Tierhaltung | 15. Juli 2021

Den richtigen Deckbock für die Ziegenherde finden

Von Bernhard Glöckler
Was macht einen guten Bock aus, und wo ist er zu bekommen? Diese Fragen stellen sich Ziegenhalterinnen und Ziegenhalter regelmäßig. Bernhard Glöckler, Zuchtleiter beim Ziegenzuchtverband Baden-Württemberg, nimmt Sie mit auf eine gedankliche Reise.
Ein würdiger Vertreter der Rasse Bunte Deutsche Edelziege.
Der Weg zum richtigen Ziegenbock beginnt mit folgenden Fragen: Wie soll die Herde in Zukunft aussehen, und was erwarten Sie von Ihren Ziegen? Mehr Milch? Mehr Fleisch? Höhere Fruchtbarkeit? Langlebigkeit? Einen guten Charakter? Oder einfach robuste Tiere, die drinnen und draußen funktionieren?
Wenn diese Fragen beantwortet sind, dann haben Sie nicht nur Ihr persönliches Zuchtziel definiert, sondern wissen auch, wie der nächste Deckbock aussehen muss. Dann ist klar, ob es die Milchrasse, die Fleischrasse oder die Robust- beziehungsweis Erhaltungsrasse wird. Sie haben ein Bild des Bocks vor Augen: Ob er etwa großrahmig sein soll oder eher kompakt, von kräftiger Statur oder eher elegant und feingliedrig. Auch die „inneren” Werte sind dann klar. Erwarten Sie eine sichere Veranlagung für mehr Milch oder für bessere Inhaltsstoffe, ist die Lämmerzahl wichtiger oder ein gutes Wachstum bei den Kitzen?
Erste Etappe: Nachbardorf
Sind diese Fragen geklärt, könnte die erste Etappe ins Nachbardorf führen. Dort gibt es vielleicht einen Ziegenhalter mit der gesuchten Rasse. Aber passen diese Jungböcke auch zu Ihrem Zuchtziel? Weitere Fragen kommen auf: Sind die Eltern dieser Böcke bekannt? Vielleicht. Gibt es Informationen über ihre Leistungen? Eher nicht. Kann man davon ausgehen, dass sie gesund sind und keine Krankheiten mitbringen? Hoffentlich. Oft bleiben diese Fragen unbeantwortet, weil Abstammungen in einer Ziegenherde, die nicht herdbuchmäßig betreut wird, gar nicht oder nicht systematisch dokumentiert werden. Weil in diesen Herden in der Regel keine Leistungsprüfungen durchgeführt werden und auch keine Gesundheitsprogramme.
 Es bleibt also nur: Die Böcke selbst begutachten, auf angemessene Entwicklung, korrektes Gebiss, funktionale äußere Erscheinung und mögliche Anzeichen einer Erkrankung achten und prüfen, ob sie richtig gekennzeichnet sind. Solche Böcke sind zwar oft günstig, ob sie allerdings zum Zuchtziel beitragen, gleicht eher einem Lotteriespiel. Es kann zufällig gut gehen, wahrscheinlich ist es aber nicht. Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass der Bock unerwünschte Eigenschaften in die Herde bringt, die Jahre später noch durchdringen.
Zweite Etappe: Herdbuchzüchter
Die gedankliche Reise geht also weiter: Die nächste Station ist ein Herdbuchzüchter, der Zahlen, Daten, Fakten nennen und vielleicht auch die Eltern seiner Böcke zeigen kann. Die Tiere sind leistungsgeprüft, und wenn es sich um Bunte oder Weiße Deutsche Edelziegen handelt, haben sie Zuchtwerte. Dann ist nicht nur bekannt, was die Tiere leisten, sondern auch, wie viel sie davon an die nächste Generation weitergeben. Hier bekommen Sie auch eine Tierzuchtbescheinigung, die ein anerkannter Zuchtverband bestätigt hat. Zudem ist die Herde in der Regel auf Caprine Arthritis-Enzephalitis (CAE), Pseudotuberkulose und Transmissible Spongiforme Enzephalopathie/Scrapie (TSE) überprüft.
Dritte Etappe: Bockmarkt
Die Reise ist aber noch nicht zu Ende. Die dritte und letzte Etappe führt auf einen Ziegenbockmarkt. Aber welchen zusätzlichen Nutzen hat es, dort einen Bock zu kaufen? Tatsächlich gibt es mehrere Vorteile:
  • Alle Tiere, die auf dem Bockmarkt verkauft werden, müssen bestimmten Mindestanforderungen genügen. Böcke der Milchrassen müssen beispielsweise überdurchschnittliche Milchzuchtwerte oder bestimmte absolute Leistungen nachweisen; bei den Fleischrassen wird ein Mindestwert bei den täglichen Zunahmen nach der Geburt gefordert.
  • Alle Zuchtböcke werden vor dem Verkauf von einer unabhängigen Kommission bewertet. Die Noten für Rahmen, Form und bei den Fleischrassen zusätzlich für Bemuskelung werden zu jedem Tier veröffentlicht.
  • Alle Böcke müssen nachweislich aus CAE-, Pseudotuberkulose- und TSE-überwachten Beständen stammen.
  • Die gesetzliche Gewährleistung des Verkäufers und der Transport sind versichert.
  • Vor allem aber: Auf dem Bockmarkt gibt es eine große Auswahl.
Eine Menge Service, der seinen Preis hat in Form von Vermittlungsgebühren und Versicherungsprämien. Die Chance, einen guten Deckbock zu finden, ist jedoch umso höher. Was bleibt und was man niemandem abnehmen kann, ist die Qual der Wahl. Es ist die Entscheidung und auch die Verantwortung jedes Ziegenhalters, welcher Bock bei der Herde einzieht.
Der Einfluss des Vatertiers
Die Kitze werden zur Hälfte die Gene des Deckbocks tragen, und die weiblichen von ihnen werden die Ziegen von morgen sein. Auch sie werden die Gene ihres Vaters wiederum zu einem Viertel an ihre Nachkommen weitergeben, und so weiter. Auf lange Sicht dominiert das Erbgut der Böcke den Genpool. Es ist also schon etwas dran an dem alten Züchterspruch, dass der Bock die halbe Herde ist. Im Grunde ist es mehr als das: Wenn auf der weiblichen Seite keine Tiere zugekauft werden, dann sind es ausschließlich die Böcke, die den Genpool  prägen. Glöckler