Tierhaltung | 07. Dezember 2017

Ein Patentrezept gibt es nicht

Von Kathrin Kortendieck
Die Anbindehaltung von Milchkühen steht bei Tierschützern und Verbrauchern zunehmend in der Kritik. Zudem ist sie arbeitsaufwendig. Welche Möglichkeiten kleine Betriebe für eine Umstrukturierung haben, wurde beim ALB-Fachgespräch in St. Märgen diskutiert.
Im Rahmen der Veranstaltung wurde auch der Betrieb von Thomas Herrmann (rechts) in St. Märgen besucht. Hier zeigte Herbert Pohlmann (links) vom Landwirtschaftsamt Emmendingen eine gelungene Umbaulösung vom Anbinde- zum Laufstall.
„Vor einigen Jahren haben wir geglaubt, dass eine Entwicklung in der Milchviehhaltung zwangsläufig mit Wachstum zusammenhängen wird. Doch es hat sich gezeigt, dass durch die hohen Preisschwankungen, denen die Branche unterliegt, Wachsen nicht immer die bessere Alternative ist.” Mit diesen Worten begrüßte Albrecht Kümmel, Referatsleiter am Stuttgarter Landwirtschaftsministerium,  die Teilnehmer des Fachgespräches der Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Ländliches Bauwesen (ALB) Baden-Württemberg am 23. November  in St. Märgen. Thema waren die „Perspektiven in der Milchviehhaltung in kleinen Betrieben”. 
Anbindehaltung unter Druck
Den Konflikt zwischen der als  nicht tiergerecht angesehenen  Haltung von Milchkühen in Anbindung ohne Auslauf und dem Wunsch, diesen  Betriebszweig zu erhalten, thematisierte Frank Gräter von der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume (LEL) in Schwäbisch Gmünd gleich zu Beginn. Er zeigte mehrere Beispiele auf, wie  kleine Betriebe ökonomischer wirtschaften können. Dazu gehören laut Gräter  die Optimierung der Produktionstechnik bzw. der Bestandsgröße, der Einstieg in die Direktvermarktung sowie der Einstieg in den Nebenerwerb bzw. dessen  Ausweitung. „Ob weiterhin überhaupt Milchkühe in einem Kleinbetrieb gehalten werden, hängt aber nicht zuletzt, sondern sogar ganz entscheidend von dem Spaß und der Freude ab, den die Familie an der Haltung dieser Tiere hat”, gab er zu bedenken.
Uwe Eilers vom Landwirtschaftlichen Zentrum (LAZBW) in Aulendorf sprach zum Thema „Anbindehaltung unter Druck – warum eigentlich?” die Diskussion an, die immer wieder zu einem möglichen Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung ohne Auslauf geführt wird. Dass es dabei noch zu keiner Einigung gekommen sei, liege auch an der bisher fehlenden offiziellen Folgenabschätzung für das Tierwohl in dieser Haltungsform, erklärte der Referent. Diese werde nun vom Thünen-Institut in Braunschweig  erarbeitet. „Es gibt Stimmen, die besagen, dass die Anbindehaltung ohne Auslauf, wie sie derzeit noch praktiziert werden darf, nicht im Konflikt mit dem geltenden Tierschutzgesetz steht. Denen kann ich jedoch nicht folgen”, bezog Eilers klar Stellung. Dabei gab er ebenfalls zu bedenken, dass seitens des Landwirts zum einen die Verantwortung gegenüber den Tieren bestehe, diesem Gesetz nachzukommen. Zum anderen dürfe nicht vergessen werden, „dass auch eine Verantwortung der Gesellschaft gegenüber besteht, die zur Lebensmittelerzeugung dienenden Tiere nach bester Fach- und Sachkenntnis zu betreuen und dabei die geltenden Gesetze einzuhalten.”
Für die Überlegungen zur Erhaltung der Anbindehaltung mit Auslauf gab Eilers zu bedenken, dass vor allem die Vermarktungsfähigkeit der so erzeugten Milch bedacht werden müsse. Er betonte: „In vielen Betrieben mit Anbindehaltung, in denen die Kühe regelmäßig Zugang zu einem Laufhof oder zur Weide haben, geht es ihnen sehr gut. Diese Botschaft muss aber auch nach außen transportiert werden!” Das Wohlbefinden der Tiere lasse sich leicht erkennen, zum Beispiel am Verschmutzungsgrad der Tiere. „Dieser und weitere Parameter sollten täglich vom Tierhalter dokumentiert werden. So sammelt er Nachweise über ihr Wohlbefinden und Hinweise darauf, wo Verbesserungen nötig sind”, riet der Referent. Abschließend fasste Eilers zusammen, dass eine Optimierung der Anbindehaltung keine dauerhafte, sondern nur eine Übergangslösung sein könne, um krasse Strukturbrüche zu vermeiden. „Fragen Sie sich deshalb: Lohnt es sich, meine Anbindehaltung möglichst tierfreundlich zu gestalten? Oder ist es von vornherein sinnvoller, den Umbau zum Laufstall zu wagen?” In diesem Punkt stimmte ihm Martin Weiß, Berater bei Bioland, zu: „Wenn man in den Komfort einer Anbindehaltung investiert, ist man ganz schnell gar nicht mehr weit von einer Laufstallhaltung entfernt.”
Individuelle Möglichkeiten prüfen
Anregungen dazu, wie der Umbau eines Stalles von Anbinde- zu Laufstallhaltung aussehen kann, gab Jochen Simon von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Institut für Landtechnik und Tierhaltung. Den Teilnehmern gab er mit auf den Weg: „Wichtig ist, dass Sie sich vergegenwärtigen, was zu Ihnen und Ihrem Betrieb passt. Fragen Sie sich: Wo komme ich her und wo will ich hin?” Auch sprach er die individuelle topografische Situation jedes Betriebes an und riet, diese bei einem Neu- bzw. Umbau unbedingt zu berücksichtigen: „Nutzen Sie das Potenzial Ihres Standortes! Wenn zu viel ausgebaggert oder aufgeschüttet werden muss, dann ist der finanzielle Rahmen schnell ausgeschöpft.” Dass es sinnvoll sei, die Förderfähigkeit der eigenen Bauvorhaben zu prüfen und welche Programme zur Verfügung stehen, darüber informierte Michael Krumm vom Regierungspräsidium (RP) Freiburg.
 
