Die im Rahmen der Superabgabe eingenommenen Mittel sollten in der aktuellen Tiefpreisphase zur
Unterstützung der Milchbauern verwendet werden. Diese Forderung hat der Deutsche Bauernverband (DBV) vergangene Woche an die EU gerichtet.
Der Bauernverband wies darauf hin, dass die Verlängerung und Verschärfung des russischen Importembargos nach Einschätzung der europäischen Milchmarktbeobachtungsstelle unverändert einen massiven Preisdruck auf den Milchmarkt ausübten.
Engpässe überwinden
Die Erlössituation vieler Milcherzeuger ist sehr angespannt.
Das Expertengremium der Marktbeobachtungsstelle
kommt laut DBV aktuell zu der Schlussfolgerung, dass es sich bei der
angespannten Lage am Milchmarkt nicht um ein Marktversagen, sondern um
eine politische Krise handelt, die nicht von den europäischen Landwirten
allein geschultert werden kann.
Daher bestehe Handlungsbedarf, vor allem zur Überwindung von
Liquiditätsengpässen bei den Milcherzeugerbetrieben. Nach Angaben des
DBV verfügt die EU durch die Rekordeinnahmen für die Superabgabe in
einer Gesamthöhe von rund 900 Millionen Euro auch über die nötigen
finanziellen Spielräume für schnelle Hilfsmaßnahmen. Die EU-Kommission
habe bereits bei der Unterstützung baltischer und finnischer Milchbauern
gezeigt, dass sie dazu in der Lage sei.
In dieselbe Kerbe schlug vergangene Woche auch der Präsident des
Bauernverbandes Schleswig-Holstein und Vizepräsident des DBV, Werner Schwarz. Auch nach seiner Einschätzung dürfen Sonderbeihilfen für die
Betriebe wegen der politischen Dimension der Krise nicht zu Lasten der
Landwirte aus dem Krisenfonds des Agrarhaushalts finanziert werden.
Vielmehr bestehe für die Beihilfen aufgrund der unerwartet
hohen Milchsuperabgabe und weiterer Entwicklungen genug Spielraum im EU-Haushalt.
Milcherzeugung steigt weniger stark
Der Bauernverband wies darauf hin, dass die
deutschen und europäischen Milchbauern entgegen den bisherigen
Erwartungen der EU-Kommission auf die niedrigen Preise nicht mit einer massiven Ausweitung der Erzeugung
reagierten. In Deutschland seien beispielsweise im Zeitraum seit dem
Auslaufen der Milchquote zum 1. April insgesamt 0,3 Prozent weniger
Milch erzeugt worden als noch vor einem Jahr. Aufgrund ähnlicher
Entwicklungen in anderen Mitgliedstaaten rechne die EU-Kommission für
das Gesamtjahr 2015 selbst nur noch mit einem Produktionszuwachs von
0,9 Prozent zum Vorjahr, so der DBV. Angesichts des gedrosselten
Wachstums werde offensichtlich, dass der derzeitige Preisdruck vorrangig
im Wegfall des wichtigen Exportmarkts Russland begründet sei.
Steuern langfristig stunden
Angesichts der angespannten Liquiditätslage in den
Milchvieh- und Schweinebetrieben forderte Schwarz auch auf Länderebene
kurzfristig wirksame Maßnahmen, um den betroffenen Landwirtsfamilien zu
helfen. In einem Schreiben an die schleswig-holsteinische
Finanzministerin Monika Heinold regte der Verbandspräsident an, die
Steuerzahlungen und die demnächst anstehenden Steuervorauszahlungen
langfristig zu stunden. Angesichts der negativen Ergebnisentwicklung auf
den Betrieben sei ohnehin mit allenfalls geringen Steuerlasten zu
rechnen, betonte Schwarz. Zusätzliche Möglichkeiten zur
Liquiditätssicherung bestehen nach seinen Angaben für Futterbaubetriebe
im aktuellen Liquiditätsprogramm der Landwirtschaftlichen Rentenbank.
Dem DBV sei es zudem gelungen, das europäische Bürgschaftsprogramm COSME
für die Landwirtschaft zu öffnen, so dass schon demnächst weitere
Möglichkeiten für Liquiditätshilfen zu erwarten seien.
Im Hinblick auf die aktuelle Situation am Milchmarkt erinnerte Schwarz
an die Forderung des Bauernverbandes, auf EU-Ebene ein ausreichendes
Sicherheitsnetz für die Preiskrise am Milchmarkt sicherzustellen. Wegen
gestiegener Produktionskosten insbesondere bei Futtermitteln müsse
beispielsweise der Interventionspreis angehoben werden. Dabei gehe es im
Grundsatz darum, die aktuell schwierige Situation zu überbrücken, um
die bäuerlichen Betriebe in ihrer Existenz zu erhalten.
Europaweit in Sorge
Die Entwicklungen auf den europäischen Milchmärkten bereiten den Erzeugern zunehmend Sorgen. Die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA) warnten vergangene Woche im Rahmen der Sitzung der EU-Milchmarktbeobachtungsstelle „vor der ernsten Marktlage”, in der sich die Milcherzeuger der EU befänden, und forderten Gegenmaßnahmen.
COPA und COGECA schlagen vor, den Mitgliedstaaten zu erlauben, die Direktzahlungen vor dem 1. Dezember auszuzahlen und sicherzustellen, dass die Superabgabe 2014/15 in den Milchsektor zurückfließt, um den Milchlandwirten zu helfen. Diese Gelder sollten für Investitionen, benachteiligte Gebiete sowie die interne und externe Absatzförderung beziehungsweise Qualitätsregelungen genutzt werden.
BDM übergibt Schmidt Brandbrief
Zur Bewältigung der Verwerfungen am Milchmarkt hat der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) eine kurzfristige und zeitlich befristete Anhebung des Interventionspreises sowie Maßnahmen für eine Deckelung der EU-Milchanlieferung gefordert. In einem „Brandbrief”, der vergangene Woche in Berlin an Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt übergeben wurde, weisen die im BDM organisierten „Zukunftsmilchbetriebe” darauf hin, dass gerade die Milcherzeuger, die in besonderem Maße beim Tierwohl und der Produktion den heutigen Ansprüchen genügten, stark unter den niedrigen Milchpreisen litten.
Der Sektor sei auf verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen. Dazu gehört nach Überzeugung des BDM auch ein wirkungsvolles Sicherheitsnetz für den EU-Milchmarkt.