Notwendigkeit von Planungssicherheit und verlässlichen
Rahmenbedingungen. Bekräftigt wird der Vorrang privatwirtschaftlicher
Lösungsansätze im Risikomanagement.
Führende Rolle beim Tierwohl
Die Bundesregierung bekennt sich zu einer Agrarstruktur,
„in der familiengeführte Unternehmen im Mittelpunkt stehen”. Ziel sei
es, „die breite strukturelle Vielfalt der Betriebsformen und
Produktionssysteme zu erhalten”. Eine wesentliche Grundlage dafür wird
in breit gestreutem Eigentum an Boden gesehen. Festhalten will man am
Kurs der Marktorientierung der Agrarpolitik, dabei zugleich die Stellung
der Landwirte in der Wertschöpfungskette stärken. Nutzbar machen will
die Regierung „das enorme Potenzial” der Digitalisierung.
Bekräftigt wird der Anspruch, dass Deutschland eine führende Rolle beim
Tierwohl einnehmen soll. Der regionalen Konzentration der Tierhaltung
und den damit verbundenen hohen Emissionen und Nährstoffüberschüssen
versuche man „mit entsprechenden Maßnahmen” zu begegnen.
Erneut bekennt sich die Bundesregierung zum eigenständigen agrarsozialen
Sicherungssystem und unterstreicht dessen wichtige Funktion bei der
sozialen Flankierung des Strukturwandels in der Landwirtschaft.
„Negativdynamik gebremst”
Die Ministerin verwies auf einen Rückgang der Zahl der Betriebe zwischen 2010 und dem Zeitpunkt der letzten Landwirtschaftszählung 2016 um etwa 23700 auf rund 275400. Das entspreche einer jährlichen Abnahmerate von durchschnittlich 1,4 Prozent.
Im Strukturwandel sei „die Negativdynamik gebremst”, erklärte
Klöckner. Die Ministerin verwies auf einen Rückgang der Zahl der
Betriebe zwischen 2010 und dem Zeitpunkt der letzten
Landwirtschaftszählung 2016 um etwa 23700 auf rund 275400. Das
entspreche einer jährlichen Abnahmerate von durchschnittlich
1,4 Prozent. Die CDU-Politikerin betonte zugleich, dass Politik keine
Garantie für den Erhalt bestimmter Strukturen geben könne. Forderungen
nach „Strukturkonservierung” liefen damit ins Leere. Mit den
Direktzahlungen habe man allerdings ein Instrument, „auch mittlere und
kleinere Betriebe zu stärken”.
Den Einstieg von außerlandwirtschaftlichen Investoren insbesondere in
Ostdeutschland nannte Klöckner hingegen „alarmierend”. Steuerliche
Vorteile bei Anteilskäufen müssten abgebaut werden. Eine Neudefinition
des aktiven Landwirts im EU-Recht müsse dazu beitragen, dass „Ackerland
in Bauernhand” verbleibe. Nicht zuletzt seien die Länder gefordert, ihr
Bodenrecht zu modernisieren. Die Ministerin hob die wichtige Rolle des
Agrarhandels für die hiesige Landwirtschaft und deren vor- und
nachgelagerte Bereiche hervor. Ein Drittel der landwirtschaftlichen
Produktion gehe mittlerweile in den Export.
Leistungen entlohnen
Die gemeinsame Verantwortung von Politik, Wirtschaft
und Verbrauchern für die Zukunft der Landwirtschaft stellte der
agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, heraus. „Landwirtschaft in
Deutschland steht für gelebte Nachhaltigkeit und Landschaftspflege”,
erklärte Stegemann. Allerdings funktioniere das nur, „wenn Industrie,
Handel und wir Verbraucher bereit sind, diese Leistungen auch zu entlohnen.” Landwirtschaft brauche gesellschaftliche Anerkennung für
die vielfältige Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte.
Der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero
Hocker, bezeichnete den anhaltenden Rückgang der Zahl der Betriebe als
„ein Spiegelbild verfehlter Politik”. Die Demonstrationen zeigten, „dass
eine ganze Branche Angst vor einer Trendbeschleunigung unter Ministerin
Klöckner hat”. Der Agrarbericht bestätige diese Befürchtung. Weder
gleiche Wettbewerbsbedingungen in der EU, noch eigenverantwortliche
Risikovorsorge oder neue Züchtungsmethoden spielten darin eine Rolle,
monierte der FDP-Politiker.
Nach Auffassung von Grünen-Agrarsprecher Friedrich Ostendorff offenbart
der Agrarbericht gravierende Fehlentwicklungen. Der Bericht zeige
schonungslos, „dass das Wachse-oder-weiche-Prinzip in der Landwirtschaft
brutal weitergeht”, so der Bundestagsabgeordnete unter Hinweis auf den
Rückgang der Zahl der Betriebe zwischen 2010 und 2016 um fast zehn
Prozent. Gleichzeitig seien die Bodenpreise auf mehr als das 2,3-Fache
„explodiert”.