Unkonventionelle Lösung
Aus Platzgründen gibt es auf dem Betrieb Herrmann nur einen schmalen, nicht befahrbaren Futtertisch, der vom Heuboden aus befüllt wird.
Gelungene Umbaulösungen von  Anbinde- zu Laufställen stellte Herbert Pohlmann vom Landwirtschaftsamt Emmendingen vor. Dazu gehört auch der Stall von Thomas Herrmann in St. Märgen, der im Anschluss an das Fachgespräch besichtigt werden konnte.  Die Fressplätze für die 32 Vorderwälderkühe sind im Altgebäude dort entstanden, wo früher die Standplätze der Anbindehaltung waren. Der Futtertisch ist zwar am selben Platz geblieben, jetzt aber nur noch knapp zwei Meter breit und nicht befahrbar. Er wird über  direkt darüber liegenden Luken vom Heuboden aus befüllt. „Von Kollegen höre ich oft: So kannst du das Futter ja gar nicht mischen! Ich antworte dann immer, dass ich das gar nicht muss. Die Kühe wühlen die Komponenten beim Fressen so durcheinander, die mischen sich das Futter selbst”, erklärte Herrmann. Auch das Nachschieben des Futters fällt für ihn weg. Der Melkstand, eine 2×4er-Fischgräte, ist direkt an den Laufbereich angegliedert und befindet sich im selben Gebäude wie der Futtertisch und die Fressplätze. Die Erweiterungslösung für diesen Betrieb bestand in einem Anbau für den Bereich, in dem die Liegeboxen entstanden sind. Weil Herrmanns Neffe den Betrieb einmal weiterführt, lohnte sich diese Investition für den Thomashof. Pohlmann bekräftigte die Aussage seines Vorredners Jochen Simon, indem er auf den individuellen Bauplan für jeden Betrieb hinwies: „Es gibt keine allgemeingültige Lösung, die für jeden Standort und für jedes Gebäude passt. Im Stall von Thomas Herrmann sind beispielsweise Engpässe vorhanden, die wir so nicht empfehlen würden – aber bei ihm funktioniert es!” Eine große Rolle spiele dabei auch das Herdenmanagement.