Politik | 27. Mai 2021

Bürokratiemonster auf der Lauer

Von AgE
Mit Blick auf die abschließenden Verhandlungen zur künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hat der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, vor der Einführung von Vorgaben zu Sozialstandards in der Agrarförderung gewarnt.
Bürokratieanforderungen für die Bauern halten sich seit Jahrzehnten hartnäckig und werden trotz gegenteiliger politischer Beteuerungen tendenziell noch größer.
„Uns Landwirten droht hier ein bürokratisches Monster mit einer erheblichen Mehrbelastung, ohne erkennbar positive Wirkung für die in der Landwirtschaft tätigen Personen”, erklärte Rukwied vergangene Woche im Rahmen einer Veranstaltung des italienischen Bauernverbandes Confagricoltura. Angelegenheiten der sozialen Sicherung, der Tarifverträge und der Mindestlöhne fielen laut EU-Vertrag in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Der DBV lehne daher eine Verknüpfung der EU-Direktzahlungen mit sozialen Konditionalitätsauflagen ab, so Rukwied. Stattdessen sollte in den nationalen Strategieplänen auf die Verbesserung der sozialen Situation der in der Landwirtschaft Tätigen eingegangen werden.
Umweltmaßnahmen nicht kannibalisieren
Hinsichtlich der Eco-Schemes stellte der DBV-Präsident klar, dass es nicht primär auf deren Höhe ankomme, sondern auf die praxistaugliche Ausgestaltung, den finanziellen Anreiz sowie die Verhinderung von Kannibalisierungseffekten bei Umweltmaßnahmen der Zweiten Säule der GAP. So müsse der verpflichtende Anteil nicht bewirtschafteter Fläche auf höchstens drei Prozent der Ackerfläche begrenzt bleiben, um zu verhindern, dass sich die Erzeugung von Lebensmitteln ins Ausland verlagere. Außerdem sei die Fruchtartendiversifizierung einem wenig praxistauglichen starren Fruchtwechsel bei gleichen Biodiversitätsleistungen vorzuziehen.
Maßgeschneiderte Maßnahmen möglich
Nach Überzeugung von DBV-Vizepräsident Werner Schwarz werden die Eco-Schemes nur dann zu mehr Klima- und Artenschutz in der Landwirtschaft führen, wenn Landwirte dadurch mit einem zusätzlichen Einkommensbeitrag rechnen könnten. Ohne einen finanziellen Anreiz über die reine Erstattung von Kosten und Mindererträgen würden viele seiner
Berufskollegen die im Zuge der EU-Agrarreform geplanten Öko-Regelungen „links liegen lassen”, sagte Schwarz beim „Zukunftsdialog Agrar & Ernährung” voraus, der ebenfalls in der vergangenen Woche von der „agrarzeitung” und dem Wochenblatt „DIE ZEIT” ausgerichtet wurde. Sollten sich die freiwilligen Eco-Schemes unter dem Strich nicht rechnen, würden die Betriebe eher auf einen Teil der öffentlichen Gelder aus Brüssel verzichten, so der Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein (BVSH). Um den unterschiedlichen Verhältnissen im Bundesgebiet gerecht zu werden, sprach sich Schwarz außerdem für einen regionalen Ansatz bei den Öko-Regelungen aus. Eine solche „Regionalisierungskomponente” habe den Vorteil, dass die für den Einzelbetrieb zuständigen Ämter und Behörden gezielt auf die Verhältnisse vor Ort zugeschnittene Maßnahmen mitgestalten könnten.
Der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament, Norbert Lins, signalisierte bei dem Zukunftsdialog Zustimmung  für einkommenswirksame Eco-Schemes. Er geht davon aus, dass Bedenken der Welthandelsorganisation (WTO) ausgeräumt werden können, wonach die  Öko-Regelungen nicht unmittelbar einkommenswirksam sein dürfen.
Lins rechnet mit Druck bei den Pachten
Zugleich warnte der CDU-Europaabgeordnete davor, dass sich der Run auf Pachtflächen durch die Einführung der Eco-Schemes weiter verstärken könnte. Habe beispielsweise ein Milchviehhalter in einen neuen Stall samt Melkroboter investiert, werde er seine Herde nicht wegen einer möglichen Extensivierungsmaßnahme im Rahmen der Eco-Schemes abstocken, da aus dem Milchgeld laufende Kredite bedient werden müssten. Stattdessen werde sich dieser Landwirt am Pachtmarkt nach einem zusätzlichen Stück Acker oder Wiese für die Durchführung der Maßnahme umsehen. „Das wird für zusätzlichen Druck bei den Pachten sorgen”, zeigte sich Lins überzeugt. Wenn in Gunstregionen mit intensiver Produktion 600 Euro oder 700 Euro an Pacht pro Hektar aufgerufen würden, müsse dies bei der finanziellen Ausstattung der Eco-Schemes berücksichtigt werden.