Pflanzenbau | 04. Dezember 2014

CULTAN wirkt, aber nicht immer wie erwartet

Von von Kobylinski
Die Stickstoffdüngung über direkte Bodeninjektion soll Geld sparen und die Umwelt entlasten. Die Ergebnisse eines dreijährigen deutsch-französischen Forschungsprogramms mit Namen INDEE wurden kürzlich im elsässischen Sainte Croix-en-Plaine bei Colmar vorgestellt.
Die Maiswurzeln streben in den Raum zwischen den Reihen und verzweigen sich, um Nährstoffe aufzunehmen.
Bisher wird die N-Düngung zu Mais meistens durch das breitflächige Ausbringen von Gülle oder Handelsdünger erledigt – Letzteres meist in mehreren Gaben. Diesen Verfahren gemeinsam sind relativ hohe Stickstoffverluste; nur ein Bruchteil gelangt bis an die Wurzeln.
Laut Dr. Markus Mokry vom LTZ Augustenberg liegt die durchschnittliche Stickstoffeffizienz in Deutschland immer noch deutlich unter 50 %. Immerhin: 1990 waren es erst 30 % gewesen. Eine Alternative dazu ist das einmalige Ausbringen des Düngers in Depotform. Das dreijährige INDEE-Projekt sollte klären, wie Auswaschungen von Nitrat-Stickstoff in den Untergrund und die Ausgasung von Ammoniak in die Atmosphäre verhindert werden können.
Mehr als 20 Referenten sprachen über ihre Versuchsergebnisse. Helga Pfleiderer vom baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium  gab bekannt, dass ab 2015 die Depot-
düngung von Stickstoff per Injektion als freiwillige FAKT-Maßnahme gefördert wird, wenn die beantragte Fläche „in einer Wasserkulisse” gelegen ist. Hingegen erinnerte der oberelsässische Regionalrat und Landwirt Antoine Herth daran, dass der Mais mit seinen vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten ein wichtiger Faktor in der regionalen Wirtschaft ist, weshalb das INDEE-Programm sowohl auf ökologische als auch auf ökonomische Ziele ausgerichtet worden sei.
Mit INDEE wurde die Wirkung einer konzentrierten N-Düngerausbringung in 18 bis 20 cm Bodentiefe untersucht, die jeweils zwischen zwei Maisreihen platziert war. Dabei beschränkte man sich auf eine zeitlich einmalige Gabe, die als CULTAN- Verfahren bezeichnet wird (Controlled Uptake Long Term Ammonium Nutrition = kontrollierte Langzeiternährung über Ammonium).
In der nahen Bodenumgebung ist Ammonium (NH4) giftig und hemmt damit seine bakterielle Umsetzung in das leicht bewegliche Nitrat (NO3), das schnell ausgewaschen werden kann oder sich als Ammoniak verflüchtigt. Das Ammonium (ein Kation) hingegen bleibt an den Bodenpartikeln haften und kann dennoch direkt von den Pflanzenwurzeln aufgenommen werden.  
Mit CULTAN wird ein Düngedepot geschaffen, das von den Jungpflanzen relativ weit entfernt liegt. Die Pflanzen steuern ihr Wachstum aktiv in Richtung dieser Nährstoffquelle. Dies sei „... eine Fähigkeit, die in Jahrmillionen der Pflanzenentwicklung ausgebildet wurde und bei der der Mais eine besondere Effektivität erreicht hat”, erklärte dazu Dr. Karl Müller-Sämann von der Agentur ANNA.
Grenzüberschreitende Untersuchungen
Das Projekt INDEE umfasste das Gebiet der Oberrheinkonferenz, bestehend aus Elsass, Süd- und Mittelbaden, Südpfalz und Nordwestschweiz. Seit 2012 wurden an acht Standorten beiderseits des Rheins Vergleichsversuche zwischen CULTAN  und herkömmlichen Düngeverfahren durchgeführt.
Auf drei elsässischen Versuchsstandorten in Entzheim, Rustenhart und Artzenheim ermittelte Jean-Pierre Cohan vom Institut Arvalis mehrere Jahre den Verlust von Ammoniak-Gas zum Zeitpunkt der frühen Maisentwicklung. Je nach Ort und Jahr zeigten sich erhebliche Messwertschwankungen: Bei den CULTAN-gedüngten Flächen fielen die Ammoniakverluste durchweg geringer aus als auf den Vergleichsparzellen, die breitflächig und konventionell mit Harnstoff versorgt worden waren. 2012 verflüchtigten sich auf den herkömmlich gestreuten Flächen innerhalb von 500 Stunden im Durchschnitt 21 kg N/ha als Ammoniak. Im Vergleich dazu gingen auf den CULTAN-gestreuten Flächen nur 6 kg/ha als Ammoniak-Stickstoff verloren. 2014 war der Unterschied in Artzenheim noch extremer: Dort gingen im gleichen Zeitraum fast 30 kg/ha Ammoniak-Stickstoff auf den breitflächig gedüngten Flächen verloren, gegenüber nur 4 kg/ha auf den CULTAN-Varianten (mit Alzon gedüngt). Die französischen Versuchsstandorte zeigten hierzu ein übereinstimmendes Bild.
