Politik | 09. August 2017

Eier aus dem Südwesten frei von Fipronil

Von der BBZ-Redaktion
Die Fipronil-Krise hat sich von Belgien und den Niederlanden auf Deutschland ausgeweitet. Auch niedersächsische Erzeuger sind betroffen. Die grenzüberschreitende Weitergabe von Informationen lief schleppend. In Eiern von Erzeugern aus Baden-Württemberg wurde bisher kein Fipronil gefunden.
Mit Blick auf die schleppende Informationsweitergabe im Fipronil-Skandal drängt Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt auf eine schnellere Datenweitergabe innerhalb Europas. Bei einer Telefonkonferenz mit seinem belgischen Amtskollegen Denis Ducarme, dem niederländischen Amtskollegen Martijn van Dam sowie mit EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis am Montag seien ihm aus Belgien und den Niederlanden volle Transparenz und schnelle Informationen zugesichert worden.
Zudem habe man sich darauf verständigt, dass deutsche Verbindungsbeamte in die Behörden der Niederlande und Belgiens entsandt würden.
Zur Zeit müssen viele Eier ins Labor.
Schmidt wies darauf hin, dass Bund und Länder auf seine Initiative hin ein Programm zur intensiven Überwachung von Lebensmitteln mit hohem Eianteil vereinbart hätten. Die Ursache der Fipronil-Belastung ist nach Einschätzung des Ministers „offensichtlich kriminelle Energie”.
„Dega16” ist  ein zugelassenes Stalldesinfektionsmittel auf der Basis ätherischer Öle, das mit dem in der Nutztierhaltung nicht zugelassenen Insektizid Fipronil vermischt wurde. Schmidt begrüßte, dass die Staatsanwaltschaften in den Niederlanden, in Belgien und in Deutschland Ermittlungen aufgenommen haben. Fipronil hat von Anfang Oktober an auch keine Zulassung mehr für den Einsatz als Pflanzenschutzmittel, teilte die EU-Kommission mit.
19 Proben untersucht
In den meisten Bundesländern sind inzwischen belastete Eier aufgetaucht. Besonders betroffen sind Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Belastete Eier waren an Packstationen in Nordrhein-Westfalen geliefert worden. 
In Niedersachsen wurde das mit Fipronil versehene Desinfektionsmittel Dega-16 in vier Erzeugerbetrieben eingesetzt, wie das niedersächsische Agrarministerium mitteilte. In einem der vier Fälle handele es sich um einen Hof mit Junghennen, in deren Gefieder  Fipronil entdeckt worden sei.
Landwirte müssten sich darauf verlassen können, dass eingekaufte Produkte und Dienstleistungen einwandfreie Qualität hätten, sagte der Präsident des Landvolks Niedersachsen, Werner Hilse. Hilse sieht den einzelnen Landwirt überfordert, wenn er Vorlieferanten oder Dienstleister danach bewerten solle, ob sie alle lebensmittelrechtlichen Vorschriften einhielten. Der Schaden müsse zivilrechtlich entschädigt werden, wenn der unzulässige Einsatz von Fipronil ohne Wissen der Landwirte erfolgt sei.
Ob für die betroffenen Eierproduzenten und Verpackbetriebe in Deutschland Entschädigungszahlungen in Frage kommen, ließ Bundesagrarminister Schmidt offen. Er erinnerte an die zivilrechtlichen Schadensansprüche, die den Betroffenen bei mutwilliger Panscherei zuständen. Den Verbrauchern empfahl Schmidt, die Chargennummern auf den Eiern zu kontrollieren und mit den Nummern zu vergleichen, die auf der Internetseite www.lebensmittelwarnung.de aufgeführt würden.
Keine heimischen Eier belastet
Mit Fipronil belastete Eier sind auch nach Baden-Württemberg gelangt. Ein  Sonderkontrollprogramm beim Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt in Freiburg erbrachte laut dem Stuttgarter Agrarministerium, dass von fünf Proben mit niederländischen Erzeugercodes drei Proben Rückstände von Fipronil enthielten.
Alle 19 Proben von Erzeugern aus Baden-Württemberg enthielten kein Fipronil, ebenso jeweils eine Probe aus Hessen und Niedersachsen. Landwirte, die in gutem Glauben Dega-16 verwendet hätten, forderte Landwirtschaftsminister Peter Hauk auf, sich beim Veterinäramt zu melden.  
Die niederländische Behörde für Lebensmittelsicherheit (NVWA) veröffentlichte im Laufe der vergangenen Woche rund 140 Eiercodes von belasteten Chargen. Gesperrt seien insgesamt noch 180 Höfe, was etwa einem Fünftel der gesamten holländischen Legehennenbetriebe entspreche.
Mit Blick auf staatliche Entschädigungen sieht es für die holländischen Erzeuger schlecht aus. So war aus dem Haager Wirtschaftsministerium zu hören, dass dafür kein Budget zur Verfügung stehe. Hier müsse eine privatwirtschaftliche Lösung gefunden werden. Unterdessen haben in Deutschland mehrere Supermarktketten und Discounter reagiert:  Rewe und das Tochterunternehmen Penny haben alle niederländischen Eier aus dem Regal genommen. Aldi stoppte sogar den Verkauf sämtlicher Eier, was der Deutsche Bauernverband (DBV) als überzogen kritisierte. Er verwies darauf, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) angesichts der bisherigen amtlichen Untersuchungsergebnisse für Eier aus deutscher Produktion den Verzehr deutscher Eier als gesundheitlich unbedenklich eingestuft habe.
Reaktionen aus der Politik
Die Opposition in Berlin kritisierte „mangelhaften Verbraucherschutz”. So forderte die Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt, die Regierungskoalition im Bund müsse den Vorschlägen der Landesagrarminister folgen und verarbeitete Eierware klassifizieren, wie es bei Frühstückseiern üblich sei. Dann  wäre es viel einfacher, die Herkunft der Eier zurückzuverfolgen.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Karin Thissen bekräftigte ihre Forderung nach neuen Bundes- und Landesstrukturen der Lebensmittelüberwachung, deren Zusammenspiel optimiert werden müsse. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) forderte eine zentrale Risikobewertung durch das Bundesinstitut für Risikobewertung und bundesweit einheitliche Verhaltensempfehlungen. Risikobewertung und Risikokommunikation dürften nicht getrennt werden. Hier müsse das Landwirtschaftsministerium dringend die Koordinierung übernehmen.