Tierhaltung | 23. Juni 2017

Der Mastitis zuvorkommen

Von Dr. Michael Götz, Eggersriet/Schweiz
Eine Mastitis findet dann Aufmerksamkeit, wenn sie akut ist. Doch wie entsteht sie und wie kann man ihr vorbeugen? Dazu gab es bei der Melktechniktagung an der schweizerischen Forschungsanstalt Agroscope in Tänikon zwei Referate.
Nach Ansicht von Ute Müller von der Universität Bonn lassen sich die anatomisch-mechanischen Barrieren gegen Mastitiserreger durch die Zucht auf Zitzenlänge und nicht zu hohe Melkbarkeit verstärken.
„Wenn ich einem Prozess zuvorkommen will, dann muss ich ihn kennen”, sagt Ute Müller vom Institut für Tierwissenschaft der Universität Bonn. Die Mastitis oder Euterentzündung beruht auf einer Infektion, also dem Eindringen von Krankheitserregern ins Euter. Ob die  Kuh krank wird, hängt aber nicht nur von den Keimen ab, sondern von verschiedenen Faktoren, die im Tier und in der Umwelt zu suchen sind. Man nennt die Mastitis deshalb eine Faktorenkrankheit. Manche sprechen auch von einer Managementkrankheit. „Damit ist klar, wir können auch etwas dagegen tun”, folgert Müller.
Natürliche Barrieren
Die Natur hat drei Arten von Barrieren eingerichtet, welche die krankmachenden Bakterien daran hindern, in das Euter einzudringen. Erstens die anatomisch-mechanischen Barrieren. Dazu zählen der Strich-, auch Zitzenkanal genannt,  das Schließmuskelsystem zum Verschluss des Strichkanals und das Keratin. Die 2 bis 5 mm breite Strichkanalöffnung bildet für die Bakterien kein Hindernis. Es kommt also darauf an, dass sich der Strichkanal nach dem Melken schnell und dicht verschließt. Das Keratin, eine Art Hornhaut, kann man sich als kleine Plättchen vorstellen, an denen die Bakterien hängen bleiben, wobei diese Plättchen – und damit auch die anhaftenden Bakterien – nach jedem Melkprozess ausgespült werden.
Nach Ansicht der Mastitisforscherin lassen sich die mechanischen Barrieren durch Zucht auf Zitzenlänge und nicht zu hohe Melkbarkeit verstärken; denn eine zu hohe Melkbarkeit kann mit einem nicht so intensiv kontrahierenden Schließmuskelsystem einhergehen. Sind die Zitzen sehr kurz, dann sind auch die Strichkanäle kürzer und damit ist die mechanische Barriere schwächer.
Wichtig: Ausgewogene Ernährung
Die zweite Art von Barriere bilden die weißen Blutkörperchen  (Leukozyten),  die einen wesentlichen Anteil der im Sprachgebrauch geläufigen „Zellen” ausmachen. Sobald Bakterien ins  Euter eindringen, bildet das Knochenmark mehr weiße Blutkörperchen. Diese gelangen über die Blutbahn in die Milch, wo sie die Erreger phagozytieren, sozusagen „fressen”. Dafür brauchen die Leukozyten Energie. Je ausgewogener die Fütterung der Kuh, desto besser die Arbeit der Abwehrzellen, hebt  Müller die Bedeutung der Ernährung bei der Infektionsabwehr hervor.
Mit Dipp- und Sprühmitteln kann man eine zusätzliche künstliche Barriere gegen Mastitiserreger schaffen.
Zur  dritten Art von Barriere gehören  insbesondere die Antikörper. Da sie ebenfalls unter  anderem von Blutzellen gebildet werden, hängt die Effizienz dieser Barrieren wieder von einer guten Fütterung ab. Ziel des Melkens, das heißt  der Melktechnik und der Melkmethode, muss es sein, die verschiedenen Barrieren zu unterstützen, das heißt so zu melken, dass die Zitze elastisch bleibt und es nicht zu Verhärtungen, Ausfransungen der Zitzenöffnung, Hautrissen etc. kommt. Dipp- und Sprühmittel lassen sich zusätzlich als künstliche Barrieren einsetzen.
Tiere kontinuierlich kontrollieren
Kommt es trotz der natürlichen Barrieren zu einer Mastitisinfektion, dann ist eine antibiotische Behandlung des Euters angezeigt. Dies ist nur dann effizient, wenn die hygienischen Mängel nicht zu groß sind und die Abwehr des Tieres durch Haltungs- oder Fütterungsfehler nicht zu sehr geschwächt ist, hält Müller fest. Voraussetzung ist eine kontinuierliche Kontrolle des Einzeltieres angefangen von der Zellzahlkontrolle über den Schalmtest bis hin zur Sauberkeit der Tiere im Stall. Mastitisprävention heißt, der Infektion zuvorzukommen, die Barrieren zu verstärken und rasch auf eine Verschlechterung der Eutergesundheit zu reagieren, fasst Müller zusammen. Das führe zu einer Reduktion des Antibiotika-Einsatzes, zu Kosteneinsparungen und zu einem besseren Wohlbefinden der Kühe. Präventionsmaßnahmen setzen nicht nur bei der Melktechnik und der Melkhygiene an, sondern schon im Stall bei der Stallhygiene und nicht zuletzt auch bei der Haltung, Fütterung und Zucht der Kühe.
Großes Potenzial bei der Prävention
Welche Möglichkeiten gibt es, die Euter mit weniger Antibiotika-Einsatz gesund zu erhalten? Mit dieser Frage befasst sich   Michèle Bodmer von der Wiederkäuerklinik Vetsuisse-Fakultät an der Universität Bern. Sie  stellt  dazu  Ergebnisse aus einer schweizweiten Studie vor. In  100  Milchviehbetrieben mit erhöhten Tankzellzahlen wurde das Mastitismanagement angesehen: 67  bzw. 68  Prozent der Betriebsleiter nahmen bei klinischen und subklinischen Mastitiden nie oder nur teilweise eine Milchprobe vor der Behandlung. Sie ließen die Erreger also nicht im Labor identifizieren. Neun Prozent der Betriebsleiter führten vor der Applikation der Euterinjektoren keine Zitzenkuppendesinfektion durch und 39 Prozent führten sie nicht konsequent durch.
Nur knapp 20 Prozent  der Befragten  wuschen sich vor dem Melken die Hände und nur 14 Prozent  trugen Einweghandschuhe. Obwohl das Vorgemelk am meisten Zellen pro Milliliter Milch enthält, verzichteten 21 Prozent  auf das Vormelken. Zitzengummis haben einen großen Einfluss auf die Gesundheit der Zitzen; trotzdem wechselten nur gerade einmal 15 Prozent der Betriebsleiter diese fristgerecht.
 Daraus wird deutlich, so Michèle Bodmer, dass bei der Melkarbeit ein großes Verbesserungspotenzial besteht. Alleine schafften es die Landwirte aber nicht, der Mastitis vorzubeugen. Sie seien beim Erregernachweis und der Wahl der Medikamente auf die Hilfe der Melkberater und der Tierärzte angewiesen: „Alle Beteiligten müssen mitziehen.” 

Link zum Herunterladen des Tagungsbandes: www.agroscope.admin.ch/agroscope/de/home/aktuell/veranstaltungen/melktechniktagung.html