Angesichts der anhaltenden Preismisere am Milchmarkt haben sich die Agrarminister mehrerer Bundesländer in der vergangenen Woche für effektive Gegenmaßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene ausgesprochen.
In München (Bild), auf dem Odeonsplatz und vor der Staatskanzlei, endete am Dienstag die achttägige Staffelfahrt, an der Milchviehhalter aus verschiedenen Regionen in Deutschland teilnahmen, darunter auch aus Südbaden. An der Kundgebung in Bayerns Landeshauptstadt nahmen laut dem Veranstalter, dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), über 3000 Milchbauern mit mehr als 500 Traktoren teil. Unter anderem warfen die Demonstrationsteilnehmer Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt
„Untätigkeit und Verweigerungshaltung” vor.
Gefordert wird von diversen Ressortchefs wie auch vom Berufsstand eine Verwendung der Finanzmittel aus der Milch-Superabgabe zur konkreten Unterstützung der Milchviehhalter. Strittig sind dagegen nach wie vor Forderungen nach staatlichen Anreizen zur Drosselung der Milchproduktion.
Im Schulterschluss
Unterdessen übten zahlreiche Politiker
Schulterschluss mit den Milchbauern. Mecklenburg-Vorpommerns
Landwirtschaftsminister Till Backhaus stellte auf der Kundgebung des
Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) am Montag vergangener
Woche in Schwerin fest, dass sich die Lage zugespitzt habe. „Für weniger
als 26 Cent pro Kilogramm Milch kann kein Landwirt kostendeckend
produzieren”, so der SPD-Politiker. Die Veredlungswirtschaft und damit
auch die Milchviehhaltung würden im Mittelpunkt der
Agrarministerkonferenz 2016 stehen, bei der er den Vorsitz habe,
erklärte Backhaus. Von der EU-Kommission erwarte er, dass sie sich trotz
der aktuellen Sommerpause für die Milchviehhalter stark mache.
Auf Qualität und Regionalität setzen
Zu Wort meldete sich auch
Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Alexander Bonde: Er sprach
sich dafür aus, den Bauern das Geld aus der Superabgabe zurückzugeben,
die sie als Strafe für die Überschreitung der Milchquote im
Milchwirtschaftsjahr 2014/15 an Brüssel zahlen mussten. Grundsätzlich
unterstrich der Grünen-Politiker die Forderung nach einer Agrarpolitik,
die nicht nur auf Billigproduktion und Export setze, sondern auf
Qualität und Regionalität.
BLHV: Prämien pünktlich auszahlen
Der BLHV verlangte, die Finanzmittel aus der
Superabgabe uneingeschränkt zur Liquiditätssicherung von Milchbetrieben
zu verwenden und das Interventionspreisniveau anzuheben. Darüber hinaus
forderte der Hauptverband von der Stuttgarter Landesregierung, die
Betriebsprämien pünktlich auszuzahlen. Die Möglichkeit, eine steuerliche
Risikoausgleichsrücklage zu schaffen, mit der sich Landwirte für
schlechte Jahre absichern können, müsse auf Bundesebene endlich
geschaffen werden, lautet eine weitere Forderung. An den
Lebensmitteleinzelhandel und den Discount gerichtet bezeichnete es der
BLHV als „inakzeptabel”, mit Regionalität zu werben, aber andererseits
die Preise zu drücken.
Der BDM-Vorsitzende Romuald Schaber warnte: „Es brennt auf den Höfen!”
Mit 32 Prozent weniger Milchgeld könnten die Landwirte weder die
Betriebsausgaben decken noch das Familieneinkommen sichern.
Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt und Bundeskanzlerin Angela Merkel müssten Verantwortung übernehmen. Auf einer Staffelfahrt in
mehreren Bundesländern besuchten die Milchbauern vergangene Woche
Politiker und Molkereien, um deren Unterstützung einzufordern. Am
Dienstag dieser Woche gab es eine Kundgebung in München, bei der laut
BDM ein Appell an CSU-Parteichef Horst Seehofer erging, seinen
Parteikollegen Schmidt in die Pflicht zu nehmen, „endlich” im Sinne der
Milchviehhalter aktiv zu werden.
EU-Anreizsystem
Mit Blick auf Lösungsvorschläge seines
Verbandes erklärte Schaber: „Unser Konzept ist keine
Rückkehr zu einer staatlichen Mengen- oder Preissteuerung oder gar zur
Quote.” Eine staatliche Deckelung der Milchmenge mit einem
EU-Anreizsystem zur freiwilligen Produktionsdrosselung solle nur
zeitlich befristet für die Krise gelten und sei nur nötig, wenn alle
anderen Maßnahmen versagt hätten.
Mit Vereinbarungen mit einzelnen Handelsketten werde sich der Verband
nicht zufriedengeben, so Schaber, denn nur etwa 37 Prozent der deutschen
Milch gehe in den Lebensmitteleinzelhandel. Der größere Teil fließe in
die Lebensmittelproduktion. In diesem Vermarktungskanal werde aber noch
deutlich weniger bezahlt als im Handel.
Lidl will Einkaufspreise nicht weiter senken
Der Deutsche Bauernverband (DBV) meldete am Freitag voriger Woche einen ersten Erfolg intensiver Gespräche zwischen seinem Präsidenten Joachim Rukwied und Vertretern des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) über die Situation der Milcherzeuger. Demnach will der Discounter Lidl Deutschland die Einkaufspreise für Molkereiprodukte in der anstehenden Verhandlungsrunde nicht weiter senken.
Auch im Hinblick auf eine Anhebung der Einkaufspreise für Trinkmilch in Deutschland habe der Konzern Verhandlungsbereitschaft gezeigt. „Dies ist ein wichtiges Signal für die Erzeuger. Damit stellt sich Lidl Deutschland seiner Verantwortung für die Lebensmittelkette und unterstützt die Landwirte in einer für sie äußerst schwierigen Weltmarktlage”, sagte Rukwied. Natürlich erwarteten die Bauern auch von anderen Handelsunternehmen ein entsprechendes Verantwortungsbewusstsein.
Lidl rangiert nach eigenen Angaben umsatzmäßig unter den zehn größten Lebensmitteleinzelhandelskonzernen in Deutschland und verfügt über das größte Netz an Discountmärkten in Europa.