Betrieb und Wirtschaft | 24. September 2015

Dieses Jahr ist Mostobst wieder gefragt

Von Matthias Borlinghaus
Bei der Eröffnung der Apfelsaftsaison in Oberteuringen wurde deutlich, dass die Marktlage bei Mostobst eine ganz andere ist als im vergangenen Jahr.
„Die Firma Knill steht für die rund 100 Fruchtsaftkeltereien in Baden-Württemberg”, meinte Dr. Friedrich Ahrens vom Stuttgarter Landwirtschaftsministerium, der zusammen mit Klaus Heitlinger vom Verband der deutschen Fruchtsaftindustrie  vergangene Woche den offiziellen Startschuss in die Apfelsaftsaison 2015 gab.
Start in die Apfelsaftsaison auf dem Betrieb der Firma Knill GmbH (von links): Daniel Weeber, Referent beim Verband der Agrargewerblichen Wirtschaft, Klaus Heitlinger, Rudolf Knill und Dr. Friedrich Ahrens.

Die riesigen Tanks der Kelterei Knill GmbH in Oberteuringen am Bodensee warten darauf, gefüllt zu werden. Das wird nicht einfach. Zum einen ist das Fassungsvermögen der Tanks ziemlich groß. Es beträgt 21 Mio. Liter. Zum anderen sind die Äpfel knapp und etwa dreimal so teuer wie im Vorjahr. Jährlich werden im Land rund 200 Mio. Liter Apfelsaft aus heimischem Rohstoff hergestellt, das ist etwa die Hälfte der deutschen Produktion. Der regionale Bezug in der Vermarktung sei keinesfalls selbstverständlich, unterstrich Ahrens. Er lobte die hohe Investitionsbereitschaft der Branche. Allein die Firma Knill hat in den letzten zehn Jahren rund acht Millionen Euro in ihre beiden Standorte investiert.
Seit 2008 widmet sie sich auch ihrem eigenen Bioanbau auf rund 50 Hektar Fläche. Die Keltereien sieht Ahrens als Partner des Streuobstes und damit auch des Naturschutzes.
1100 Anträge
Um den Rückgang der Streuobstbestände zu stoppen, gibt es jede Menge Initiativen einschließlich neuer Fördermodule für Baumschnittmaßnahmen. „Dieses Jahr sind 1100 Anträge eingegangen, die rund 410000 Bäume umfassen, das sind rund fünf Prozent des Gesamtbestandes”, so Ahrens.
Klaus Heitlinger  lobte diese Fördermaßnahmen in Baden-Württemberg als vorbildlich zur Stabilisierung der Erzeugerpreise. Erwartet werden deutschlandweit 450000 t Mostobst gegenüber 800000t im Vorjahr. Dieser Trend gilt auch für Baden-Württemberg, wo etwa 60 Prozent dieser Mengen geerntet werden. Aus dem Erwerbsobstbau werden jährlich zwischen 900000 t und 1,1 Mio. t versaftet. Rudolf Knill, der rund 40000t Äpfel verarbeitet, bezieht dieses Jahr vermutlich nur 10% aus dem Streuobst. „Die Mostäpfel kosten in Europa frei Silo zwischen 14 bis 16 Euro/dt”, meinte Heitlinger. Nach Abzug der Sammel- und Transportkosten errechnen sich Erzeugerpreise von 13 bis 14 Euro/dt am See, im übrigen Land werden aktuell 10 bis 12 Euro/dt inklusive Mehrwertsteuer bezahlt, die Tendenz  ist steigend.
Mit Blick auf die Einkaufspolitik meinte er selbstkritisch: „Wir fragen heute nach jedem Apfel, im letzten Jahr wollten wir sie  nicht. Da muss man sich  schon mal fragen, ob man hier nicht homogener und weniger kampagnengetrieben agieren sollte.”
Auf der Abnehmerseite stehen den 350 Saftherstellern in Deutschland gerade einmal noch fünf Einkäufer gegenüber die 75% der Menge abnehmen. „Wir sind mit einer Marktmacht konfrontiert, die ungesund ist”, befand Heitlinger und rief nach einem Einschreiten des Kartellamtes. Der Mittelstand wandle sich immer mehr zum Konzernlieferanten.
„Wenn der Saft jetzt teurer wird, wie dies aktuell wegen der knappen Ernte der Fall ist, macht Lidl genau das Gegenteil und senkt die Verbraucherpreise. 55 Cent kostet bei Lidl ein Liter Direktsaft. So wird man als Preisprimus wahrgenommen”, kritisierte Heitlinger die Preispolitik des Discounters scharf.
Der Fruchtsaftabsatz habe sich im ersten Halbjahr 2015 positiv entwickelt. Erstmals seit zwölf Jahren habe Fruchtsaft wieder an Menge gewonnen, allerdings sind die Säfte tendenziell günstiger geworden. Positiv sei, dass immer mehr Direktsaft getrunken wird, 8,9% mehr als im Vorjahr.
Dem Streuobst bescheinigte Heitlinger eine hohe emotionale Qualität. Gleichwohl sei Streuobst ein unsicherer Lieferant. „Alle zwei Jahre bekommen wir wenig”, so Heitlinger. Der Anteil Mostäpfel aus dem Erwerbsobstbau sei zwar konstanter, aber tendenziell ebenso rückläufig.
 Vor diesem Hintergrund plädierte er künftig für mehr Vertragsanbau speziell für die Saftproduktion. „Das kann man nur machen in Regionen, in denen das Know-how für den Obstbau vorhanden ist”, so Heitlinger. Deutschlandweit sieht er hier ein Anbaupotenzial von bis zu 10000 Hektar.