Die Landwirtschaftsminister der Länder nehmen die aktuellen Sorgen der Landwirte sehr ernst. Das hat der Vorsitzende der Agrarministerkonferenz (AMK), der rheinland-pfälzische Ressortchef Volker Wissing, am 27. September auf der Abschlusspressekonferenz in Mainz deutlich gemacht.
Akteure auf der Agrarministerkonferenz (AMK), von links: Peter Hauk, Julia Klöckner, Volker Wissing (Hausherr und Vorsitzender der AMK).
Ein wichtiges Augenmerk der AMK habe darauf gelegen, wie wieder eine „Befriedung der Gesellschaft” gelingen könne. Viele Landwirte fühlten sich missverstanden und angeprangert und von der Gesellschaft ausgegrenzt. Die Landwirte sollen gesunde Lebensmittel herstellen und würden daran gehindert, Pflanzenschutzmittel auszubringen. „Wir müssen es in den nächsten Monaten schaffen, die Dinge wieder zusammenzubringen in Deutschland”, erklärte Wissing mit Blick auf die gegensätzlichen Auffassungen in Teilen der Gesellschaft und in der Landwirtschaft. „So einfach zu sagen, wir brauchen keine Pflanzenschutzmittel mehr, ist ebenso naiv, als wenn wir uns einreden würden, dass wir alle gesund werden, wenn wir keine Medikamente mehr nähmen”, so der Liberale.
Pflanzenschutz: Verzicht unrealistisch
Besorgt um die Stimmung im landwirtschaftlichen
Berufsstand zeigte sich auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia
Klöckner. „Stirbt die Landwirtschaft, sterben auch die ländlichen
Räume”, warnte die CDU-Politikerin. Nach ihren Worten ist eine aktive
Landwirtschaft notwendig, die spezialisiert ist, die modernisiert ist
und die sich die Digitalisierung zur Hilfe nimmt. Ein „Bauernbashing”,
so wie es mitunter pauschal erlebt werde, führe dazu, dass immer weniger
junge Leute einen Beruf ausübten, der „systemrelevant” sei. Klöckner
sprach sich für einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Gesellschaft
und Landwirtschaft sowie zwischen Verbrauchern und Produzenten
beziehungsweise zwischen Konsumenten und Produzenten aus.
Wissing widersprach der Vorstellung, dass wir auf immer mehr
Pflanzenschutzmittel verzichten und irgendwann eine immer kleinere
Pflanzenschutzmittelliste haben könnten. Das sei schlicht nicht mit der
Realität in Einklang zu bringen.
Dann werde in Kauf genommen, dass es irgendwann auch keine
Landwirtschaft mehr gebe. Es müsste dann aber auch geklärt werden, woher
wir klima- und umweltfreundliche Lebensmittel bekommen wollten. Durch
den Klimawandel gebe es eine massive Zunahme an Schädlingen und
Pflanzenkrankheiten. Auch seien die Anforderungen an den Pflanzenschutz
deutlich gestiegen. Deswegen müsse sehr differenziert vorgegangen
werden, wenn es um eine Pflanzenschutzmittelreduktionsstrategie gehe,
forderte Wissing.
Beispielsweise sei kein Ökoweinbau ohne Pflanzenschutz möglich. Viele
Ökowinzer sagten, dass das chemisch-synthetische Kaliumphosphonat besser
sei als Kupfersulfatlösungen. Auch sei beim Beizverzicht von
Zuckerrübensaatgut kein Beitrag zum Umweltschutz geleistet, da diese
Felder flächendeckend mit Pflanzenschutzmitteln behandelt würden.
Offenen und sachlichen Dialog angemahnt
Der FDP-Politiker mahnte einen
offenen und sachlichen Dialog mit der Bevölkerung an. Vielfach hätten
die Landwirte ein Problem damit, dass in der Bevölkerung die Vorstellung
bestehe, dass Pflanzenschutzmittel einfach weggelassen werden und auf
Ökolandbau umgestellt werden könnte. Das sei aber eine Illusion. „Mit
dem Insektenschutzprogramm sind wir an der Grenze der Existenz der
Landwirte. Wir müssen der Bevölkerung klar machen, worum es geht”, so
Wissing.
Wissing stellte sich hinter die Proteste der Landwirte (siehe Kasten).
Aus seiner Sicht sind viele Forderungen, die der DBV zur AMK erhoben
hat, „berechtigt”. Der Liberale sprach sich für einen nationalen Agrar-
und Klimarat aus, in dem Fachleute unterschiedlicher Disziplinen
vertreten sein sollten, vor allem aber auch Bauern, um
landwirtschaftliche und umweltpolitische Ziele im Dialog mit den
Betroffenen miteinander in Einklang zu bringen.
Stimmung „völlig am Boden”
Zahlreiche Landwirte aus mehreren Landesbauernverbänden sowie der Deutsche Bauernverband (DBV) hatten im Umfeld der AMK ihren Unmut im Rahmen einer Kundgebung deutlich gemacht. DBV-Präsident Joachim Rukwied bekräftigte dort seine Forderung nach einer grundsätzlichen Überarbeitung des „Aktionsprogramms Insektenschutz”. „Es ist zwingend notwendig, dass in diesem Programm der Kooperation ausdrücklich Vorrang vor dem Ordnungsrecht eingeräumt wird”, stellte der Bauernpräsident klar. Der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), Walter Heidl, wies darauf hin, dass die Stimmung bei den Bauern und ihren Familien „völlig am Boden” sei. Mit der Frequenz und Tiefe der Regelungsvorschläge von einseitigen und völlig überzogenen Punkten auf allen Ebenen müsse jetzt Schluss sein, forderte Heidl. Der Hessische Bauernverband (HBV) betonte, dass die Landwirte zum Insektenschutz stünden. Ein Indiz dafür sei die zunehmende Anlage von Blühstreifen auf Ackerflächen. Anstatt diese Bemühungen anzuerkennen und gemeinsam mit den Bauern weiterzuentwickeln, setzten die verantwortlichen Bundesministerinnen Svenja Schulze und Klöckner primär auf das Ordnungsrecht und Verbote.
Der Rheinische Landwirtschafts-Verband (RLV) kritisierte, dass ordnungsrechtliche Maßnahmen für alle Bereiche des Wirtschaftens auf Hof und Feld derzeit von der Politik „rücksichtslos vorangetrieben” würden, anstatt mit den Landwirten sinnvolle und geeignete Wege zu gestalten. Der Hauptgeschäftsführer des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Martin Piehl, erklärte anlässlich der AMK, dass das beschlossene Agrarpaket für viele Landwirte „ein Schlag ins Gesicht” sei. In den vergangenen Jahren habe der Berufsstand mit der Politik einen erfolgreichen Kooperationsnaturschutz aufgebaut. Piehl warf nun die Frage auf, ob diese Anstrengungen der Landwirte von Schulze und Klöckner völlig in Frage gestellt würden.