Betrieb und Wirtschaft | 06. Oktober 2016

Der fahrende Dorfladen

Von Katja Brudermann
Reinhard Frenk aus Schwanau ist Landwirt und fahrender Händler. An fünf Tagen in der Woche fährt er Wochenmärkte und Dörfer in der Region an. Die Produkte aus eigener Erzeugung sind besonders dort gefragt, wo die sonstige Lebensmittelversorgung dünn geworden ist.
In diesem Jahr feiern Reinhard und Bärbel Frenk das 25-jährige Bestehen der Direktvermarktung und zugleich die Betriebsübergabe an Sohn Thomas Frenk. Milchprodukte aus der Hofkäserei, Fleisch und Wurst der eigenen Tiere bilden mit dem hofeigenen Bauernbrot ein vielfältiges Sortiment.
2007 kam die Idee auf, mit dem vorhandenen Marktanhänger nicht nur Wochenmärkte zu beschicken, sondern auch Orte anzufahren, in denen die lokale Lebensmittelversorgung eingeschränkt oder vollends ausgestorben ist. Reinhard Frenk berichtet: „Das erste Dorf meiner Verkaufstour war Kürzell.” Hier gab es eine Bürgerversammlung mit dem Ziel, einen Dorfladen zu gründen. Denn der örtliche Metzger hatte aufgehört; ein Lebensmittelladen fehlte. Nur ein Bäcker bot eine Basisversorgung. Das Interesse der Bevölkerung an einem Dorfladen war groß – aber nicht groß genug, um wirklich einen ins Leben zu rufen.  Frenk, der mit dem damaligen Ortsvorsteher befreundet ist, machte einen Vorschlag: „Einmal in der Woche kann ich in meinem Verkaufsmobil im Ortskern stehen und ein Basissortiment an Lebensmitteln anbieten.”
"Im Verkaufsfahrzeug bin ich noch der Chef", sagt Reinhard Frenk.

