Politik | 20. Januar 2022

Den höheren Mindestlohn verschieben

Von AgE
Der Deutsche Bauernverband (DBV) warnt vor Schnellschüssen bei der geplanten gesetzlichen Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro. „Die Betriebe brauchen Zeit zur Anpassung”, betont DBV-Präsident Joachim Rukwied.
Heimische Sonderkulturen unter Druck: DBV-Präsident Joachim Rukwied hält allerdings weitere Bemühungen, die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro zu verhindern, für aussichtslos.
Die Erhöhung sollte daher frühestens zu Beginn des Jahres 2023 in Kraft treten, sagte er am Donnerstag voriger Woche bei einer Diskussion des Landesbüros Mecklenburg-Vorpommern der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Für aussichtslos hält Rukwied weitere Bemühungen, die Erhöhung des Mindestlohns noch zu verhindern. Dieser Punkt sei ein Kernthema der SPD im Bundestagswahlkampf gewesen und nach seiner Einschätzung nicht mehr verhandelbar.
Für Sonderkulturbetriebe stelle die Erhöhung allerdings eine große Herausforderung dar. Der Gesamtverband der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) äußerte grundsätzliche Vorbehalte gegen die geplante Anhebung auf zwölf Euro. Dieser Schritt greife nicht nur in die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie ein, sondern nehme den Unternehmen auch die dringend notwendige Planungssicherheit, erklärte GLFA-Hauptgeschäftsführerin Nicole Spieß.  Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Harald Schaum, bekräftigte auf der FES-Veranstaltung seine grundsätzliche Kritik an der sozialversicherungsfreien kurzfristigen Beschäftigung im Rahmen der Saisonarbeit.
„Anspruch auf ordentlichen Umgang”
„Saisonbeschäftigte brauchen den vollen Krankenversicherungsschutz ab dem ersten Tag”, betonte Schaum. Die IGBAU kritisiert seit Langem die geltende 70-Tage-Regelung für die kurzfristige Beschäftigung und fordert deren Rückführung
auf begründete Ausnahmen. Schaum machte deutlich, dass seine Gewerkschaft in dieser Frage hart bleiben werde.
Rukwied distanzierte sich in der Diskussion von schwarzen Schafen in den eigenen Reihen, die zuletzt in Medienberichten über Missstände bei der Beschäftigung von Saisonarbeitskräften aus Georgien im vergangenen Jahr thematisiert worden waren. „Arbeit muss ordentlich bezahlt werden, und Erntehelfer haben einen Anspruch auf ordentlichen Umgang”, sagte der Bauernpräsident. Rukwied verwies zudem auf die seit diesem Jahr geltende Nachweispflicht für einen Krankenversicherungsschutz bei kurzfristig Beschäftigten. Dies sei richtig so und liege im Interesse der Beschäftigten.
Nach Angaben von GLFA-Hauptgeschäftsführerin Spieß können die Unternehmen bei den Lohnkosten bislang auf halbwegs gesicherter Grundlage agieren, da die Mindestlohnkommission ihre Entscheidungen frühzeitig und orientiert an der durchschnittlichen Entwicklung der Tariflöhne treffe. So habe das Gremium zuletzt im Juni 2020 die Mindestlohnanpassung für die nächsten beiden Jahre vorgeschlagen. Die Unternehmen hätten auf Basis dieses Vorschlags ihre Kostenkalkulationen für das Jahr 2022 vorgenommen. Spieß zufolge würde eine Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro im Jahr 2022 im ersten Halbjahr eine zusätzliche Steigerung der Lohnkosten von mehr als 22 Prozent bedeuten, im zweiten Halbjahr von immer noch knapp 15 Prozent. „Gerade im handarbeitsintensiven Anbau von Sonderkulturen, wo die Lohnkosten bis zu 60 Prozent der Produktionskosten ausmachen, würde dies zu deutlichen Verwerfungen führen”, warnte die Rechtsanwältin.
Daneben bestehe die große Sorge, ob die infolge des steigenden Mindestlohns verteuerten Erzeugnisse im Wettbewerb mit günstigerer Ware aus dem Ausland bestehen könnten, so Spieß weiter.