Die Fipronil-Krise hat sich von Belgien und den Niederlanden auf Deutschland ausgeweitet. Auch niedersächsische Erzeuger sind betroffen. Die grenzüberschreitende Weitergabe von Informationen lief schleppend. In Eiern von Erzeugern aus Baden-Württemberg wurde bisher kein Fipronil gefunden.
Mit Blick auf die schleppende Informationsweitergabe im Fipronil-Skandal drängt Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt auf eine schnellere Datenweitergabe innerhalb Europas. Bei einer Telefonkonferenz mit seinem belgischen Amtskollegen Denis Ducarme, dem niederländischen Amtskollegen Martijn van Dam sowie mit EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis am Montag seien ihm aus Belgien und den Niederlanden volle Transparenz und schnelle Informationen zugesichert worden.
Zudem habe man sich darauf verständigt, dass deutsche Verbindungsbeamte in die Behörden der Niederlande und Belgiens entsandt würden.
Zur Zeit müssen viele Eier ins Labor.
Schmidt wies darauf hin, dass Bund und Länder auf seine Initiative hin
ein Programm zur intensiven Überwachung von Lebensmitteln mit hohem
Eianteil vereinbart hätten. Die Ursache der Fipronil-Belastung ist nach Einschätzung des Ministers „offensichtlich kriminelle Energie”.
„Dega16” ist ein zugelassenes Stalldesinfektionsmittel auf der Basis ätherischer Öle, das mit dem in der Nutztierhaltung nicht zugelassenen Insektizid Fipronil vermischt wurde. Schmidt begrüßte, dass die Staatsanwaltschaften in den Niederlanden, in Belgien und in Deutschland Ermittlungen aufgenommen haben. Fipronil hat von Anfang Oktober an auch keine Zulassung mehr für den Einsatz als Pflanzenschutzmittel, teilte die EU-Kommission mit.
19 Proben untersucht
In den meisten Bundesländern sind inzwischen belastete Eier
aufgetaucht. Besonders betroffen sind Nordrhein-Westfalen und
Niedersachsen. Belastete Eier waren an Packstationen in
Nordrhein-Westfalen geliefert worden.
In Niedersachsen wurde
das mit Fipronil versehene Desinfektionsmittel Dega-16 in vier
Erzeugerbetrieben eingesetzt, wie das niedersächsische Agrarministerium
mitteilte. In einem der vier Fälle handele es sich um einen Hof mit
Junghennen, in deren Gefieder Fipronil entdeckt worden sei.
Landwirte
müssten sich darauf verlassen können, dass eingekaufte Produkte und
Dienstleistungen einwandfreie Qualität hätten, sagte der Präsident des
Landvolks Niedersachsen, Werner Hilse. Hilse sieht den einzelnen
Landwirt überfordert, wenn er Vorlieferanten oder Dienstleister danach
bewerten solle, ob sie alle lebensmittelrechtlichen Vorschriften
einhielten. Der Schaden müsse zivilrechtlich entschädigt werden, wenn
der unzulässige Einsatz von Fipronil ohne Wissen der Landwirte erfolgt
sei.
Ob für die betroffenen Eierproduzenten und
Verpackbetriebe in Deutschland Entschädigungszahlungen in Frage kommen,
ließ Bundesagrarminister Schmidt offen. Er erinnerte an die
zivilrechtlichen Schadensansprüche, die den Betroffenen bei mutwilliger
Panscherei zuständen. Den Verbrauchern empfahl Schmidt, die
Chargennummern auf den Eiern zu kontrollieren und mit
den Nummern zu vergleichen, die auf der Internetseite
www.lebensmittelwarnung.de aufgeführt würden.
Keine heimischen Eier belastet
Mit Fipronil belastete Eier sind auch nach Baden-Württemberg
gelangt. Ein Sonderkontrollprogramm beim Chemischen und
Veterinäruntersuchungsamt in Freiburg erbrachte laut dem Stuttgarter
Agrarministerium, dass von fünf Proben mit niederländischen
Erzeugercodes drei Proben Rückstände von Fipronil enthielten.
Alle 19 Proben von Erzeugern aus Baden-Württemberg enthielten kein
Fipronil, ebenso jeweils eine Probe aus Hessen und Niedersachsen.
Landwirte, die in gutem Glauben Dega-16 verwendet hätten, forderte
Landwirtschaftsminister Peter Hauk auf, sich beim Veterinäramt zu
melden.
Die niederländische Behörde für Lebensmittelsicherheit (NVWA)
veröffentlichte im Laufe der vergangenen Woche rund 140 Eiercodes von
belasteten Chargen. Gesperrt seien insgesamt noch 180 Höfe, was etwa
einem Fünftel der gesamten holländischen Legehennenbetriebe entspreche.
Mit Blick auf staatliche Entschädigungen sieht es für die
holländischen Erzeuger schlecht aus. So war aus dem Haager
Wirtschaftsministerium zu hören, dass dafür kein Budget zur Verfügung
stehe. Hier müsse eine privatwirtschaftliche Lösung gefunden werden.
Unterdessen haben in Deutschland mehrere Supermarktketten und Discounter
reagiert: Rewe und das Tochterunternehmen Penny haben alle
niederländischen Eier aus dem Regal genommen. Aldi stoppte sogar den
Verkauf sämtlicher Eier, was der Deutsche Bauernverband (DBV) als
überzogen kritisierte. Er verwies darauf, dass das Bundesinstitut für
Risikobewertung (BfR) angesichts der bisherigen amtlichen
Untersuchungsergebnisse für Eier aus deutscher Produktion den Verzehr
deutscher Eier als gesundheitlich unbedenklich eingestuft habe.
Reaktionen aus der Politik
Die Opposition in Berlin kritisierte „mangelhaften
Verbraucherschutz”. So forderte die Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die
Grünen, Katrin Göring-Eckardt, die Regierungskoalition im Bund müsse
den Vorschlägen der Landesagrarminister folgen und verarbeitete Eierware
klassifizieren, wie es bei Frühstückseiern üblich sei. Dann wäre es
viel einfacher, die Herkunft der Eier zurückzuverfolgen.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Karin Thissen bekräftigte ihre
Forderung nach neuen Bundes- und Landesstrukturen der
Lebensmittelüberwachung, deren Zusammenspiel optimiert werden müsse.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) forderte eine zentrale
Risikobewertung durch das Bundesinstitut für Risikobewertung und
bundesweit einheitliche Verhaltensempfehlungen. Risikobewertung und
Risikokommunikation dürften nicht getrennt werden. Hier müsse das
Landwirtschaftsministerium dringend die Koordinierung übernehmen.