Politik | 23. Mai 2019

Bundesregierung kommt sich beim Wolf näher

Von AgE
Die Bundesregierung hat sich offenbar weitgehend auf präzisere Regelungen zum Umgang mit dem Wolf verständigt. Ein Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes sieht Erleichterungen für die Entnahme vor.
Klargestellt wird im Entwurf, dass zur Abwendung drohender ernster landwirtschaftlicher Schäden durch Nutztierrisse gegebenenfalls auch mehrere Tiere eines Rudels oder gar ein ganzes Wolfsrudel entnommen werden können.
Künftig soll unter bestimmten Bedingungen auch in den Fällen ein Abschuss möglich sein, bei denen unklar ist, welcher Wolf konkrete Schäden verursacht hat.
„Auf Sorgen reagieren”
Wie am Montag  zu erfahren war, sollte der Gesetzentwurf bereits am Mittwoch (nach Redaktionsschluss dieser BBZ) vom Bundeskabinett beschlossen werden. Ziel sei es, „auf berechtigte Sorgen der Bevölkerung unverzüglich zu reagieren und dadurch  die Akzeptanz für den Schutz des Wolfes als streng geschützte Tierart zu erhalten”, heißt im Anschreiben des Umweltressorts, das die Vorlage an die Länder verschickt und kurzfristig um Stellungnahme gebeten hat.
„Ernst” muss es sein
Laut Entwurf des Umweltressorts, dem das Bundeslandwirtschaftsministerium dem Vernehmen nach bislang noch nicht endgültig zugestimmt hat, soll als Voraussetzung für eine Entnahme eines Wolfs als streng geschützter Tierart künftig gelten, dass ein drohender oder bereits eingetretener Schaden „ernst”, das heißt „mehr als geringfügig” ist. Eine Existenzgefährdung eines betroffenen Weidetierhalters soll nicht vorliegen müssen.
Klargestellt wird im Entwurf, dass zur Abwendung drohender ernster landwirtschaftlicher Schäden durch Nutztierrisse gegebenenfalls auch mehrere Tiere eines Rudels oder gar ein ganzes Wolfsrudel entnommen werden können. Zwar sei grundsätzlich das schadensverursachende Tier selbst zu entnehmen, heißt es in der Begründung. Bereits eingetretene Schäden ließen sich jedoch nicht immer durch genetische Untersuchungen eindeutig einem Tier zuordnen. Daher reiche in bestimmten Fällen zur Entnahme eines schadensverursachenden Wolfs eine zeitliche und räumliche Nähe zu bisherigen Rissereignissen aus.
Stellt sich heraus, dass der getötete Wolf nicht „der Übeltäter” war, sollen sukzessive weitere Wölfe getötet werden dürfen. Das soll im Einzelfall bis zur Entnahme des gesamten Rudels gehen dürfen. Allerdings soll gewährleistet sein müssen, dass der Erhaltungszustand der Population nicht gefährdet wird.
Landnutzer fordern aktives Wolfsmanagement
Mit Blick auf den „exponentiell steigenden” Wolfsbestand in Deutschland haben die im Aktionsbündnis Forum Natur (AFN) vertretenen Landnutzerverbände ihre Forderung nach einem aktiven Wolfsmanagement bekräftigt. Der AFN-Vorsitzende Max Frhr. von Elverfeldt bezeichnete es am Montag in Berlin als „nicht nachvollziehbar”, dass sich die jüngste Umweltministerkonferenz (UMK) lediglich auf die Einrichtung einer Bund-Länder-Gruppe zur Wolfsfrage habe einigen können, statt konkrete Lösungen vorzulegen.
Ein „politischer Bankrott” ist für ihn auch die Tatsache, dass zwischen Bundeslandwirtschaftsministerium und Bundesumweltministerium keine gemeinsame Linie zum Wolf gefunden werden konnte (neueste Entwicklung: siehe oben). Dass das Bundeskanzleramt nun die Entscheidung an sich gezogen habe, sei da nur folgerichtig, erklärte Elverfeldt.
Der AFN-Vorsitzende appellierte nun an Bundeskanzlerin Angela Merkel, rasch zu einem Maßnahmenpaket zu kommen. Notwendig ist aus seiner Sicht insbesondere, dass die Politik endlich klarstelle, dass es sich beim deutschen Wolfsbestand um einen Teil der osteuropäisch-baltischen Population handle, bei der mit schätzungsweise 8000 Tieren längst ein guter Erhaltungszustand bestehe. Damit ist nach seiner Überzeugung die Überführung des Wolfs aus Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)Richtlinie in den Anhang V überfällig, um auf diese Weise eine Entnahme von Tieren zu ermöglichen. Bis dahin müsse mit einer Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes eine rechtssichere Möglichkeit für ein Wolfsmanagement gefunden werden, so der AFN-Vorsitzende.
Dringend notwendig ist nach seiner Einschätzung auch eine gesellschaftliche und wissenschaftliche Debatte über die Höhe einer allgemein akzeptierten Wolfspopulation in Deutschland. Das Aktionsbündnis lehnt die Nennung einer konkreten Zahl ab, sondern spricht sich vielmehr für die Definition regionaler Kulissen aus. Dabei sollten die klassischen Grünlandregionen, Almen und Deiche sowie Ballungsgebiete vor dem Wolf geschützt werden. In diesem Zusammenhang hält es der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, für unrealistisch, alle Weidetierhaltungsregionen einzuzäunen; der ländliche Raum könne kein „vollverdrahteter Hochsicherheitsraum” werden. Auch lasse sich der Konflikt zwischen Wolf und Weidetierhaltung nicht mit dem Scheckbuch lösen. Es bedürfe vielmehr einer Regulierung des Wolfsbestandes.
Die ist nach Überzeugung von Dr. Dirk-Henner Wellershoff, Präsidiumsmitglied des Deutschen Jagdverbandes (DJV), auch zum Schutz des Wolfs notwendig. Er befürchtet, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für den Wolf bei  weiter ungebremster Ausbreitung in Ablehnung umschlägt. Außerdem gehe der unbegrenzte Wolfsschutz  zu Lasten anderer Arten, wie des Mufflon, das in Teilen Deutschlands bereits durch den Beutegreifer ausgerottet sei.
Hinsichtlich der Entnahme von Wölfen lehnt Wellershoff ein „Sondereinsatzkommando Wolf” aber ab. Die Regulierung gehöre in die Hand der Jäger. Dafür sei  die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht erforderlich.