Die Initiatoren des Volksantrags „Gemeinsam unsere Umwelt schützen in Baden-Württemberg” haben am vergangenen Freitag rund 90000 unterschriebene Formulare im Stuttgarter Landtag eingereicht. Es ist der erste Volksantrag der Landesgeschichte.
Vertreter der Initiatoren des Volksantrags und Landespolitiker der Regierungsfraktionen bei der Pressekonferenz in Stuttgart anlässlich der Übergabe der rund 90000 Unterschriften im Landtag (von links): die Landtagsabgeordneten Klaus Burger (CDU) und Reinhold Pix (Grüne), Kilian Schneider (Präsident Badischer Weinbauverband), Franz Josef Müller (Präsident Landesverband Erwerbsobstbau), Klaus Mugele (Vizepräsident Landesbauernverband in Baden-Württemberg), Werner Räpple (Präsident Badischer Landwirtschaftlicher Hauptverband).
Sichtlich stolz überbrachten die Vertreter der Initiatoren des Volksantrags Landtagspräsidentin Muhterem Aras rund 90000 unterschriebene Formulare. Das sind noch knapp 6000 mehr als wenige Wochen zuvor bei der symbolischen Übergabe an Landwirtschaftsminister Peter Hauk anlässlich der Landesversammlung des BLHV.
Der Landtag in der Pflicht
Doch nicht nur die Zahl – deutlich mehr als doppelt so
viele Unterschriften wie nötig – verursacht die Freude und den Stolz der
Initiatoren Badischer Landwirtschaftlicher Hauptverband (BLHV),
Badischer Weinbauverband, Landesbauernverband in Baden-Württemberg (LBV)
und Landesverband Erwerbsobstbau Baden-Württemberg (LVEO). Die vier
federführenden Verbände haben zum ersten Mal in der Geschichte
Baden-Württembergs erfolgreich einen Volksantrag zu Wege gebracht.
Nach der Prüfung der eingegangenen Anträge durch den Landtag wird sich
dieser mit den Anliegen des Volksantrags befassen. Dazu ist er
verpflichtet, wenn alle Eingangsvoraussetzungen erfüllt sind. Zu dieser
anstehenden Debatte im Landtag hat BLHV-Präsident Werner Räpple
anlässlich der Landesversammlung des BLHV am 7. Februar bereits volle
Zuhörerränge im Landtag angekündigt.
Eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft
Bei einer Pressekonferenz im Landtag am vergangenen
Freitag im Anschluss an die Übergabe an Landtagspräsidentin Muhterem
Aras stellte Werner Räpple den Hauptzweck des zehn Punkte umfassenden
Volksantrags (die BBZ berichtete) aus berufsständischer Sicht heraus:
„Die Landwirtschaft macht sich den Erhalt der Biodiversität zu eigen,
aber das ist auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.” Räpple setzte
so den wichtigsten Kontrapunkt zum Volksbegehren Artenschutz von
ProBiene, das den Volksantrag letztlich auslöste. Das Volksbegehren nahm
einseitig nur die Landwirtschaft in die Pflicht, indem es Forderungen
stellte, die viele bäuerliche Existenzen im Land massiv gefährdet
hätten.
Der Volksantrag steht Räpple zufolge auch für die Bereitschaft und den
Willen des Berufsstandes zum Dialog mit der Bevölkerung,
gesellschaftlich relevanten Gruppen und Verbänden sowie mit der Politik.
„Viele bäuerliche Betriebe bringen mehr Vielfalt als weniger bäuerliche
Betriebe”, warb der BLHV-Präsident dafür anzustreben, dass eine
möglichst große Zahl bäuerlicher Betriebe auch in Zukunft wirtschaftlich
existenzfähig bleibt. Das nütze dann auch der Artenvielfalt.
Kooperativer Naturschutz
Klaus Mugele, Vizepräsident des Landesbauernverbandes in
Baden-Württemberg (LBV), bezeichnete es als unstrittig, dass Defizite in
der Artenvielfalt abgebaut werden müssten. „Aber im Befehlston und
durch Zwang würden Widerstand geweckt statt Ergebnisse erzielt”,
erklärte Mugele. Er sprach sich für den kooperativen Weg beim
Naturschutz aus. Es gehe nur in Übereinkunft mit den Bäuerinnen und
Bauern vor Ort. Und hier gelte, dass sich mehr Artenvielfalt für die
Bauern auch rechnen müsse. Unter diesen Voraussetzungen sei man gerne
bereit, zusätzliche Flächen für Artenvielfalt bereitzustellen.
Jedoch rief Mugele zudem die weitere und wichtigste Funktion der
Landwirtschaft in Erinnerung: „Wir müssen auch weiterhin Lebensmittel in
hoher Qualität produzieren und diese müssen wir bis zur Ernte schützen
können gegen Krankheiten, Schädlinge und Konkurrenzpflanzen.”
Die Verantwortung des Handels
Franz Josef Müller, Präsident des Landesverbandes
Erwerbsobstbau, hob auf die Verantwortung des Lebensmitteleinzelhandels
für die vielfältigen landwirtschaftlichen Strukturen hierzulande ab.
„Wenn die Saison beginnt, muss der Handel zu heimischen Erzeugnissen
stehen”, so seine Forderung. Er kritisierte in diesem Zusammenhang an
Beispielen wie dem der Kirschen, dass Ware aus dem Ausland den Vorzug
bekomme, obwohl diese mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden dürfe,
die hierzulande nicht erlaubt seien. Müllers Stellungnahme endete mit
klaren Worten: „Die Marktseite muss uns die Chance geben, weiterhin zu
existieren.”
Kilian Schneider, Präsident des Badischen Weinbauverbandes, rief noch
einmal das hohe Gefährdungspotenzial in Erinnerung, das ein
erfolgreiches Volksbegehren für den heimischen Weinbau gehabt hätte. Das
habe ihn zur Teilnahme an der Initiative zum Volksantrag motiviert.
Schneider forderte unter anderem, die Ursachen des Insekten- und
Artenschwundes wissenschaftlich anzugehen. „Wir haben die Institute und
Forschungseinrichtungen dafür”, merkte er an.
Auch Landwirtschaftsminister Peter Hauk begrüßte den Volksantrag. Viele
Argumente des Volksantrags seien in das Eckpunktepapier der
Landesregierung eingeflossen, betonte er in einer Pressemitteilung. Der
Sichtweise Hauks schloss sich Umweltminister Franz Untersteller in den
wesentlichen Inhalten an.
NABU und BUND begrüßen Volksantrag
Die Landesorganisationen der Naturschutzverbände NABU und BUND haben den Volksantrag „Gemeinsam unsere Umwelt schützen in Baden-Württemberg” der vier bäuerlich-berufsständischen Verbände in einer gemeinsamen Pressemitteilung begrüßt.
Der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle bezeichnet die rund 90.000 Unterschriften als großen Erfolg und erkennt der Mitteilung zufolge an, „dass auch die Bäuerinnen und Bauern in unserem Land großes Interesse an der Weiterentwicklung von Landwirtschaft und Naturschutz haben”.
Aus Sicht der beiden Umweltverbände enthält der Volksantrag viele sinnvolle Punkte, wie beispielsweise die Reduktion von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, den nachfrageorientierten Ausbau des Ökolandbaus sowie die Förderung einer besseren Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. „Der Volksantrag geht in die gleiche Richtung wie das Eckpunktepapier der Landesregierung”, erklärt die Landesvorsitzende des BUND, Brigitte Dahlbender in der Mitteilung. Sie erwartet, dass die Inhalte noch vor der Sommerpause in ein Gesetz münden.