Politik | 02. April 2020

Der Bundesrat macht den Knopf drauf

Von AgE
Nach monatelangem Streit hat der Bundesrat die Neufassung der Düngeverordnung beschlossen. In ihrer Sondersitzung am Freitag voriger Woche stimmte die Länderkammer der Änderungsverordnung der Bundesregierung nach Maßgabe längerer Übergangsfristen zu.
Der Bundesrat hat die Verschärfungen der Düngeverordnung beschlossen. Die EU-Kommission räumt aber für die Umsetzung mehr Zeit ein.
Der Beschluss der Länderkammer stand lange auf des Messers Schneide, kam letztlich aber doch mit deutlicher Mehrheit zustande. Die vorgesehenen Verschärfungen für die Düngung in Roten Gebieten treten nun erst zum 1. Januar 2021 in Kraft. Auch für die Neuausweisung dieser Gebiete und die Erarbeitung einer entsprechenden Verwaltungsvorschrift haben die Länder bis Ende dieses Jahres Zeit.
In einer Entschließung äußerte der Bundesrat deutliche Kritik an der Novelle. Sie enthalte eine Vielzahl fachlicher Unzulänglichkeiten sowie Vorgaben, die für die Landwirte und Vollzugsbehörden nur schwer umsetzbar seien. Demgegenüber begrüßten die Länder, dass der Bund die Landwirtschaft bei der Anpassung an die neuen Regelungen mit einer Milliarde Euro unterstützen wolle.
Bundesregierung erleichtert
Die Bundesregierung zeigte sich erleichtert über die Entscheidung des Bundesrates. Bund und Länder gehen davon aus, dass die EU-Kommission ihre Zusage einhält und von einer Klageeinreichung im Zweitverfahren gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) absieht.
Die Bundesregierung hatte sich vor dem Hintergrund der Corona-Krise Mitte vergangener Woche mit der EU-Kommission auf eine Übergangszeit für Teile der Neuregelung verständigt. Die Erarbeitung der notwendigen Verwaltungsvorschrift sei sonst nicht zu schaffen, da durch die Corona-Krise ein reibungsloses Arbeiten der Umwelt- und Landwirtschaftsverwaltungen nicht gewährleistet sei, hieß es von Berliner Seite. Die Brüsseler Administration hatte im Gegenzug verlangt, dass die Düngeverordnung im Übrigen unverändert im Bundesrat beschlossen wird. Darüber hatten die Staatssekretäre im Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium, Beate Kasch und Jochen Flasbarth, ihre Länderkollegen in Kenntnis gesetzt und um Zustimmung geworben.
Beschlossen wurde zudem, das Inkrafttreten der in der Verordnung vorgesehenen strengeren Vorschriften für die Düngung in den bereits ausgewiesenen Roten Gebieten ebenfalls auf den 1. Januar 2021 zu verschieben. Dies gilt unter anderem für die Absenkung des Düngebedarfs um 20 Prozent im Betriebsdurchschnitt, die schlagbezogene Grenze von  170 kg Stickstoff pro Hektar aus organischen Düngemitteln, die längeren Sperrfristen sowie das Verbot der Herbstdüngung. Der Aufschub gilt auch für solche Grundwasserkörper oder Flusseinzugsgebiete, die teilweise belastet sind, diese Teile jedoch von den Ländern nicht ausgewiesen wurden.
In einer Protokollerklärung zum Bundesratsbeschluss wies die Bundesregierung darauf hin, dass für eine differenzierte und verursachergerechte Ausweisung der belasteten Gebiete neben Daten der Gewässerbeschaffenheit insbesondere auch Daten über landwirtschaftliche Nährstoffemissionen sowie ein einheitliches Modell zur Beschreibung und Quantifizierung der Eintrags-, Transport- und Strömungsvorgänge herangezogen werden müssten. Die Verwaltungsvorschrift werde deshalb Festlegungen dazu enthalten, welche in den Ländern vorhandenen Grundwassermessstellen mindestens Berücksichtigung finden.
Die Vorschrift werde zudem Vorgaben zur Berücksichtigung landwirtschaftlicher Emissionsdaten enthalten und Festlegungen für ein einheitliches Modell zur Beschreibung und Quantifizierung der Eintrags-, Transport- und Strömungsvorgänge treffen. Damit trägt die Bundesregierung insbesondere niedersächsischen Anliegen Rechnung.
Schulze: „Echter Kraftakt”
Als einen „echten Kraftakt” bezeichnete Bundesumweltministerin Svenja Schulze die Zustimmung der Länderkammer. Mit der Neuregelung entspreche das deutsche Düngerecht künftig den europäischen Standards zum Gewässerschutz, betonte die SPD-Politikerin. „Ich verstehe, dass die neuen Regeln für viele Landwirte eine Belastung darstellen”, so Schulze.
Darum werde die Bundesregierung Fördermittel für Agrarumweltprogramme und Investitionen zur Verfügung  stellen, um die Betriebe bei dem anstehenden Transformationsprozess zu unterstützen. Den Dialog mit der Landwirtschaft werde man konstruktiv fortsetzen. Jetzt müsse man gemeinsam mit den Ländern bis Ende des Jahres eine verursachergerechte und differenzierte Ausweisung der Roten Gebiete schaffen, damit die sonst drohenden Strafzahlungen der EU „endgültig vom Tisch sind”.
Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk bezeichnete die Zusage, dass wesentliche Teile der Verordnung erst zum 1. Januar 2021 umgesetzt werden müssen, als eine zentrale Forderung. Er erwarte nun vom Bund, „dass wir die gewonnene Zeit dafür nutzen, regionale Lösungen zu finden, die der Landwirtschaft nicht zusätzlich Steine in den Weg legen”, sagte der CDU-Politiker.
Bauernverbände enttäuscht
Von berufsständischen Verbänden wurde der Beschluss  des Bundesrates zur Düngeverordnung heftig kritisiert. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, sprach von einem „falschen Signal an die Landwirte”. „Wir stehen eindeutig zum Gewässerschutz, aber diese Verordnung ist fachlich mangelhaft”, erklärte der DBV-Präsident. Eine bedarfsgerechte Düngung der Kulturpflanzen und Zwischenfrüchte sei zukünftig nicht mehr möglich. Dies werde Qualität und Erntemenge negativ beeinflussen und letztendlich die gesamte Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung schwächen.
Ähnlich urteilt der BLHV. „Die Regeln sind fern von landwirtschaftsfachlichen Erkenntnissen und Notwendigkeiten der Praxis. Viele Landwirte werden die Lust vor allem wegen neuer bürokratischer Gängelungen verlieren, die auch in Grünen Gebieten auswuchern”, befürchtet BLHV-Umweltreferent Hubert God gegenüber der BBZ. Die beschlossenen längeren Übergangsfristen werden von berufsständischer Seite als wichtig und richtig beurteilt.  Sie änderten aber nichts an der grundsätzlichen Bewertung der Düngeverordnung.