Die Zukunft der Tierhaltung im Diskurs
Von AgE
Der Deutsche Bauernverband (DBV) sucht den öffentlichen Diskurs über die Zukunft der Nutztierhaltung. Beim Tagesspiegel-Fachforum Landwirtschaft am 25. Oktober betonte Vizepräsident Werner Schwarz die Dialogbereitschaft der Tierhalter.
Die Bereitschaft zum Umbau der Tierhaltung ist da – doch wer bezahlt ihn? Die Verbraucher an der Ladentheke nur begrenzt, wie seit vielen Jahren belegt.
Es gehe darum, den Weg der Veränderungen weiterzugehen und im Einklang mit gesellschaftlichen Vorstellungen vorhandene Herausforderungen und Zielkonflikte zu lösen. Dazu gehöre auch „der ehrliche und offene Dialog mit den Kritikern der modernen Nutztierhaltung”.
Greenpeace-Agrarreferent Martin Hofstetter forderte eine Abkehr der Tierhaltung von ihrer bisherigen Ausrichtung auf internationale Märkte und eine konsequente Orientierung an nationalen und europäischen Qualitätsmärkten. Hofstetter bezeichnete grundlegende Änderungen in der Tierhaltung als sicher, unabhängig von der politischen Couleur des künftigen Bundeslandwirtschaftsministers.
Mehr Realismus gefordert
Mehr Realismus in der Debatte um einen Umbau der
Nutztierhaltung in Deutschland empfahl der Präsident des
Thünen-Instituts (TI), Professor Folkhard Isermeyer. „Der Markt wird das
Problem nicht lösen”, sagte der Agrarökonom. Einen wirklichen
Kurswechsel in der nationalen Tierhaltung kann dem Wissenschaftler
zufolge allein die Politik herbeiführen. Notwendig sei eine neue
Finanzarchitektur mit einer Abgabe auf Milch- und Fleischprodukte. Mit
diesem Geld könnten Landwirte bezahlt werden, um die betrieblichen
Mehrkosten einer artgerechteren Tierhaltung zu decken.
Im internationalen Wettbewerb setzen sich Isermeyer zufolge
Produktionssysteme in der Tierhaltung durch, die den Vorstellungen der
hiesigen Bevölkerung nicht mehr entsprechen. Eine überwiegende Mehrheit
der Deutschen sei laut Umfragen der Auffassung, „dass wir mit Tieren
anders umgehen sollten, als das im Billigsegment des Marktes heute der
Fall ist”. Isermeyer wies darauf hin, dass sich diese Haltung nur
begrenzt im Einkaufsverhalten niederschlage. Den Anteil der Verbraucher,
die offen seien für besonders tierwohlgerecht erzeugte und damit
höherpreisige Produkte, veranschlagten wissenschaftliche Untersuchungen
auf nicht mehr als 30 Prozent. Daran würden auch starke Appelle aller
Voraussicht nach nichts ändern.
„Eine Entwicklung, die allein dem Markt überlassen bleibt, wird nicht zu
einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung führen”, schließt
der Thünen-Präsident daraus. Unumgänglich für eine Neuausrichtung der
Tierhaltung sei daher eine politische Lösung mit einem staatlichen
Finanztransfer als Kernelement. Dessen Volumen beziffert Isermeyer mit
mindestens einer Milliarde Euro im Jahr und damit dem Zehnfachen des
Etats der Initiative Tierwohl.