Politik | 30. Oktober 2019

Einkommen gestiegen, Strukturwandel verlangsamt

Von AgE
Auf einem insgesamt guten Weg sieht Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die hiesige Agrarwirtschaft. Sie stellte am 23. Oktober in Berlin den Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung 2019 vor.
Dabei verwies die Ministerin auf eine positive Einkommensentwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe und eine Abschwächung des Strukturwandels in den vergangenen Jahren. Klöckner erwartet, dass die Einkommen der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe auch im laufenden Wirtschaftsjahr steigen werden, wenngleich nicht in dem Ausmaß der vergangenen beiden Jahre mit jeweils zweistelligen Zuwachsraten. Problematisch seien die starken Einkommensschwankungen. Besorgt zeigte sich Klöckner über die Entwicklung auf dem Bodenmarkt.
DBV: Der Bericht zeigt die Herausforderungen
Seine Forderung nach unternehmerischer Freiheit statt Bürokratie sieht der Deutsche Bauernverband (DBV) im Agrarbericht der Bundesregierung bestätigt. „Der Bericht zeigt eindrucksvoll, vor welch großen Herausforderungen die Landwirtschaft steht und belegt, wie wichtig langfristige und verlässliche Rahmenbedingungen für die gesamte Branche sind”, erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Viele junge und motivierte Landwirte brauchten eine Agrarpolitik und eine Gesetzgebung, „die ihnen unternehmerische Freiheit und Unterstützung gibt, statt sie mit Bürokratie auszubremsen”. Die politischen Reaktionen standen unter dem Eindruck der Bauernproteste in der letzten Woche.
Der Agrarbericht wird seit 2007 nur noch im vierjährigen Turnus vorgelegt. Der aktuelle Report umfasst den Berichtszeitraum von 2015 bis 2019. Im ersten Teil werden die Herausforderungen, Ziele und Perspektiven des Agrarsektors dargestellt. Darin verweist die Bundesregierung auf die veränderten gesellschaftlichen Erwartungen an die Landwirtschaft. Zunehmend werde die gängige Praxis der modernen Landwirtschaft von Teilen der Gesellschaft hinterfragt. Nachhaltiges Wirtschaften und ein verantwortungsvoller Umgang mit den natürlichen Ressourcen lägen im Eigeninteresse der Landwirtschaft. Die Regierung betont angesichts volatiler Agrarmärkte und steigender Risiken durch den Klimawandel die Notwendigkeit von Planungssicherheit und verlässlichen Rahmenbedingungen. Bekräftigt wird der Vorrang privatwirtschaftlicher Lösungsansätze im Risikomanagement.
Führende Rolle beim Tierwohl
Die Bundesregierung bekennt sich zu einer Agrarstruktur, „in der familiengeführte Unternehmen im Mittelpunkt stehen”. Ziel sei es, „die breite strukturelle Vielfalt der Betriebsformen und Produktionssysteme zu erhalten”. Eine wesentliche Grundlage dafür wird in breit gestreutem Eigentum an Boden gesehen. Festhalten will man am Kurs der Marktorientierung der Agrarpolitik, dabei zugleich die Stellung der Landwirte in der Wertschöpfungskette stärken. Nutzbar machen will die Regierung „das enorme Potenzial” der Digitalisierung.
Bekräftigt wird der Anspruch, dass Deutschland eine führende Rolle beim Tierwohl einnehmen soll. Der regionalen Konzentration der Tierhaltung und den damit verbundenen hohen Emissionen und Nährstoffüberschüssen versuche man „mit entsprechenden Maßnahmen” zu begegnen.
Erneut bekennt sich die Bundesregierung zum eigenständigen agrarsozialen Sicherungssystem und unterstreicht dessen wichtige Funktion bei der sozialen Flankierung des Strukturwandels in der Landwirtschaft.
„Negativdynamik gebremst”
Die Ministerin verwies auf einen Rückgang der Zahl der Betriebe zwischen 2010 und dem Zeitpunkt der letzten Landwirtschaftszählung 2016 um etwa 23700 auf rund 275400. Das entspreche einer jährlichen Abnahmerate von durchschnittlich 1,4 Prozent.
Im Strukturwandel sei „die Negativdynamik gebremst”, erklärte Klöckner. Die Ministerin verwies auf einen Rückgang der Zahl der Betriebe zwischen 2010 und dem Zeitpunkt der letzten Landwirtschaftszählung 2016 um etwa 23700 auf rund 275400. Das entspreche einer jährlichen Abnahmerate von durchschnittlich 1,4 Prozent. Die CDU-Politikerin betonte zugleich, dass Politik keine Garantie für den Erhalt bestimmter Strukturen geben könne. Forderungen nach „Strukturkonservierung” liefen damit ins Leere. Mit den Direktzahlungen habe man allerdings ein Instrument, „auch mittlere und kleinere Betriebe zu stärken”.
Den Einstieg von außerlandwirtschaftlichen Investoren insbesondere in Ostdeutschland nannte Klöckner hingegen „alarmierend”. Steuerliche Vorteile bei Anteilskäufen müssten abgebaut werden. Eine Neudefinition des aktiven Landwirts im EU-Recht müsse dazu beitragen, dass „Ackerland in Bauernhand” verbleibe. Nicht zuletzt seien die Länder gefordert, ihr Bodenrecht zu modernisieren. Die Ministerin hob die wichtige Rolle des Agrarhandels für die hiesige Landwirtschaft und deren vor- und nachgelagerte Bereiche hervor. Ein Drittel der landwirtschaftlichen Produktion gehe mittlerweile in den Export.
Leistungen entlohnen
Die gemeinsame Verantwortung von Politik, Wirtschaft und Verbrauchern für die Zukunft der Landwirtschaft stellte der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, heraus. „Landwirtschaft in Deutschland steht für gelebte Nachhaltigkeit und Landschaftspflege”, erklärte Stegemann. Allerdings funktioniere das nur, „wenn Industrie, Handel und wir Verbraucher bereit sind, diese Leistungen auch zu entlohnen.” Landwirtschaft brauche  gesellschaftliche Anerkennung für die vielfältige Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte.
Der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, bezeichnete den anhaltenden Rückgang der Zahl der Betriebe als „ein Spiegelbild verfehlter Politik”. Die Demonstrationen zeigten, „dass eine ganze Branche Angst vor einer Trendbeschleunigung unter Ministerin Klöckner hat”. Der Agrarbericht bestätige diese Befürchtung. Weder gleiche Wettbewerbsbedingungen in der EU, noch eigenverantwortliche Risikovorsorge oder neue Züchtungsmethoden spielten darin eine Rolle, monierte der FDP-Politiker.
Nach Auffassung von Grünen-Agrarsprecher  Friedrich Ostendorff offenbart der Agrarbericht gravierende Fehlentwicklungen. Der Bericht zeige schonungslos, „dass das Wachse-oder-weiche-Prinzip in der Landwirtschaft brutal weitergeht”, so der Bundestagsabgeordnete unter Hinweis auf den Rückgang der Zahl der Betriebe zwischen 2010 und 2016 um fast zehn Prozent. Gleichzeitig seien die Bodenpreise auf mehr als das 2,3-Fache „explodiert”.