Nach intensiven Arbeitswochen hat die Landesregierung einen Rohentwurf für Änderungen im Naturschutz- und Landwirtschaftsgesetz vorgelegt. Landwirtschaftsminister Hauk bezeichnete ihn als großen Erfolg.
Landwirtschaftsminister Peter Hauk: "Wir haben einen großen Erfolg erreicht."
Landwirtschaftsminister Peter Hauk MdL bedankte sich bei allen landwirtschaftlichen Verbänden für die konstruktive Zusammenarbeit. „Unser wichtigstes Ziel war es, das Volksbegehren zu verhindern. Mit dem Ziel der Verringerung der Pflanzenschutzmittelmenge auch in Haus- und Kleingärten, im öffentlichen Grün sowie im Verkehrsbereich, und nicht nur in der Landwirtschaft alleine, haben wir einen großen Erfolg erreicht."
Auch die massive Einschränkung der Landwirtschaft in den Schutzgebieten sei vom Tisch, so der Minister weiter. Hier solle in Zukunft nach den Standards des Landes zum Integrierten Pflanzenschutz gearbeitet werden. Es werde ein Verbot der chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel in Naturschutzgebieten geben, aber hier würden Ausnahmen möglich sein, vor allem für Betriebe, die existentiell betroffen seien.
Pflanzenschutz-Reduktion ist Landesaufgabe
Auch der Vorschlag des LBV, dass klare Evaluierungstermine
erfolgen müssen, bei dem die gesteckten Ziele überprüft und ggf.
nachbessert und neu fokussiert werden, wurde aufgenommen.
Jetzt stehe der Dialog im Fokus,
deshalb werde der Minister im neuen Jahr zu zahlreichen Terminen im
Land unterwegs sein, um das weitere Vorgehen gemeinsam mit der
Landwirtschaft zu besprechen. Drei dieser Termine werden auf Einladung
der Landesanstalten und des Kompetenzzentrums Obstbau Bodensee (KOB)
stattfinden:
- 22. Januar, Lehr- und Versuchsanstalt für Obst- und Weinbau (WBI) Freiburg, Römerhalle, Riegel am Kaiserstuhl, 18.00 Uhr
- 27. Januar, Lehr- und Versuchsanstalt für Obst- und Weinbau (WBI) Weinsberg, 18.00 Uhr
- 30. Januar, Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee (KOB), Rotach-Halle, Ailingen, 19.00 Uhr
Hierzu wird Anfang Januar 2020 eingeladen werden.
Reduktion der chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel
„Ich kann die Skepsis der Bauernverbände ob des Ziels,
chemisch-synthetische Pflan-zenschutzmittel bis 2030 um 40-50 Prozent
reduzieren zu wollen, nachvollziehen", sagte Hauk. Da es sich um ein Ziel der
Landesregierung handele, sei es auch Landesaufgabe, Lösungen
anzubieten und Angebote zu machen, wie das erreicht werde. "Kein
Einzelbetrieb ist von den Auflagen betroffen, kein Betrieb muss die
40-50 Prozent umsetzen. Es geht um ein Gesamtziel", betonte der Minister.
Die Landesregierung will gezielt Anreize setzen, die
Anschaffung neuer Technik und den
freiwilligen Verzicht auf Pflanzenschutzmittel (PSM) massiv fördern. Die Einsparungen der PSM-Menge sollen erreicht werden durch
- technische Weiterentwicklung
- Steigerung des Anteils ökologisch wirtschaftender Betriebe
- Ausbau des integrierten Pflanzenbaus (IP)
- verstärkte Nutzung resistenter Sorten
- Verbot von PSM im Privatbereich
- Reduktion im Bereich des Verkehrs (insbesondere Schiene)
- Ausbau der Förderung zum PSM-Verzicht und verstärkte Nutzung des
Förder-programms für Agrarumwelt, Klima und Tierschutz (FAKT) sowie der
Land-schaftspflegerichtlinie (LPR) durch die landwirtschaftlichen
Betriebe
- optimierter Einsatz von PSM durch Ausbau der Beratung
- Verbot von PSM in Naturschutzgebieten (NSG)
Ob das Ziel erreicht wird, werde durch Evaluierung und ein Netz an freiwilligen Betrieben gemessen.
Ausbau des Anteils der ökologischen Landwirtschaft
Das
Land will die Rahmenbedingungen gestalten und Anreize bieten, damit
genügend Betriebe freiwillig auf ökologische Landwirtschaft umstellen. Soweit das Ziel - 30 bis 40 Prozent bis zum Jahr 2030 - nicht
erreicht wird, müssten diese Rahmenbedingungen verbessert werden.
Maßgeblich für den Erfolg werde der massive Ausbau der Vermarktung und
der Verbraucheraufklärung sein, verlautet es aus dem Ministerium. Nur so lasse sich die Bereitschaft der Verbraucher steigern, einen fairen Preis für regional und biologisch erzeugte Produkte zu zahlen.
Die
Verpachtung der landeseigenen Flächen im Streubesitz erfolge nicht
ausschließlich an ökologisch wirtschaftende Betriebe. Zur Förderung der
biologischen Vielfalt werde es künftig aber möglich sein, auf den Flächen
beispielweise bestimmte FAKT- oder LPR- Maßnahmen umzusetzen. So könnten
auch konventionelle Betriebe die Flächen weiterhin bewirtschaften und
gleichzeitig zum Erhalt der biologischen Vielfalt beitragen. Es ist auch
vorgesehen, dass arrondierte Flächen durch die Regelung nicht
zerstückelt werden.
Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten
Die
Pflanzen und Tiere haben in Naturschutzgebieten künftig Vorrang. Es
gelte ein Verbot für alle PSM ab dem 1. Januar 2022, so das MLR. Es wurden
Ausnahmemöglichkeiten geschaffen:
- für Härtefälle
(insbesondere Existenzgefährdung)
- bei Kalamitäten (massiver
überregionaler Schädlingsbefall)
- zum Schutz der Gesundheit
(Stechmückenbekämpfung, Eichenprozessionsspinner)
- zur Erhaltung der
Schutzgebiete (zur Bekämpfung invasiver Arten oder bei prägenden
Nutzungsarten, insbesondere zum Schutz der auf die besondere Nutzung
angewiesenen spezifischen Tier- und Pflanzengesellschaften) .
Aufbau eines landesweiten Biotopverbunds
Die
Kommunen spielen beim Ausbau des Biotopverbundes auf 15 Prozent der Landesfläche bis 2030 die zentrale Rolle.
Der Aufbau und die Planung werden künftig gefördert. So werde landesweit ein
Netz von Lebensräumen entstehen, die miteinander verbunden sind und den
Austausch von Tieren und Pflanzen untereinander ermöglichen, erklärt das Ministerium. Hierdurch
hätten die unterschiedlichen Populationen die Chance, sich wieder
auszubreiten und sich an geänderte Lebensbedingungen durch den
Klimawandel anzupassen.
Ausgleichsmaßnahmen der Kommunen, aber auch
freiwillige Maßnahmen der Landnutzer gegen Förderung über FAKT oder LPR
könnten so optimal aufeinander abgestimmt werden. Dadurch könnten
Aufwertungen künftig gezielt dort stattfinden, wo sie die größte
Wirkung entfalten. Die freiwillige Umsetzung des Biotopverbundes durch
die Landwirtschaft kann als Refugialfläche angerechnet werden.
Schaffung von Refugialflächen – 10 Prozent im Offenland
Auf 10 Prozent der offenen Landesfläche sollen sogenannte
Refugialflächen für jede Landnutzungsart geschaffen werden. Diese
sollen von den landwirtschaftlichen Betrieben auf freiwilliger Basis
gegen einen finanziellen Ausgleich erbracht werden. Es werde kein
Betrieb gezwungen, Refugialflächen auszuweisen. Allerdings hat sich das
Land zum Ziel gesetzt, dass in jedem Betrieb 5 Prozent der Fläche
biodiversitätssteigernde Maßnahmen umgesetzt werden.
Hierzu werde das
Land die Refugialflächen so attraktiv gestalten, dass die Betriebe auch
aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Interesse an der Umsetzung
haben. Was genau als Refugialflächen anerkannt wird, soll durch eine
Verwaltungsvorschrift festgelegt werden. Ziel ist, dass vorrangig
mehrjährige Maßnahmen dominieren, da diese nachweislich besonders
biodiversitätsfördernd wirken. Im Rahmen der Förderung sind hierfür
zusätzliche Maßnahmen je Landnutzungsart zu gestalten.
Ausgleichskataster und Erhalt von Streuobstbeständen
Es
soll ein landesweit öffentlich zugängliches, zentrales Kataster für
sämtliche Ausgleichsmaßnahmen geschaffen werden. Dies schaffe
Transparenz und Klarheit über die künftigen Ausgleichsmaßnahmen mit
Flächenbezug. Bestände ab einer Größe
von 1500 Quadratmetern sollen unter diese Regelung fallen. Die Regelungen seien so
ausgestaltet, dass sie die ordnungsgemäße Bewirtschaftung nicht
beeinträchtigen.
Einzelbäume können wie bisher gefällt und oder
nachgepflanzt werden, ohne dass es einer Genehmigung bedarf. Mit dem
Ausbau der Streuobstkonzeption und der Erweiterung der
Fördermöglichkeiten sollen auch Nicht-Landwirte künftig unter
bestimmten Voraussetzungen eine Förderung für die Pflege erhalten.
Die
Umwandlung von Streuobstbeständen soll auch künftig möglich sein, wenn
die Gründe für die Umwandlung so gewichtig sind, dass der Erhalt hier zurückstehen muss. In diesen Fällen erfolgt aber ein Ausgleich
vorrangig durch die Anlage eines neuen Streuobstbestandes.
Die gesamte Gesellschaft wird in die Pflicht genommen
Der
Erhalt der Biologischen Vielfalt ist eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe, sagt das Ministerium. Daher werden auch die Kommunen und Privatpersonen in die
Pflicht genommen. Es werde im Gesetz klargestellt, dass Schottergärten
keine zulässige Gartennutzung darstellen.
Die Lichtverschmutzung durch
Beleuchtung im Außenbereich, aber auch im Innenbereich, insbesondere
durch Vorgaben zur Straßenbeleuchtung und bei der Beleuchtung von
öffentlichen Gebäuden, werde minimiert. Die öffentliche Verwaltung soll
ihre Garten- und Parkflächen künftig insektenfreundlich pflegen und die
Nutzung von chemisch-synthe-tischen Pflanzenschutzmitteln im
Siedlungsbereich durch Private soll verboten werden. Dafür wird sich
Baden-Württemberg mit einer Bundesratsinitiative einsetzen.
Darüber
hinaus sei in allen anderen Schutzgebieten nach Landesnaturschutzgesetz
die Nutzung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln in
Privatgärten untersagt.
Um das gegenseitige
Verständnis und den Austausch zu verbessern, werde ein Dialogprozess
zwischen Landwirtschaft und Naturschutz auf verschiedenen Ebenen
stattfinden. Ziel ist, die Gemeinsamkeiten zu stärken und die
unterschiedlichen Interessen zu respektieren.
BLHV-Präsident Werner Räpple zeigte sich gestern mit dem Ergebnis der Verhandlungen noch nicht zufrieden.
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