Den raschen Beginn von Verhandlungen über einen Mindestlohntarifvertrag in der Landwirtschaft und im Gartenbau hat die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) angemahnt. Unterdessen hält der politische Kampf um eine Ausnahmeregelung für Saisonarbeitskräfte an.
Streitthema Mindestlohn: Das politische Ringen um eine Ausnahmeregelung für Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft hält noch an.
„Unsere Geduld ist langsam zu Ende”, erklärte der stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum am Freitag voriger Woche in Frankfurt. Bereits im März dieses Jahres habe man den beiden Arbeitgeberverbänden angeboten, einen solchen Tarifvertrag abzuschließen. Seit Wochen liege den Arbeitgebern nunmehr das Angebot der Gewerkschaft vor. Anstatt darauf zu reagieren, blockierten diese jedoch die Tarifverhandlungen und spielten lieber auf Zeit, so Schaum. Seiner Einschätzung nach spekulieren die Arbeitgeber darauf, dass Saisonarbeiter doch noch vom gesetzlichen Mindestlohn ausgenommen werden. Für den Gewerkschafter ist dies „ein riskantes Spiel”, denn, so Schaum, „am Ende kommt diese Ausnahme nicht und sie stehen ohne Branchenlösung da”. Dann gelte ab 2015 der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro auch für Erntehelfer. Zudem verstoße eine Herausnahme der Saisonarbeiter aus der Mindestlohnregelung gegen EU-Recht. Beim Gesamtverband der Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) sorgte die Verlautbarung aus Frankfurt hingegen für Überraschung. Dort wies man darauf hin, dass entgegen der Darstellung der IG BAU bereits eine feste Terminabsprache bestehe. Danach beginnen die Verhandlungen mit dem Ziel eines gemeinsamen Mindestlohnvertrages für die Landwirtschaft und den Gartenbau am 3. Juli.
Drei Varianten
Dem Vernehmen nach werden derzeit in der Union drei
mögliche Varianten einer Sonderregelung für Saisonarbeitskräfte
diskutiert. Zum einen wird erwogen, für diese Gruppe nicht den Brutto-,
sondern den Nettolohn als Untergrenze zugrunde zu legen. Begründet wird
dies damit, dass die Saisonkräfte bei einem Aufenthalt von bis zu 50
Tagen ohnehin von Sozialabgaben befreit sind.
Zum anderen gibt es Überlegungen für eine nach Branchen differenzierte
Regelung. Während beispielsweise im Spargelanbau ein Mindestlohn von
8,50 Euro ohne Weiteres verkraftbar wäre, weil sich die Mehrkosten am
Markt durchsetzen ließen, gelte dies für andere Bereiche wie etwa den
Gurkenanbau nicht, lautet die Argumentation.
Schließlich gibt es Stimmen, die eine zeitliche Verschiebung des
gesetzlichen Mindestlohns in der Landwirtschaft auf 2018 oder 2019 ins
Spiel bringen. Die Diskussionen innerhalb der Koalition sind in vollem
Gange. Der Ausgang ist gegenwärtig offen. Unterdessen bekräftigte
Norbert Schindler, CDU-Bundestagsabgeordneter, Vizepräsident des
Deutschen Bauernverbandes (DBV) und Präsident des Bauern- und
Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd (BWV), seine Forderung nach einer
Ausnahmeregelung für Saisonarbeiter beim Mindestlohn.
Praktikable Ausnahmen schaffen
Die Sonderkulturbetriebe hätten einen hohen Bedarf an
bezahlbaren Saisonarbeitskräften. Die Mehrkosten für den Mindestlohn
könnten erfahrungsgemäß nicht an den Lebensmitteleinzelhandel und die
Verbraucher weitergegeben werden; dies zeige die Erfahrung. Darüber
hinaus müsse man den Lohn von Saisonarbeitskräften zur Kaufkraft im
jeweiligen Heimatland ins Verhältnis setzen, argumentiert Schindler. Die
Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa verdienten in den
Sonderkulturbetrieben hierzulande in wenigen Monaten deutlich mehr als
innerhalb eines Jahres in ihrem Heimatland. Zudem seien diese
Arbeitskräfte nur für kurze Zeit in den Betrieben und würden damit in
der Regel nicht am deutschen Sozialsystem teilnehmen, erläuterte der
Politiker. Gleiches gelte für die Saisonarbeitskräfte in der
Gastronomie. Neben Praktikanten und Langzeitarbeitslosen müssten auch
Saisonarbeiter in eine Ausnahmeregelung einbezogen werden.