Politik | 12. Dezember 2019

Der Wolf bleibt europaweit expansiv

Von AgE
In der Europäischen Union ist im kommenden Jahrzehnt mit einer weiteren Ausbreitung des Wolfes zu rechnen. Darüber hat ein italienischer Forscher bei einer Anhörung im Europaparlament informiert.
Der Wolfsbestand in der EU wird auf 14000 Tiere geschätzt.
Wie der italienische Naturschutzbiologe Professor Luigi Boitani am 5. Dezember bei einer gemeinsamen Anhörung des Umwelt- und des Petitionsausschusses des Europaparlaments in Brüssel ausführte, sind die Bestandstrends in den einzelnen Mitgliedstaaten stabil oder positiv. So sei die Zahl der Wolfsrudel beispielsweise in Deutschland von erst einem im Jahr 2000 auf 70 im Monitoringjahr 2015/16 und weiter gestiegen. Die Population sei um durchschnittlich 34 Prozent jährlich gewachsen. Die größte Wolfspopulation in der EU findet sich laut Boitani in den Karpaten. Insgesamt lebten aktuell etwa 14000 Wölfe in der Staatengemeinschaft.
Als Gründe für die rasche Ausbreitung des Raubtieres nannte der Wolfsforscher die Aufgabe landwirtschaftlicher Flächen in Randgebieten, die hohen Bestände an Beutetieren sowie die große Anpassungsfähigkeit der Tiere. Der Wolf könne quasi überall leben, wo es für ihn genug zu fressen gibt. Zudem könnten die Tiere weite Strecken zurücklegen; 5000 oder auch 10000 km seien möglich. Der Naturschutzforscher warb für einen weiteren strikten Schutz der Tierart, und zwar vornehmlich aus kulturellen und ethischen Gründen.
Bauern geben auf
Der slowenische Landwirt Stanislav Bergant, der eine Petition zum Wolfsmanagement beim Europaparlament eingebracht hatte, warnte indes davor, allein den „romantischen Naturliebhabern” und Gerichten die Entscheidung über den Umgang mit der Wolfspopulation zu überlassen. Laut Bergant ist eine Koexistenz von Raubtieren und der Landwirtschaft in den alpinen Regionen nicht möglich. Schutzmaßnahmen seien dort sehr schwierig. Für Hirten seien die Schafherden in Slowenien nicht groß genug, und Zäune würden das für den Tourismus wichtige Landschaftsbild verändern. Dass die Zahl der Wolfsangriffe zuletzt zurückgegangen sei, liege daran, dass die Schafbestände bereits deutlich abgebaut worden seien.
Der Slowene wies außerdem darauf hin, dass Wolfsrisse weniger wirtschaftliche als psychologische Folgen für die Betroffenen hätten. Und genau deshalb gäben die Bauern auf. „Wölfe sind keine harmlosen großen Fleischfresser”, stellte Bergant klar. Es liege in ihrer Natur, andere Tiere anzugreifen. Es stelle sich auch die Frage der Menschrechte gegenüber der Frage der Biodiversität. Wegen des Raubtieres müssten bislang extensiv genutzte Flächen aufgegeben werden, die eigentlich sehr nützlich seien. „Entweder wir behalten unsere Kulturlandschaft im alpinen Raum oder lassen die Landschaft zuwuchern, weil die Landwirte aufgeben”, so der slowenische Landwirt.
Die Europaabgeordnete Ulrike Müller von den Freien Wählern forderte anlässlich der Anhörung eine konkrete Folgenabschätzung bezüglich der Artenvielfalt. Gerade wenn die Weidehaltung aufgrund von Wolfsangriffen in besonders schützenswerten Gebieten aufgegeben werde, „müssen wir die Biodiversität im Blick behalten”. Falle eine solche Beweidung weg, verbuschten diese Areale, und auch die kräuterreichen Wiesen gingen zurück. „Deshalb will ich wolfsfreie Zonen im Alpenraum erreichen. Dafür brauchen wir ein klar geregeltes Entnahmemanangement”, betonte Müller.
Der Schutzstatus des Wolfes müsse mit den Interessen und dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen vor Ort ausgeglichen werden. „Der Wolf breitet sich beileibe nicht nur auf aufgegebenen Agrarflächen aus, und er ist alles andere als harmlos”, gab Müller dem Petenten Bergant Recht. Wenn hier nicht gegengesteuert werde, brauche es bald eine Verordnung mit „Schutzstatus für Bergbauern”.