Tierhaltung | 14. September 2021

CO2 sparen in der Milchviehhaltung

Von Maria Wehrle
Wie setzen sich eigentlich die Treibhausgas-Emissionen (THGE) in der Milchviehhaltung zusammen und was kann noch verbessert werden? Darüber sprach der Klimaexperte Ansgar Lasar bei einem Online-Vortrag – mit überraschenden Fakten über Nutzungsdauer und Methan.
Europäisches Soja oder alternativ Rapsschrot im Kraftfutter können den CO2-Fußabdruck in der Milchviehhaltung deutlich senken.
Egal ob Handel oder Politik – früher oder später werden Landwirtinnen und Landwirte für ihre Erzeugnisse CO2-Bilanzen vorlegen müssen. Einen Zielwert hat die Politik schon definiert: Bis 2030 sollen die THGE aus der Landwirtschaft im Vergleich zu 1990 um 30 % sinken. Keine leichte Aufgabe. Das machte Ansgar Lasar von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen klar. Vergangene Woche war er als Experte im Web-Seminar „Klimaschutz im landwirtschaftlichen Betrieb – Wie kann das in der Tierhaltung gehen?” eingeladen, das vom Bundesinformationszentrum für Landwirtschaft (BZL) veranstaltet wurde.
Wissenschaftliche Grundlage
Unmöglich ist es laut Lasar aber auch nicht. Aktuell könne jeder Milchviehbetrieb durchschnittlich noch 50 t CO2-Equivalente pro Jahr einsparen. Er vergleicht den Wert mit einer 20-prozentigen Stromeinsparung in 160 Dreipersonen-Haushalten. Wichtig ist es, an den richtigen Stellschrauben zu drehen. Welche das sind, zeigt sich unter anderem, wenn klar ist, wo wie viele Emissionen entstehen. Der Ist-Zustand lässt sich am besten über eine CO2-Bilanz darstellen. Dafür gibt es seit 2016 einen einheitlichen Berechnungsstandard, der vom KTBL veröffentlich wurde. Für den praktischen Einsatz auf dem Betrieb eignet sich dieser jedoch nicht. Deshalb haben einige Bundesländer bereits Programme entwickelt, die auf Basis der KTBL-Schrift CO2-Bilanzen auf einzelbetrieblicher Ebene berechnen können. Dazu gehört unter anderem das Programm TEKLa, an dem Lasar selbst mitgearbeitet hat. Im Zuge dessen sammelte er von 2014 bis 2018 Daten, um den durchschnittlichen CO2-Fußabdruck in einem niedersächsischen Milchviehbetrieb zu ermitteln (siehe Grafik). Dieser liegt bei 944 g CO2-Equivalent je kg Milch. Das heißt: Je höher die Milchleistung desto geringer auch die THGE pro kg Milch.
Was wirklich hilft
Davon verursacht die Futtererzeugung den größten Anteil, weshalb diese auch einer der bedeutendsten Ansatzpunkte ist. Dabei ist es laut Lasar wichtig die Erträge zu sichern und Verluste zu reduzieren. Stickstoff muss effizient eingesetzt werden – zum Beispiel, indem Wirtschaftsdünger direkt eingearbeitet wird. Als weitere Stellschraube nennt er den Humusaufbau.
Beim Kraftfutter kommt es Lasar zufolge darauf an, auf Soja aus Übersee zu verzichten. Rationen mit Rapsschrot seien ohne Probleme möglich und vom heimischen Sojaanbau könne man vieles erwarten. Zwar würden die Erträge noch stark schwanken, aber das sei beim Mais vor 40 Jahren genauso gewesen. „Der Klimawandel spielt dem Sojaanbau in die Karten und die Landwirtschaft sollte diese Chance nicht verpassen”, findet Ansgar Lasar. Wer keine Alternativen zu südamerikanischem Soja hat, könne sich immerhin um zertifizierte Ware bemühen.
Großes Potenzial sieht der Experte auch in der gasdichten Lagerung von Wirtschaftsdünger, obwohl deren Anteil an der CO2-Bilanz verhältnismäßig gering ist. Er erklärt: „Bisher gehen nicht einmal 20 % der Gülle in gasdichte Systeme – sprich in die Biogasanlage. Das ist die größte Stellschraube an der wir bisher nicht gedreht haben.”
Bei der Bestandsergänzung ist klar: Die Färsen müssen genauso klimaschonend aufgezogen werden, wie die Kühe gehalten werden. Weniger offensichtlich ist jedoch, dass eine hohe Nutzungsdauer einen geringeren Effekt auf den CO2-Fußabdruck hat, als viele vermuten. Das hängt damit zusammen, dass die Emissionen der Färsenaufzucht teilweise durch den Fleischertrag von Schlachtkuh und Kalb aufgehoben wird. Deshalb ist es aber umso wichtiger, dass die Anzahl der Tiere, die nicht zum Schlachter sondern zum Abdecker geht, möglichst gering bleibt. Viel größer ist laut Lasar der positive, wirtschaftliche Effekt einer längeren Nutzungsdauer.
In der Grafik ist zu sehen, dass auch in der Verdauung ein großer Teil der Emissionen anfällt – und zwar in Form von Methan. Hier sieht Ansgar Lasar noch viele Fragezeichen. Denn sowohl bei der Zucht als auch beim Thema Futterzusatzstoffe gebe es noch keine wirklichen Lösungen. Der sogenannten „Methan-Pille” zum Beispiel steht er skeptisch gegenüber. Die Pansenflora würde sich über kurz oder lang anpassen und so die Pille wirkungslos machen.
Ehrlich rechnen
Ansgar Lasar warnte davor sich etwas schön zu rechnen, da solche Methoden eine Angriffsfläche für Kritiker bieten. Deshalb müssen ihm zufolge die THGE aus der gesamten Produktionskette bis zum Hoftor berücksichtigt werden – auch Importfuttermittel und die Düngerherstellung. Zudem findet er, dass man Programme wie TEKLa so weiterentwickeln sollte, dass die Landwirtinnen und Landwirte bei der Berechnung ihrer eigenen CO2-Bilanz nicht mehr komplett auf die Beratung angewiesen sind. Zu hoch seien sonst die Kosten. Ziel seien einfache Programme, die jeder Landwirt selbst bedienen kann, in dem er seine Daten eigenständig einpflegt. Ähnlich den Online-Rechnern, die es für Privatpersonen gibt.