Zur eigenen Produktpalette fügte er Nudeln, Honig, Saft und Wein hinzu; neben das Fahrzeug stellte er einen Marktschirm und darunter ein Regal mit rund
20 verschiedenen Obst- und Gemüsesorten. Jeden Freitag ist er seither von 8.30 bis 12.30 Uhr im Ortskern  anzutreffen. Längst hat er eine Stammkundschaft aufgebaut, die ihn  und eine Mitarbeiterin  auf Trab halten.
Im Schnitt 18 Euro pro Kunde
 Wurst wird hier am meisten gekauft. Das Brot führt ein Schattendasein – es gibt ja noch den örtlichen Bäcker. Der durchschnittliche Einkauf pro Kunde liegt bei rund 18 Euro. Frenk ist mehr als zufrieden.
Und es sollte nicht bei Kürzell bleiben. Mit Schutterzell, Sasbachried, Hugsweier, Heiligenzell, Kippenheim und Müllen stehen nebst drei  Märkten jede Woche sieben  Orte auf dem  Routenplan. Die Orte befinden sich in einem Radius von 50 km um den Lindenhof, und viele schreiben eine ähnliche Geschichte: Der Metzger, der Dorfladen und/oder der Bäcker haben zugemacht, die Bevölkerung wünscht sich einen Dorfladen, doch für einen vollwertigen Laden ist das Marktpotenzial dann doch zu klein. Die Einwohnerzahlen liegen zwischen 130 und 5000 Menschen. Die Ortsverwaltungen kamen eine nach der anderen auf  Frenk zu.
 Den Kunden in den Dörfern gegenüber positioniert er  sich klar als Landwirt. „Wir sind ein Hofladen”,  erklärt er jenen, die nach Zahnpasta oder Tomatensauce fragen – in seiner charakteristischen Tonlage, die wohl fast jeden Menschen dazu bringt, ein Stück Käse zu kaufen, auch wenn er Zahnpasta gebraucht hätte.
Das jährliche Hoffest ist für  Frenk eine wichtige Möglichkeit, um den Kontakt zwischen Kunden am Verkaufsmobil und dem landwirtschaftlichen Betrieb zu pflegen. Allen Kunden schenkt er   im Vorfeld einen Getränkebon fürs Fest. Erfahrungsgemäß werden Getränke im Wert von rund 300 Euro eingelöst. „Das ist preislich mit einer Zeitungsannonce vergleichbar – aber deutlich wirkungsvoller”, ist er  überzeugt.
Die Kunden auf den Dörfern in der Region wissen das Lindenhof-Verkaufsmobil zu schätzen – nicht nur, weil es ihnen überhaupt die Möglichkeit gibt, im Ort einzukaufen. In Kürzell gibt es seit 2015 einen Discounter. „Die Umsätze sind bei mir seither gestiegen. Die Kunden wissen um die Qualität meiner Produkte, und nach dem Preis fragt keiner”,  beobachtet der Landwirt. „In den Sommermonaten verkaufe ich in Kürzell viele Fertiggerichte – weil ein Campingplatz in der Nähe ist. Die Schutterzeller hingegen sind verrückt nach Honig”,  beobachtet Frenk.  
Flexibel, was die Verkaufszeiten angeht
In manchen Orten baut sich schnell ein großer Kundenstamm auf, in anderen gestaltet sich der Anfang zäher. Doch noch keinen Standort musste  Frenk wieder aufgeben. „Da alle Orte in unmittelbarer Nähe zum Betrieb sind, kann ich einen zweiten Verkäufer nach Bedarf nur für ein oder zwei Stunden engagieren. Wenn die Stoßzeit vorbei ist, verkaufe ich allein weiter”,  erklärt er die Anpassung an jeden Standort. Auch verweilt er nicht überall gleich lang. Die Verkaufszeiten reichen von zwei bis dreieinhalb Stunden.
Bis 2008 hat Reinhard Frenk seine wöchentlichen Touren mit dem vorhandenen Marktanhänger absolviert. Dann hat er ein gebrauchtes selbstfahrendes Verkaufsmobil für 27000 Euro  im Internet erstanden. Sieben  Jahre später konnte er dieses – ebenfalls via Internet – für 24000 Euro nach Schweden verkaufen. Der Hauptgrund für den Kauf eines anderen – in diesem Fall  drei Jahre alten – Verkaufsmobils war 2015 die Notwendigkeit einer leistungsfähigeren Kühlung.
Das Fahrzeug und der kleine Marktstand daneben - fertig ist Frenks fahrender Dorfladen.

Die Verkaufszeiten in den Dörfern und auf den Wochenmärkten, die Fahrzeiten sowie ein Liefertag für Wiederverkäufer summieren sich zu 40 Stunden pro Woche. Hinzu kommen rund fünf  Stunden dazugehörige Büroarbeiten.
Die Landwirtschaft stemmt Thomas Frenk gemeinsam mit einem Angestellten. Verarbeitung, Hofladen und Bauernschenke liegen in den Händen von Bärbel Frenk, Schwiegertochter Anja und mehreren Angestellten. „Wenn man möchte, dass die junge Generation den Betrieb weiterführt, muss man auch Platz schaffen”,  ist  Frenk überzeugt. Lachend, aber mit einem Bewusstsein für das Fünklein Wahrheit darin fügt er hinzu: „Hier im Verkaufsfahrzeug bin ich noch der Chef ...”
Somit hat der Senior gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Er hat sich selbst einen neuen Arbeitsplatz geschaffen  und zugleich Raum für die junge Generation freigegeben. Und nicht zuletzt hat sich die vermarktete Menge hofeigener Produkte verdoppelt in den Jahren, seit er das Verkaufsmobil zu seinem Steckenpferd gemacht hat. Und wie lange wird der 64-Jährige noch weiter auf Tour sein? „Das Mundwerk bleibt am längsten jung”, lacht er, „solange ich das Fahren und Verkaufen noch schaffe, werde ich weitermachen.”