Politik | 27. März 2014

Das Beratungskonzept 2020 erregt die Gemüter der Obstbauern

Von Brigitte Werner-Gnann
Mindestlohn, Gewässerrandstreifen, Feuerbrandverordnung – offene politische Baustellen gibt es für Obstbauern genug. Heftige Kritik löste bei der Mitgliederversammlung des Landesverbandes Erwerbsobstbau (LVEO) in Stuttgart aber ein anderer Punkt aus: das Beratungskonzept 2020 des Landes.
Einsatz für die Obstbauern im Land (vorne im Bild von links): Die Vizepräsidenten des LVEO, Walter Söllner und Hartwig Roth, sowie Präsident Franz Josef Müller.
Kompliziert und undurchsichtig waren noch die moderatesten Kommentare seitens der Offizialberater, die Ministeriumsvertreter Wolfgang Arnoldt bei der Vorstellung des Konzepts zur Umgestaltung der Beratung erntete. Auch der Zeitplan mit der Umsetzung zu Jahresbeginn 2015 sorgte für Unmut.
Dabei hatte Arnoldt zuvor die Gründe für eine Umgestaltung aufgezeigt: Zum einen wachsen die Herausforderungen für die Betriebe, was mehr einzelbetrieblichen Beratungsbedarf auslöst. Den kann die bisherige Offizialberatung wegen wachsender Verwaltungsaufgaben nicht decken. Auch fehlen Mittel und Personal. Zudem gibt es Interessenkonflikte bei den Aufgaben als Berater einerseits und Kontrolleur andererseits. Von Seiten der EU wird die Förderung halbstaatlicher Beratungsdienste unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten zunehmend kritisch gesehen.
Neugründungen für Beratungszwecke
Daher habe das Land das Projekt Beratung 2020 angestoßen, mit dem die Basis für eine effizientere Beratungsstruktur gelegt und ein Beratungskatalog als Angebot für die Betriebe erarbeitet wurde. Dieser Katalog sieht eine Beratung in Modulen vor, die nach dem Baukastenprinzip aufeinander aufbauen. Dabei wird es Einstiegsmodule zur Betriebsentwicklung, breit angelegte Grundmodule und Spezialmodule für konkrete Themen geben. Für den Obstbau ist bislang Technik und Bewässerung vorgesehen. Die Beratungsleistung wird dann künftig von der EU mitgefördert. So standen für die Beratungsdienste bislang 2,7 Millionen Euro jährlich bereit, künftig werden sie durch EU-Mittel verdoppelt. Angeboten wird die Beratung über eigens dafür gegründete Organisationen. Dass der Obstbau von der neuen Struktur ohne Offizialberatung stärker tangiert ist, räumte Arnoldt ein, zumal hier noch intensiv beraten werde. „Wer klassisch beraten will, muss sich verändern. Entweder gründet er eine eigene Beratungsorganisation oder er schließt sich einer an”, stellte er klar.
„Knallhartes Enteignungsverfahren”
Dabei besteht eine Beratungsorganisation aus mindestens zwei Beratern. Sie darf keinen Wirtschaftsbetrieb haben. Noch im April wird über den Beratungskatalog entschieden. Die erste Ausschreibung der Module ist für Winter 2014/15 geplant. Nicht nur bei der Beratung machte  LVEO-Präsident Franz Josef Müller noch Klärungsbedarf aus. Bereits eingangs hatte er bei den Vorgaben zu Gewässerrandstreifen gefordert, untergeordnete, nicht wasserführende Gräben davon auszunehmen. Ansonsten sei dies ein knallhartes Enteignungsverfahren, war er sich mit LBV-Vizepräsident Klaus Mugele einig.
 Bei der Feuerbrandbekämpfung müssten sich die Betriebe darauf einstellen, dass es ab 2015 kein Streptomycin mehr gebe. Vorhandene Restmengen könnten nach Vereinbarungen mit den Imkern in diesem Jahr in Notfällen verwendet werden, die Entscheidung des Bundesministeriums dazu stehe aber noch aus.
Hart zu verhandeln gelte es auch noch beim Mindestlohn, um die tariflich getroffenen Vereinbarungen für Saisonarbeitskräfte zu halten.
Pflanzenschutz: Sachkundenachweis
Über die neue Pflanzenschutzmittel-Sachkundeverordnung, die den Kauf und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln regelt, informierte Dr. Esther Moltmann vom Landwirtschaftsministerium. Dabei ist zwischen dem Sachkundenachweis, den es auf Antrag als Chipkarte für 30 bis 50 Euro gibt, und den geforderten Fortbildungen zu unterscheiden.
Ein wichtiger Termin für den Sachkundenachweis ist der 26. Mai 2015. Bis zu diesem Datum muss der Antrag für die Chipkarte beim zuständigen Landwirtschaftsamt gestellt werden. Beantragt werden können die Ausweise dort bereits ab Juli dieses Jahres. Wer den Termin im Mai nächsten Jahres verpasst, dessen „alte” Sachkunde gilt dann noch bis 26. November 2015. Ein Antrag auf Ausstellung eines Sachkundenachweises nach diesem Datum wird nach der neuen Sachkundeverordnung bearbeitet. Diese schränkt unter anderem die Liste der Berufe stark ein, machte Dr. Moltmann deutlich.
Parallel dazu besteht eine Pflicht zur Fortbildung, einmal im Zeitraum von drei Jahren. Für „Altsachkundige” endet die Frist am 31. Dezember  2015. Die erteilte Bescheinigung muss aufbewahrt werden, um sie bei Kontrollen als Nachweis vorzulegen. Diese Fortbildungen erfolgen nach bundesweit abgestimmten Leitlinien, wobei aus acht Themenblöcken mindestens vier abzudecken sind. Verpflichtend sind die Themen Rechtsgrundlagen und Integrierter Pflanzenschutz. Für die Fortbildung gibt es bestimmte Anforderungen. Danach werden Veranstaltungen mit der Pflanzenschutz-Industrie nicht anerkannt.
Die Forderungen zum Sachkundenachweis stießen bei LVEO-Präsident Müller auf Kritik. Zum einen monierte er zusätzliche Kosten, zum anderen die Auflage zur Fortbildung. „Keine andere Berufsgruppe muss nach Abschluss der Ausbildung erneut die Sachkunde belegen, nicht einmal Ärzte”, machte er deutlich, wohlwissend, dass an den Gesetzesvorgaben nichts mehr zu ändern ist.