Politik | 03. September 2015

Die Forderungen bei Milch werden lauter

Von AgE/DBV(red
Angesichts der anhaltenden Preismisere am Milchmarkt haben sich die Agrarminister mehrerer Bundesländer in der vergangenen Woche für effektive Gegenmaßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene ausgesprochen.
In München (Bild), auf dem Odeonsplatz und vor der Staatskanzlei, endete am Dienstag die achttägige Staffelfahrt, an der Milchviehhalter aus verschiedenen Regionen in Deutschland teilnahmen, darunter auch aus Südbaden. An der Kundgebung in Bayerns Landeshauptstadt nahmen laut dem Veranstalter, dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), über 3000 Milchbauern mit mehr als 500 Traktoren teil. Unter anderem warfen die Demonstrationsteilnehmer Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt „Untätigkeit und Verweigerungshaltung” vor.
Gefordert wird von diversen Ressortchefs wie auch vom Berufsstand eine Verwendung der Finanzmittel aus der Milch-Superabgabe zur konkreten Unterstützung der Milchviehhalter. Strittig sind dagegen nach wie vor Forderungen nach staatlichen Anreizen zur Drosselung der Milchproduktion.
Im Schulterschluss
Unterdessen übten zahlreiche Politiker Schulterschluss mit den Milchbauern. Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister  Till  Backhaus  stellte auf der Kundgebung des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) am Montag vergangener Woche in Schwerin fest, dass sich die Lage zugespitzt habe. „Für weniger als 26 Cent pro Kilogramm Milch kann kein Landwirt kostendeckend produzieren”, so der SPD-Politiker.  Die Veredlungswirtschaft und damit auch die Milchviehhaltung würden im Mittelpunkt der Agrarministerkonferenz 2016 stehen, bei der er den Vorsitz habe, erklärte Backhaus. Von der EU-Kommission erwarte er, dass sie sich trotz der aktuellen Sommerpause für die Milchviehhalter stark mache.
Auf Qualität und Regionalität setzen
Zu Wort meldete sich auch Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Alexander  Bonde: Er sprach sich dafür aus, den Bauern das Geld aus der Superabgabe zurückzugeben, die sie als Strafe für die Überschreitung der Milchquote im Milchwirtschaftsjahr 2014/15 an Brüssel zahlen mussten. Grundsätzlich unterstrich der Grünen-Politiker die Forderung nach einer Agrarpolitik, die nicht nur auf Billigproduktion und Export setze, sondern auf Qualität und Regionalität.
BLHV: Prämien pünktlich auszahlen
Der BLHV verlangte, die Finanzmittel aus der Superabgabe uneingeschränkt zur Liquiditätssicherung von Milchbetrieben zu verwenden und das Interventionspreisniveau anzuheben. Darüber hinaus forderte der Hauptverband von der Stuttgarter Landesregierung, die Betriebsprämien pünktlich auszuzahlen. Die Möglichkeit, eine steuerliche Risikoausgleichsrücklage zu schaffen, mit der sich Landwirte für schlechte Jahre absichern können, müsse auf Bundesebene endlich geschaffen werden, lautet eine weitere Forderung. An den Lebensmitteleinzelhandel und den Discount gerichtet bezeichnete es der BLHV als „inakzeptabel”, mit Regionalität zu werben, aber andererseits die Preise zu drücken.
Der BDM-Vorsitzende Romuald  Schaber  warnte: „Es brennt auf den Höfen!” Mit 32 Prozent weniger Milchgeld könnten die Landwirte weder die Betriebsausgaben decken noch das Familieneinkommen sichern. Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt und Bundeskanzlerin Angela  Merkel  müssten Verantwortung übernehmen. Auf einer Staffelfahrt in mehreren Bundesländern besuchten die Milchbauern vergangene Woche Politiker und Molkereien, um deren Unterstützung einzufordern. Am Dienstag dieser Woche gab es eine Kundgebung in München, bei der laut BDM ein Appell an CSU-Parteichef Horst  Seehofer  erging, seinen Parteikollegen Schmidt in die Pflicht zu nehmen, „endlich” im Sinne der Milchviehhalter aktiv zu werden.
EU-Anreizsystem
Mit Blick auf Lösungsvorschläge seines Verbandes erklärte Schaber: „Unser Konzept ist keine Rückkehr zu einer staatlichen Mengen- oder Preissteuerung oder gar zur Quote.” Eine staatliche Deckelung der Milchmenge mit einem EU-Anreizsystem zur freiwilligen Produktionsdrosselung solle nur zeitlich befristet für die Krise gelten und sei  nur nötig, wenn alle anderen Maßnahmen  versagt hätten. Mit Vereinbarungen mit einzelnen Handelsketten werde sich der Verband nicht zufriedengeben, so Schaber, denn nur etwa 37 Prozent der deutschen Milch gehe in den Lebensmitteleinzelhandel. Der größere Teil fließe in die Lebensmittelproduktion. In diesem Vermarktungskanal werde aber noch deutlich weniger bezahlt als im Handel.
Lidl will Einkaufspreise nicht weiter senken
Der Deutsche Bauernverband (DBV) meldete am Freitag voriger Woche einen ersten Erfolg intensiver Gespräche zwischen seinem Präsidenten Joachim  Rukwied  und Vertretern des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) über die Situation der Milcherzeuger. Demnach will der Discounter Lidl Deutschland die Einkaufspreise für Molkereiprodukte in der anstehenden Verhandlungsrunde nicht weiter senken.
Auch im Hinblick auf eine Anhebung der Einkaufspreise für Trinkmilch in Deutschland habe der Konzern Verhandlungsbereitschaft gezeigt. „Dies ist ein wichtiges Signal für die Erzeuger. Damit stellt sich Lidl Deutschland seiner Verantwortung für die Lebensmittelkette und unterstützt die Landwirte in einer für sie äußerst schwierigen Weltmarktlage”, sagte Rukwied. Natürlich erwarteten die Bauern auch von anderen Handelsunternehmen ein entsprechendes Verantwortungsbewusstsein.
Lidl rangiert nach eigenen Angaben umsatzmäßig unter den zehn größten Lebensmitteleinzelhandelskonzernen in Deutschland und verfügt über das größte Netz an Discountmärkten in Europa.