Land und Leute | 14. Februar 2019

Dietenbach treibt die Freiburger um

Von René Bossert
Der Bürgerentscheid zum Freiburger Neubaustadtteil Dietenbach rückt näher. Vergangene Woche wurden vor vollen Rängen im Freiburger Konzerthaus noch einmal Pro- und Kontra-Argumente ausgetauscht.
Die Diskussion um den Stadtteil,  in  dem auf rund 110 Hektar Fläche einmal 15000 Menschen wohnen sollen,  treibt die Freiburger um: Knapp 1300 von ihnen waren zu  der zweistündigen Infoveranstaltung  gekommen, bei der  vorgegebene Fragen in dreiminütigen Statements  beantwortet wurden.
  Fünf gegen fünf traten Befürworter und Gegner an. Die Pro-Seite hatte drei Gemeinderätinnen, den Baubürgermeister und den Oberbürgermeister aufgeboten und konnte rhetorisch einen knappen  Punktsieg für sich verbuchen. Aber auch die Bürgeraktion „Rettet Dietenbach”  konnte bei dem jederzeit in sachlicher Form geführten Austausch mit ähnlich starkem  Applausaufkommen für beide Seiten  ihre Argumente vermitteln.
Die Info-Stände von Gegnern und Befürwortern im Freiburger Konzerthaus waren dicht umlagert.
War der Abend einer, der  viel Einfluss auf das Stimmverhalten  der Bevölkerung haben könnte?  Eher nein – weil einerseits echte Überraschungen ausblieben und andererseits keines der beiden Lager total  in die Defensive geriet. Ein  Meinungsbild erhoben hatte in den Wochen zuvor  die Badische Zeitung in einer repräsentativen Umfrage, deren Ergebnisse am Tag der Infoveranstaltung bekanntgegeben wurden. Danach sind von den 1000 Befragten 58 %  für den Neubaustadtteil, 31 % dagegen, die übrigen waren  noch unentschieden oder machten keine Angaben.
Eine Frage, die auf dem Podium beantwortet werden musste, hieß: Darf Freiburg zu Lasten der Landwirtschaft wachsen? Zwölf Landwirte und 70 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche seien betroffen, sagte Grünen-Gemeinderätin Maria Viethen.  In der Abwägung habe der Gemeinderat – übrigens mit 43 von 48 Stimmen – der Bebauung den Vorzug gegeben. Wenn statt kompakt wie in Dietenbach im Umland gebaut würde, wäre der Flächenverbrauch noch drei- bis viermal höher.  Die Frage der Versorgung der Stadt entscheide sich nicht in Dietenbach, sagte Viethen, die in diesem Zusammenhang    den Anbau von Biogas-Mais in der Rheinebene kritisierte.
Nicht nur Wohnen, sondern auch Essen sei ein Grundbedürfnis, hielt Angela Herlyn von der Bürgeraktion „Rettet Dietenbach” dagegen. Die Stadt dürfe den Bezug zu den Lebensgrundlagen nicht verlieren, Nahrung komme nicht vom Disounter, sondern vom Acker. „Wir brauchen wieder mehr Ernährungssouveränität”, sagte sie. In Zeiten des Klimawandels müsse Siedlungsentwicklung den Flächenschutz ernst nehmen.
Den Wohnraum wollen die Dietenbach-Gegner durch Innenentwicklung gewinnen: Aufstockung von Gebäuden, Dachausbauten und die Überbauung von Parkplätzen sind drei der vorgeschlagenen Maßnahmen. Diese Vorschläge seien  nicht zuende gedacht, entgegnete der Freiburger Baubürgermeister Martin Haag. Sie würden eine massive Nachverdichtung  mit vielen Anwohnerprotesten bedeuten, außerdem  müssten dann zusätzliche  Kindergärten und Schulen entstehen.
 
Hohe Wahlbeteiligung zu erwarten
Kontrovers gesehen wurde auch,  ob  Wohraum entsteht, den sich nicht nur Gutverdiener leisten können. „Wer es billig haben will, kauft keinen neuen Wagen”, spielte  Manfred Kröber für die Gegner auf die seiner Meinung nach zu erwartenden hohen Baukosten an. Die Befürworter erinnerten an den vorgesehenen Anteil von 50 % an geförderten Mietwohnungen. „Wir brauchen den Stadtteil, um eine schwere soziale Schieflage zu vermeiden”, sagte Maria Viethen.
Am 24. Februar wird abgestimmt. Der Bürgerentscheid ist dann erfolgreich, wenn sich mindestens 20 % der Wahlberechtigten – das sind 34500 Personen – für eine der beiden Alternativen entscheiden.  Schon 10,5 % der Wahlberechtigten hätten bis dato Briefwahl beantragt, sagte  Oberbürgermeister Martin Horn im Konzerthaus. Das lässt darauf schließen, dass der Bürgerentscheid nicht an einer zu niedrigen Wahlbeteiligung scheitern wird.