Politik | 14. März 2019

Brüssel lässt sich erst einmal Zeit

Von AgE
Mit Blick auf mögliche oder bereits laufende agrarrelevante EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wird es in diesem Monat keine Entscheidungen der Europäischen Kommission geben.
Die Ankündigung der Bundesregierung, die Düngeverordnung erneut zu verschärfen, hat bei Bauern großen Unmut hervorgerufen. Die Bundesregierung wiederum sieht sich von Brüssel gezwungen.
Das nächste „Paket” über den Stand der betreffenden Verfahren ist erst für Anfang April vorgesehen. In der Liste, die die EU-Kommission am 7. März veröffentlichte,  war ein drohendes Zweitverfahren zur deutschen Düngeverordnung nicht zu finden. Auch bezüglich der Frage, ob Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) aufgrund der bisher nicht erfolgten Anpassung der Mehrwertsteuerpauschalierung für Landwirte verklagt wird, fand sich in dem Paket keine Information. Dem Vernehmen nach soll Berlin in dieser Frage noch mehr Zeit eingeräumt werden.Indes kündigte die Brüsseler Behörde an, Griechenland wegen „immer noch” zu hoher Nitrateinträge aus der Landwirtschaft in seine Gewässer vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu verklagen. Brüssel will, dass die Luxemburger Richter ein tägliches Zwangsgeld über fast 23800 Euro gegen Athen verhängen, bis  Gegenmaßnahmen ergriffen worden sind.
Mit Blick auf die deutsche Nitratproblematik und eine mögliche weitere Anpassung der Düngeverordnung verwies der Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums  darauf, dass die Bundesregierung bereits Ende Januar 2019 über das für Vertragsverletzungsverfahren federführende Bundeswirtschaftsministerium eine offizielle Mitteilung an die EU-Kommission versendet habe. Darin seien die notwendigen Maßnahmen aufgeführt, die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bereits Anfang Februar genannt habe.
Die Ministerin  hatte seinerzeit unter dem Druck Brüssels unter anderem angekündigt, den bislang geforderten Nährstoffvergleich durch eine Aufzeichnungspflicht über die aufgebrachten Düngermengen ersetzen zu wollen, um auf diese Weise die Einhaltung des ermittelten Düngebedarfs besser kontrollieren zu können (die BBZ berichtete). Zum anderen sind für die nitratbelasteten Gebiete Sondermaßnahmen geplant.
Dazu zählen ein verpflichtender Zwischenfruchtanbau vor Sommerkulturen sowie ein Verbot der Herbstdüngung bei Wintergerste und Winterraps. Diese Inhalte seien an die EU-Kommission Ende Februar 2019 übermittelt worden, erklärte der Ministeriumssprecher. Der Text sei zuvor zwischen den  Bundesministerien für Landwirtschaft und Umwelt  abgestimmt worden.
Klöckner verteidigt Verschärfung – Fachleute sehen die Landwirtschaft gefährdet
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat die vorgesehene erneute Verschärfung der Düngeverordnung verteidigt. Man könne die Forderungen der Europäischen Kommission nicht ignorieren, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Klöckner räumte zugleich ein, dass die von der Brüsseler Generaldirektion Umwelt verlangten Nachbesserungen „eine enorme Belastung” für die betroffenen Landwirte darstellten. Umso wichtiger seien Regelungen, die „fachlich geboten und zugleich machbar” seien.
Entschieden wies die Ministerin Kritik an der Verhandlungsführung ihres Hauses zurück, die bis zu Rücktrittsforderungen an die Adresse ihres Staatssekretärs reichte. Sämtliche Entscheidungen seien mit ihr abgestimmt und würden gemeinsam getragen.
„Wir sind nicht einzelnen Interessengruppen verpflichtet”, stelle die Ministerin heraus. Sie bekräftigte zugleich ihre Forderung an die Agrarbranche, sich stärker zu öffnen und umweltpolitische Erfordernisse nicht als Angriff auf die Landwirtschaft zu deuten.
Die  geplanten Änderungen des Düngerechts sind weder fachlich gerechtfertigt noch hilfreich für den Gewässerschutz und gefährden die Landwirtschaft. Das ist hingegen das Fazit eines Treffens von Landwirten, Experten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen sowie der Thüringer Fachbehörden für Wasserwirtschaft und Bodenschutz am 7. März  im Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum  in Jena.
Der Düngeexperte Dr. Gerhard Baumgärtel von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen bezeichnete die Pläne als „Anordnung zum Hungern der Pflanzenbestände”. Auch die Landwirte zeigten sich entsetzt angesichts der „realitäts- und praxisfernen Maßnahmen”.
Insbesondere die in den nitratbelasteten Gebieten geplante pauschale Reduzierung der Düngung um 20 Prozent mache eine bedarfsgerechte Pflanzenernährung unmöglich und führe zu Ertrags- und Qualitätseinbußen, kritisierten die Experten der Fachbehörden beider Länder. Außerdem werde dadurch die Bodenfruchtbarkeit abgebaut.
Auch das vorgeschlagene generelle Verbot der Herbstdüngung zu Raps und Wintergerste sei nicht nachzuvollziehen, denn so gehe jeder fachlich sinnvolle Handlungsspielraum verloren. Dass Ertragsrückgänge direkt das Risiko der Entstehung von Nitratüberhängen im Boden erhöhten, zeigten laut dem Thüringer Bauernverband   die Auswertungen von Dr. Thomas Werner, der für die JenaBios GmbH Gewässerschutzberatung in Landwirtschaftsunternehmen zur Senkung der Nitrateinträge in Gewässer durchführe.