Die eigentliche Ursache für den Rückgang der Artenvielfalt liegt im wirtschaftlichen Druck, dem die Landwirte ausgesetzt sind. Darin waren sich die Referenten des Studium-generale-Abends an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) einig.
Für eine Landwirtschaft, die Artenvielfalt fördert, sind nach Überzeugung Nürtinger Wissenschaftler höhere Erzeugerpreise oder Prämienzahlungen und ein verändertes Konsumverhalten notwendig.
Bei der Veranstaltung in der vergangenen Woche ging es um die Chancen und Hemmnisse einer biodiversitätsfördernden Landwirtschaft. Laut der Agrarökologin Professor Maria Müller-Lindenlauf von der HfWU ist die Artenvielfalt in der Landwirtschaft ein ökonomisches Problem. „Wie man Biodiversität macht, das wissen wir”, so die Wissenschaftlerin.
Erzeugerpreise und Konsumverhalten
Der Biodiversitätsverlust in der Agrarlandschaft sei
das Ergebnis einer Landwirtschaft, die unter der Nutzung des technischen
Fortschritts auf hohe Erträge zu niedrigen Erzeugerkosten optimiert
worden sei. Nach der Überzeugung der Agrarökologin gibt es
„pflanzenbaulich super Systeme”. Die müssten aber in der Praxis
wirtschaftlich umsetzbar sein. Für eine Landwirtschaft, die
Artenvielfalt fördere, seien daher höhere Erzeugerpreise oder
Prämienzahlungen und ein verändertes Konsumverhalten notwendig.
Müller-Lindenlauf fordert einen Paradigmenwechsel.
Ökologisches Optimum anstreben
Nicht mehr das Ertragsmaximum, sondern das
ökologische Optimum müsse die Richtschnur in Lehre, Beratung und
Forschung werden.
Professor Markus Röhl von der HfWU mahnte ebenfalls einen
Paradigmenwechsel an. Auch nach seiner Einschätzung sind „die
ökonomischen Aspekte” zentral. Historische Kulturlandschaften dienten
dem Naturschutz häufig als Leitbild, erklärte Röhl. Zum einen gebe es
aber ganz unterschiedliche Arten von Kulturlandschaften, zum anderen sei
eine Übertragung der historischen Nutzung auf heutige Verhältnisse
hinsichtlich des Naturschutzes problematisch. So gebe es heute zum
Beispiel rechtliche Einschränkungen. Vor allem aber fehle oft die
wirtschaftliche Grundlage.
Auf Streuobstwiesen in Baden-Württemberg sei etwa im 19. Jahrhundert die
Mehrfachnutzung wirtschaftlich machbar gewesen. Das sei jetzt nicht
mehr der Fall. Auch Naturschutzgebiete hätten beim Rückgang der
Artenvielfalt keine Trendwende gebracht, und „in landwirtschaftlich
dynamischen Gebieten hat der Naturschutz versagt”, so der Befund des
Wissenschaftlers. Hier sei durchaus auch Eigenkritik angebracht, befand
Röhl und forderte einen Wechsel weg von einem System, „das Verluste
finanziert, hin zu echten Prämien”.
Landwirte sind keine Ehrenämtler
In der Landwirtschaft sieht der Wissenschaftler einen
zentralen Treiber der Biodiversität, und zwar im Guten wie im
Schlechten. Klar sei aber, „Landwirte sind keine Ehrenämtler. Wollen wir
die Artenvielfalt stärken, müssen auch entsprechend die Einnahmequellen
stark ausgebaut werden”. Röhl und Müller-Lindenlauf waren sich einig
darin, dass die Biodiversität vom wirtschaftlichen Hemmnis zum Anreiz
werden müsse.