Der fahrende Dorfladen
2007 kam die Idee auf, mit dem vorhandenen Marktanhänger nicht nur Wochenmärkte zu beschicken, sondern auch Orte anzufahren, in denen die lokale Lebensmittelversorgung eingeschränkt oder vollends ausgestorben ist. Reinhard Frenk berichtet: „Das erste Dorf meiner Verkaufstour war Kürzell.” Hier gab es eine Bürgerversammlung mit dem Ziel, einen Dorfladen zu gründen. Denn der örtliche Metzger hatte aufgehört; ein Lebensmittelladen fehlte. Nur ein Bäcker bot eine Basisversorgung. Das Interesse der Bevölkerung an einem Dorfladen war groß – aber nicht groß genug, um wirklich einen ins Leben zu rufen. Frenk, der mit dem damaligen Ortsvorsteher befreundet ist, machte einen Vorschlag: „Einmal in der Woche kann ich in meinem Verkaufsmobil im Ortskern stehen und ein Basissortiment an Lebensmitteln anbieten.”
Zur eigenen Produktpalette fügte er Nudeln, Honig, Saft und Wein hinzu; neben das Fahrzeug stellte er einen Marktschirm und darunter ein Regal mit rund
20 verschiedenen Obst- und Gemüsesorten. Jeden Freitag ist er seither von 8.30 bis 12.30 Uhr im Ortskern anzutreffen. Längst hat er eine Stammkundschaft aufgebaut, die ihn und eine Mitarbeiterin auf Trab halten.
Und es sollte nicht bei Kürzell bleiben. Mit Schutterzell, Sasbachried, Hugsweier, Heiligenzell, Kippenheim und Müllen stehen nebst drei Märkten jede Woche sieben Orte auf dem Routenplan. Die Orte befinden sich in einem Radius von 50 km um den Lindenhof, und viele schreiben eine ähnliche Geschichte: Der Metzger, der Dorfladen und/oder der Bäcker haben zugemacht, die Bevölkerung wünscht sich einen Dorfladen, doch für einen vollwertigen Laden ist das Marktpotenzial dann doch zu klein. Die Einwohnerzahlen liegen zwischen 130 und 5000 Menschen. Die Ortsverwaltungen kamen eine nach der anderen auf Frenk zu.
Den Kunden in den Dörfern gegenüber positioniert er sich klar als Landwirt. „Wir sind ein Hofladen”, erklärt er jenen, die nach Zahnpasta oder Tomatensauce fragen – in seiner charakteristischen Tonlage, die wohl fast jeden Menschen dazu bringt, ein Stück Käse zu kaufen, auch wenn er Zahnpasta gebraucht hätte.
Das jährliche Hoffest ist für Frenk eine wichtige Möglichkeit, um den Kontakt zwischen Kunden am Verkaufsmobil und dem landwirtschaftlichen Betrieb zu pflegen. Allen Kunden schenkt er im Vorfeld einen Getränkebon fürs Fest. Erfahrungsgemäß werden Getränke im Wert von rund 300 Euro eingelöst. „Das ist preislich mit einer Zeitungsannonce vergleichbar – aber deutlich wirkungsvoller”, ist er überzeugt.
Die Kunden auf den Dörfern in der Region wissen das Lindenhof-Verkaufsmobil zu schätzen – nicht nur, weil es ihnen überhaupt die Möglichkeit gibt, im Ort einzukaufen. In Kürzell gibt es seit 2015 einen Discounter. „Die Umsätze sind bei mir seither gestiegen. Die Kunden wissen um die Qualität meiner Produkte, und nach dem Preis fragt keiner”, beobachtet der Landwirt. „In den Sommermonaten verkaufe ich in Kürzell viele Fertiggerichte – weil ein Campingplatz in der Nähe ist. Die Schutterzeller hingegen sind verrückt nach Honig”, beobachtet Frenk.
Bis 2008 hat Reinhard Frenk seine wöchentlichen Touren mit dem vorhandenen Marktanhänger absolviert. Dann hat er ein gebrauchtes selbstfahrendes Verkaufsmobil für 27000 Euro im Internet erstanden. Sieben Jahre später konnte er dieses – ebenfalls via Internet – für 24000 Euro nach Schweden verkaufen. Der Hauptgrund für den Kauf eines anderen – in diesem Fall drei Jahre alten – Verkaufsmobils war 2015 die Notwendigkeit einer leistungsfähigeren Kühlung.
Die Verkaufszeiten in den Dörfern und auf den Wochenmärkten, die Fahrzeiten sowie ein Liefertag für Wiederverkäufer summieren sich zu 40 Stunden pro Woche. Hinzu kommen rund fünf Stunden dazugehörige Büroarbeiten.
Somit hat der Senior gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Er hat sich selbst einen neuen Arbeitsplatz geschaffen und zugleich Raum für die junge Generation freigegeben. Und nicht zuletzt hat sich die vermarktete Menge hofeigener Produkte verdoppelt in den Jahren, seit er das Verkaufsmobil zu seinem Steckenpferd gemacht hat. Und wie lange wird der 64-Jährige noch weiter auf Tour sein? „Das Mundwerk bleibt am längsten jung”, lacht er, „solange ich das Fahren und Verkaufen noch schaffe, werde ich weitermachen.”