Tierhaltung | 12. November 2015

Das Schmallenberg-Virus ist zurück

Von TSK Baden-Württemberg/Redaktion
Das Schmallenberg-Virus, das erstmals 2012 in Baden-Württemberg aufgetreten ist, ist zurück. Das zeigen Untersuchungen am Staatlichen Tierärztlichen Untersuchungsamt in Aulendorf. Die derzeitige Infektionswelle wird vor allem im Frühjahr 2016 wieder zu den bekannten Infektionsfolgen führen.
Wird ein trächtiges Muttertier mit dem Schmallenberg-Virus infiziert, kommt es neben Aborten und Totgeburten auch zu Geburten von lebensschwachen Tieren mit zum Teil schweren Missbildungen.
2012 erreichte das neuartige, für Wiederkäuer infektiöse Schmallenberg-Virus (SBV) nach rasanter Ausbreitung über Europa und Deutschland auch Baden-Württemberg. Hier kam es – wie in anderen Regionen –  zu einer raschen Durchseuchung, die sich im rasanten Anstieg der Antikörpernachweise zeigte. Gegen Ende 2012 konnten bei etwa 90 Prozent der untersuchten Rinder Antikörper gegen  das SBV festgestellt werden. Im darauffolgenden Frühjahr 2013 traten  erwartungsgemäß die befürchteten Folgeerscheinungen der Infektion in Form von Aborten und Missbildungen auf, aber die Durchseuchung hatte mit den gebildeten Antikörpern auch einen flächendeckenden, zunächst belastbaren Schutz vor einer erneuten SBV-Infektion hinterlassen. In der Folge verringerten sich die Ausbrüche, bis das Virus schließlich wieder von der  Bildfläche verschwand.
 Leider erwies sich die erreichte Immunität als wenig beständig, da bereits ab 2013 wieder ein Rückgang der Antikörpernachweise bei Rindern in Baden-Württemberg beobachtet werden konnte. In Beständen mit regelmäßiger serologischer Überwachung reagierten zuvor positiv getestete Tiere zunehmend negativ im SBV-Antikörpernachweis. Im darauffolgenden Jahr waren viele der durch die erste Infektionswelle betroffenen Rinder sowie die gesamte nachrückende Population wieder seronegativ und damit erneut ungeschützt gegen das Schmallenberg-Virus.
Erneut rasche Durchseuchung
Erste Virusnachweise im Oktober 2014 in Nordrhein-Westfalen bestätigten dann auch die Befürchtung eines mit der abnehmenden Immunität verbundenen Wiederaufflackerns der Infektion.  Inzwischen hat sich die Sorge auch für Baden-Württemberg als begründet erwiesen. Das Schmallenberg-Virus wurde Anfang September erstmalig wieder in Proben von Wiederkäuern gefunden. Bei den infizierten Tieren handelte es sich um klinisch gesunde Rinder, in deren Blut der Erreger im Rahmen von Handelsuntersuchungen nachgewiesen worden war. Bis Anfang November  ist die Zahl der Virusnachweise auf  fünf angestiegen.
 Parallel dazu steigen aktuell, analog zum Verlauf der ersten SBV-Infektionswelle, die Antikörpernachweise rasch an. Dies belegt die Auswertung der jüngsten Untersuchungsergebnisse aller Rinder, die erst nach dem 1. Januar 2014 geboren worden sind und somit definitiv keine „alten” Antikörper mehr haben können. Inzwischen liegen diese Tiere bei einer serologischen Nachweisrate von annähernd 70 Prozent, Tendenz rasant steigend. Alle  Befunde weisen aktuell auf eine erneute Durchseuchung der Bestände mit dem Schmallenberg-Virus hin.
 Auf die Viren selbst wurden am Staatlichen Tierärztlichen Untersuchungsamt  Aulendorf –  Diagnostikzentrum –    bislang  mehr als  5400 Proben  untersucht, wobei alle Proben zwischen dem letzten Nachweis im Frühjahr 2013 und dem ersten jetzigen Nachweis (ca. 4500) negativ befundet werden konnten. Dies ist ein deutliches Indiz dafür, dass sich das Virus während dieser Zeit tatsächlich zurückgezogen hatte und es sich aktuell wieder um ein neues Ausbruchsgeschehen handelt.
 Aus klinischer Sicht ist zum jetzigen Zeitpunkt, das heißt  im akuten Stadium der neuen Infektionswelle, weniger mit Trächtigkeits- bzw. Geburtskomplikationen zu rechnen als vielmehr mit zunächst symptomlosen Verläufen bzw. beim Rind auch mit einem unspezifischen Krankheitsgeschehen. Bei entsprechenden unklaren fieberhaften Krankheitsbildern sollte daher auch an das SBV  gedacht werden. In Analogie zum ersten Ausbruch sind  ebenfalls Infektionsfolgen wie Aborte, Totgeburten, lebensschwache Neugeborene sowie Missbildungen in Verbindung mit vermehrten Geburtsschwierigkeiten zu befürchten, aber diese werden voraussichtlich erst wieder mit Zeitverzug von Wochen bis Monaten nach der Infektion auftreten, das heißt  vorwiegend im Frühjahr 2016.
Vorbeugung und Bekämpfung
Gegen eine Infektion mit dem Schmallenberg-Virus gibt es keine gezielte Therapie. Seit Februar 2015 ist für Rinder und Schafe in der EU ein inaktivierter Impfstoff zugelassen (Zulvac SBV, Firma Zoetis), der die Streuung der Viren im Körper vermindern soll. Ansonsten kann als weitere Maßnahme nur die Anwendung von Mitteln zum Schutz vor blutsaugenden Insekten in Betracht gezogen werden, die nach den bisherigen Erfahrungen allerdings nur sehr begrenzt wirksam ist.
Das SBV und seine Folgen
Das bis dahin unbekannte Schmallenberg-Virus (SBV) wurde erstmals im Herbst 2011 in Europa nachgewiesen, nachdem gehäuft unklare Krankheitsfälle bei Rindern aufgetreten waren. SBV zeigt eine nahe Verwandtschaft zu aus Afrika und Ozeanien bekannten Viren, die sich auch in ähnlichen Übertragungswegen, im Wirtsspektrum und in den Krankheitsbildern widerspiegelt. Als Überträger spielen blutsaugende Insekten, vor allem  Gnitzen, eine Hauptrolle.
 Das Virus ist infektiös für Rinder, Schafe und Ziegen, wurde aber auch schon bei
 diversen Wildwiederkäuern nachgewiesen. Es löst im akuten Infektionsfall nur bei Rindern unspezifische Symptome wie Milchrückgang, Fieber und teilweise Durchfall aus. In erster Linie äußert sich die Infektion jedoch bei trächtigen Wiederkäuern aller Arten mit Zeitverzug von mehreren Wochen bis Monaten durch Aborte, Totgeburten oder lebensschwache Neugeborene mit zum Teil  schweren Missbildungen, insbesondere im Bereich des Gehirns, der Wirbelsäule und der Gliedmaßen. Das Vorkommen und der Schweregrad sind dabei vorwiegend vom Trächtigkeitsstadium zum Zeitpunkt der Infektion abhängig.