Politik | 27. Februar 2020

Die Aufmerksamkeit als Chance begreifen

Von AgE
Nach Ansicht von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner genießt die Landwirtschaft in Deutschland derzeit eine bislang unbekannte Aufmerksamkeit. Dies müsse als Chance begriffen werden.
„Selber stärker auf den Fahrersitz klettern”, lautet eine Empfehlung von der DLG-Wintertagung in Münster an die Landwirte.
„Man wird denen zuhören, die eine Vision haben, die mutig sind, die aber klar formulieren, auch an die Politik, was sie für diese Zielsetzung brauchen”, betonte die Ministerin.
Mehr Eigeninitiative der Branche mahnten auch DLG-Präsident Hubertus Paetow, der Agrarökonom Professor Harald Grethe von der Humboldt-Universität (HU) und der Vorstandschef der Vion Food Group, Ronald Lotgerink, an.
Nachhaltigkeit marktfähig machen
Paetow forderte eine eigene konkrete Vision der Landwirtschaft für die Ausgestaltung und die Bemessung eines ökologischen Ausgleichs. Gebraucht werde ein erweitertes System, das die Zielkonflikte der nachhaltigen Entwicklung ausgleiche, ohne auf die erprobten Regelkreise einer Marktwirtschaft zu verzichten. Dies könnte eine „ökologisch-soziale Marktwirtschaft” sein. Laut dem DLG-Präsidenten muss die Nachhaltigkeit in der Nahrungsmittelerzeugung marktfähig gemacht werden. „Als Produktmerkmal, auch und gerade international, als Mehrwert für Verbraucher im Ausland, die bereit sind, für garantierte Nachhaltigkeit und Qualität auch mehr zu bezahlen.”
Paetow räumte ein, dass dies auf den ersten Blick unwahrscheinlich klinge, verwies aber auf die Marktposition deutscher Milchprodukte in China, die dort nach diversen Skandalen um die einheimischen Produkte sehr hoch im Kurs stünden. „Die Agrarproduktion für den Weltmarkt, eingebettet in ein globales System der nachhaltigen Entwicklung, kann also auch für ein Land wie Deutschland ein Ziel sein”, so der DLG-Präsident. Für Politik und Gesellschaft komme es darauf an, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass sich möglichst viele Betriebe entsprechend ihren Stärken im Wettbewerb entwickeln könnten. Neben der Diversität bei den Arten sollte eben auch eine Diversität bei den landwirtschaftlichen Geschäftsmodellen als gesellschaftliches Ziel angestrebt werden. „Diese Perspektive für den Agrarstandort Deutschland hängt im Wesentlichen von unserer Kreativität, unserer Innovationsfreude und dem Engagement der Branche selbst ab”, zeigte sich Paetow überzeugt.
„Auf den Fahrersitz klettern”
Auch Grethe forderte vom Berufsstand mehr Initiative. Es müsse dringend ausgehandelt werden, welche gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft wichtig seien und was getan werden müsse, um diese langfristig zu erhalten. Als eine Priorität benannte der Wissenschaftler die Transformation der Nutztierhaltung. Die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung seien ein „Durchbruch” und vielleicht auch die „letzte Chance”. Dem Sektor empfahl Grethe zu überlegen, „ob man nicht selber stärker auf den Fahrersitz klettert”. Nach seiner Ansicht ist es nicht absehbar, dass die Politik die Transformation der Nutztierhaltung von sich aus hinreichend vorantreiben wird; zudem drohe immer noch eine Verfassungsklage.