Nicht ganz so eindeutig sind die Auswirkungen auf die Wasserqualität: Rheinland-pfälzische Messungen hatten vom Sommer 2008 bis Winter 2009/2010 um 15 bis 20 % geringere Auswaschungswerte auf Flächen gemessen, die über
die CULTAN-Methode gedüngt worden waren. Im INDEE-Projekt hingegen zeigte sich ein widersprüchliches Bild: Auf den elsässischen Standorten fand die stärkere Auswaschung unter den CULTAN-Flächen statt. Nicht so in der Pfalz: In Speyer wurden in der konventionellen Variante mit Kalkammonsalpeter pro Jahr 14 kg/ha ausgewaschen und im Durchschnitt 13 kg/ha auf den CULTAN-Flächen. Auf den flachgründigen Böden von Niederentzen (Elsass) wurden dagegen 27 kg N/ ha bei den CULTAN-Varianten und 22 kg N/ha bei den konventionellen Varianten ermittelt. Auf dem tiefgründigen Standort Entzheim lagen die Ergebnisse mit 9 kg/ha zu 11 kg/ha für CULTAN eng zusammen. Insgesamt wurde daher auf dem INDEE-Kongress gefolgert, dass die Auswaschung von zahlreichen örtlichen Gegebenheiten beeinflusst wird und eine generelle CULTAN-Überlegenheit nicht nachgewiesen werden kann. 
Das Injektionsgerät zur exakten Ablage des CULTAN-Düngers in 18 cm Tiefe zwischen den Maisreihen.
Die örtlichen Gegebenheiten sind es schließlich auch, die bestimmend sind für Ertragsunterschiede: Die französischen Agrarforscher Jean-Pierre Cohan und Didier Lasserre konnten in ihren Versuchen im Oberelsass keine signifikante Ertragsüberlegenheit zwischen den beiden Düngungsarten feststellen. Andererseits zeigte sich aber auch, dass es in den mehrjährigen Vergleichsversuchen mit CULTAN keine Mindererträge gab. Schon allein das hat die Experten in Frankreich überrascht. Bisher herrschte dort die Ansicht, dass der Stickstoff stets mundgerecht und zeitlich angepasst ausgebracht werden muss. Besondere Aufmerksamkeit erregte daher Jean-Louis Galais, weil er auf den tiefgründigen Standorten im unterelsässischen Entzheim und in Mengen sogar eine deutliche Überlegenheit der CULTAN-Düngung ermittelte: Mit einer um 20 % reduzierten N-Menge erzielte er einen gleich hohen Ertrag wie mit der konventionellen Düngemethode. Auch Dr. Karl Müller-Sämann machte die Beobachtung, dass bei einer präzisen CULTAN-Ablage selbst dann ein vergleichbarer Ertrag möglich ist, wenn die Gesamtstickstoffgabe um 20 % reduziert wurde. Dazu verwies er auf Nmin-Ergebnisse, die er im Vorjahr auf dem durchlässigen und steinigen Standort um Hausen ermittelt hat. Dort konnte er
am 15. Juli, mehr als zwei Monate nach Saat und Düngung, über Nmin 169 kg/ha Ammonium-Stickstoff in den Depots der CULTAN-Variante ermitteln, was noch zwei Dritteln der ausgebrachten Menge entsprach.
Jürgen Maier vom Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald ist der Ansicht, dass erst mit einer optimierten Injektionstechnik die N-Verluste bei der CULTAN-Methode minimiert werden können. Wichtig ist ein präziser Ablagetunnel im Boden, ebenso auch dessen vollständiger Wiederverschluss nach oben.
Injektionsgeräte optimiert
Zum Wiederverschluss trägt ein schmales Ausbringschar ebenso bei wie die Stachelreihe nach dem Schar und die genau eingestellten Zustreichräder.
Über die Dauer des INDEE-Programms wurden die Injektionsgeräte diesbezüglich optimiert. Gleichzeitig erklärt Maier damit die N-Verlustraten bei den französischen Vergleichsversuchen. Um den Wiederverschluss zu erleichtern, wurde das Injektionsschar in der Form optimiert und schmaler. Unmittelbar hinter dem Schar befindet sich eine senkrechte Stachelreihe. Auch die Zustreichscheiben wurden in Form und Andruck verbessert. Die jetzige Maschinenversion hat eine Arbeitsbreite von 4,50 m und besteht aus drei Injektionsreihen im Abstand von 1,50 m, die je sechs Maisreihen mit N-Dünger versorgen.
Die Entwicklungsarbeiten wurden von dem badischen Maschinenhersteller Rauch unterstützt. Das Sinsheimer Unternehmen erwägt die Serienproduktion des Gerätes und wird 2015 dazu einen Prototypen entwickeln, wobei auch größere Arbeitsbreiten und die Kombinierbarkeit mit Einzelkornsägeräten angestrebt wird.
Maier und Dr. Müller-Sämann sind überzeugt, dass  die Vorteile der CULTAN-Methode noch deutlicher erkennbar werden. Auf dem INDEE-Kongress herrschte Einigkeit darüber, dass die Forschung in der Thematik fortgesetzt werden müsse. Fragen wie Düngezeitpunkt, Düngerart und Korngröße warten auf Klärung. Markus Mokry ergänzte, dass beim Mais der Hauptbedarf an Stickstoff frühestens sechs Wochen nach dem Sätermin beginnt. Die Umwandlung des breit verteilten, konventionell ausgebrachten Harnstoffes in das flüchtige Nitrat dauert bei 10 °C aber kaum mehr als zwölf Tage und liefert somit den Nährstoff zu einem Zeitpunkt, an dem er noch längst nicht gebraucht wird. Eine Minderung dieser  Stickstoffverluste hätte somit finanzielle und ökologische Vorteile.